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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und Slevogt fortgesetzt und mit drei Wirklich¬
keitsmalern: Leiht/ Trübner und Max
Liebermann abgeschlossen wird. Schefflers
Art, die Dinge interessant und anregend zu
behandeln, ist bekannt, und wenn man auch
an manchen Stellen statt wissenschaftlicher
Durchdringung schematische und nicht selten
willkürliche Gruppierung, statt Präziser Charak¬
terisierung bequemere Paradoxe ungern wahr¬
nimmt und der ganzen Fassung die journa¬
listische Herkunft Wohl anmerkt, so muh man
doch anderseits der Gerechtigkeit halber
darauf hinweisen, daß, wie das Beispiel
Muthers beweist, durch diese leichte und gefällige
Art des Vortrags im größeren Publikum für
die Kenntnis der Kunst unserer Größten
vielleicht mehr erreicht wird, als durch
wissenschaftlich und künstlerisch einwandsfreie,
aber eben dadurch wieder nur verhältnismäßig
wenigen eingängliche Darstellung. Und dieser,
seiner kulturell heilsamen Wirkung wegen sei
uns das mit etwa achtzig zum Teil roche
guten Abbildungen vornehm ausgestattete
S--t. Buch willkommen.

Tagesfragen
Die Million für die Jugend.

Man er¬
innert sich eines jubelnd begrüßten Ministerial-
erlasses vom Januar des vergangenen Jahres,
der, in bewußter Konkurrenz mit der mächtig
aufstrebenden sozialdemokratischen Jugend¬
bewegung, vernünftige Anregungen gab und,
Was mehr, wenn auch noch keineswegs genug
und viel bedeutet, eine Million Mark zur
Förderung der Jugendfürsorge bewilligt hat.

Gegen Ende des Jahres bewies dann eine
von berliner Lehrern und Lehrerinnen zahlreich
besuchte Versammlung, daß dieser Erlaß und
die schöne Million die freie Arbeit der fast
schon seit Jahrzehnten von der Schule aus¬
gehenden "Jugendklubs", das heißt eben der
Organisation, an die sich der Minister cilerlaß
zumeist wendet, in gewaltigen Aufschwung
gebracht hat; sie liegt in der Hand großer
Organisationen, nämlich des "Jugendfürsorge¬
verbandes berliner Rektoren, Lehrer und
Lehrerinnen", der "Jugendfürsorgezentralc
der preußischen Rektorenschaft" und des
"Deutschen Zetttrnlvereins für die schulent¬
lassene Jugend", die unter Führung des ver¬
dienten Rektors Pagel diese Bestrebungen für

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Berlin, der zweite Verband für Preußen und
der dritte für ganz Deutschland betreiben.

Von diesen Verbänden also war die Ver¬
sammlung einberufen, und die Huld der Re¬
gierung lächelte über ihr: denn zur Rechten
des Vorsitzenden saß ein aufmerksamer Ver¬
treter der Regierung, der, offiziell begrüßt,
das Wohlwollen des Ministeriums aus einem
offiziellen Bericht verlas. Dann sah man, daß
der offizielle Herr eifrig Notizen niederschrieb,
und dann standen wir, kaum zwei Wochen
nach dieser Versammlung, vor einem neuen
Erlaß des Kultusministeriums, der wie eine
Prompte Antwort, oder, um es gleich zu sagen:
wie eine prompte Absage zu bestimmt for¬
mulierten Forderungen jener Lehrerversamm¬
lung aussieht.

Verlangt wurde nämlich (unter vielem
anderen, auf das wir nicht näher eingehen
können), daß die Lehrer, die sich dieser Arbeit --
es handelt sich hier vorzüglich um Turm- und
Spielstunden -- widmeten, dafür auch honoriert
würden, und der Redner rechnete vor, daß
eine Stadt wie Berlin nur etwa 100000 Mark
für diesen Zweck aufzubringen hätte, bei einem
JahreSgehalt, das dem der Fortbildungslehrer
entspräche. Von maßgebender Stelle, die in
dieser Sache angegangen wurde, ist dem Herrn
geantwortet worden: Wir wollen erst sehen,
waS der Staat tut, dann werden wir gewiß
auch nicht zurückstehen. Und der Redner --
sich verbindlich und lächelnd gegen den Re¬
gierungsbevollmächtigter verbeugend -- sprach
die Überzeugung aus, daß diese Zeit, wo
niemand mehr zurückstehen werde, nahe sei.
Die Versammlung aber beantwortete das
zukunftfrohe Lächeln ihres Redners mit einem
ungläubigen allgemeinen Gelächter.

Der neue Erlaß des Kultusministeriums
gibt den Ungläubigen recht; der Minister ver¬
kündet:

"Daß beteiligten Lehrern stundenweise die
Leitung nichtverbindlicher Leibesübungen zu
vergüten ist, hat verschiedenenorts zu er¬
heblichen Unzuträglichkeiten geführt. Es
empfiehlt sich, von dieser Art der Vergütung
tunlichst abzusehen; ich trage Bedenken,
hierfür weiterhin staatliche Mittel zu ge¬
währen. In erster Linie wird anzustreben
sein, daß geeignete Lehrer freiwillig und
ohne daß ihnen besondere Vergütungen in

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und Slevogt fortgesetzt und mit drei Wirklich¬
keitsmalern: Leiht/ Trübner und Max
Liebermann abgeschlossen wird. Schefflers
Art, die Dinge interessant und anregend zu
behandeln, ist bekannt, und wenn man auch
an manchen Stellen statt wissenschaftlicher
Durchdringung schematische und nicht selten
willkürliche Gruppierung, statt Präziser Charak¬
terisierung bequemere Paradoxe ungern wahr¬
nimmt und der ganzen Fassung die journa¬
listische Herkunft Wohl anmerkt, so muh man
doch anderseits der Gerechtigkeit halber
darauf hinweisen, daß, wie das Beispiel
Muthers beweist, durch diese leichte und gefällige
Art des Vortrags im größeren Publikum für
die Kenntnis der Kunst unserer Größten
vielleicht mehr erreicht wird, als durch
wissenschaftlich und künstlerisch einwandsfreie,
aber eben dadurch wieder nur verhältnismäßig
wenigen eingängliche Darstellung. Und dieser,
seiner kulturell heilsamen Wirkung wegen sei
uns das mit etwa achtzig zum Teil roche
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Tagesfragen
Die Million für die Jugend.

Man er¬
innert sich eines jubelnd begrüßten Ministerial-
erlasses vom Januar des vergangenen Jahres,
der, in bewußter Konkurrenz mit der mächtig
aufstrebenden sozialdemokratischen Jugend¬
bewegung, vernünftige Anregungen gab und,
Was mehr, wenn auch noch keineswegs genug
und viel bedeutet, eine Million Mark zur
Förderung der Jugendfürsorge bewilligt hat.

Gegen Ende des Jahres bewies dann eine
von berliner Lehrern und Lehrerinnen zahlreich
besuchte Versammlung, daß dieser Erlaß und
die schöne Million die freie Arbeit der fast
schon seit Jahrzehnten von der Schule aus¬
gehenden „Jugendklubs", das heißt eben der
Organisation, an die sich der Minister cilerlaß
zumeist wendet, in gewaltigen Aufschwung
gebracht hat; sie liegt in der Hand großer
Organisationen, nämlich des „Jugendfürsorge¬
verbandes berliner Rektoren, Lehrer und
Lehrerinnen", der „Jugendfürsorgezentralc
der preußischen Rektorenschaft" und des
„Deutschen Zetttrnlvereins für die schulent¬
lassene Jugend", die unter Führung des ver¬
dienten Rektors Pagel diese Bestrebungen für

[Spaltenumbruch]

Berlin, der zweite Verband für Preußen und
der dritte für ganz Deutschland betreiben.

Von diesen Verbänden also war die Ver¬
sammlung einberufen, und die Huld der Re¬
gierung lächelte über ihr: denn zur Rechten
des Vorsitzenden saß ein aufmerksamer Ver¬
treter der Regierung, der, offiziell begrüßt,
das Wohlwollen des Ministeriums aus einem
offiziellen Bericht verlas. Dann sah man, daß
der offizielle Herr eifrig Notizen niederschrieb,
und dann standen wir, kaum zwei Wochen
nach dieser Versammlung, vor einem neuen
Erlaß des Kultusministeriums, der wie eine
Prompte Antwort, oder, um es gleich zu sagen:
wie eine prompte Absage zu bestimmt for¬
mulierten Forderungen jener Lehrerversamm¬
lung aussieht.

Verlangt wurde nämlich (unter vielem
anderen, auf das wir nicht näher eingehen
können), daß die Lehrer, die sich dieser Arbeit —
es handelt sich hier vorzüglich um Turm- und
Spielstunden — widmeten, dafür auch honoriert
würden, und der Redner rechnete vor, daß
eine Stadt wie Berlin nur etwa 100000 Mark
für diesen Zweck aufzubringen hätte, bei einem
JahreSgehalt, das dem der Fortbildungslehrer
entspräche. Von maßgebender Stelle, die in
dieser Sache angegangen wurde, ist dem Herrn
geantwortet worden: Wir wollen erst sehen,
waS der Staat tut, dann werden wir gewiß
auch nicht zurückstehen. Und der Redner —
sich verbindlich und lächelnd gegen den Re¬
gierungsbevollmächtigter verbeugend — sprach
die Überzeugung aus, daß diese Zeit, wo
niemand mehr zurückstehen werde, nahe sei.
Die Versammlung aber beantwortete das
zukunftfrohe Lächeln ihres Redners mit einem
ungläubigen allgemeinen Gelächter.

Der neue Erlaß des Kultusministeriums
gibt den Ungläubigen recht; der Minister ver¬
kündet:

„Daß beteiligten Lehrern stundenweise die
Leitung nichtverbindlicher Leibesübungen zu
vergüten ist, hat verschiedenenorts zu er¬
heblichen Unzuträglichkeiten geführt. Es
empfiehlt sich, von dieser Art der Vergütung
tunlichst abzusehen; ich trage Bedenken,
hierfür weiterhin staatliche Mittel zu ge¬
währen. In erster Linie wird anzustreben
sein, daß geeignete Lehrer freiwillig und
ohne daß ihnen besondere Vergütungen in

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[0256] Maßgebliches und Unmaßgebliches und Slevogt fortgesetzt und mit drei Wirklich¬ keitsmalern: Leiht/ Trübner und Max Liebermann abgeschlossen wird. Schefflers Art, die Dinge interessant und anregend zu behandeln, ist bekannt, und wenn man auch an manchen Stellen statt wissenschaftlicher Durchdringung schematische und nicht selten willkürliche Gruppierung, statt Präziser Charak¬ terisierung bequemere Paradoxe ungern wahr¬ nimmt und der ganzen Fassung die journa¬ listische Herkunft Wohl anmerkt, so muh man doch anderseits der Gerechtigkeit halber darauf hinweisen, daß, wie das Beispiel Muthers beweist, durch diese leichte und gefällige Art des Vortrags im größeren Publikum für die Kenntnis der Kunst unserer Größten vielleicht mehr erreicht wird, als durch wissenschaftlich und künstlerisch einwandsfreie, aber eben dadurch wieder nur verhältnismäßig wenigen eingängliche Darstellung. Und dieser, seiner kulturell heilsamen Wirkung wegen sei uns das mit etwa achtzig zum Teil roche guten Abbildungen vornehm ausgestattete S—t. Buch willkommen. Tagesfragen Die Million für die Jugend. Man er¬ innert sich eines jubelnd begrüßten Ministerial- erlasses vom Januar des vergangenen Jahres, der, in bewußter Konkurrenz mit der mächtig aufstrebenden sozialdemokratischen Jugend¬ bewegung, vernünftige Anregungen gab und, Was mehr, wenn auch noch keineswegs genug und viel bedeutet, eine Million Mark zur Förderung der Jugendfürsorge bewilligt hat. Gegen Ende des Jahres bewies dann eine von berliner Lehrern und Lehrerinnen zahlreich besuchte Versammlung, daß dieser Erlaß und die schöne Million die freie Arbeit der fast schon seit Jahrzehnten von der Schule aus¬ gehenden „Jugendklubs", das heißt eben der Organisation, an die sich der Minister cilerlaß zumeist wendet, in gewaltigen Aufschwung gebracht hat; sie liegt in der Hand großer Organisationen, nämlich des „Jugendfürsorge¬ verbandes berliner Rektoren, Lehrer und Lehrerinnen", der „Jugendfürsorgezentralc der preußischen Rektorenschaft" und des „Deutschen Zetttrnlvereins für die schulent¬ lassene Jugend", die unter Führung des ver¬ dienten Rektors Pagel diese Bestrebungen für Berlin, der zweite Verband für Preußen und der dritte für ganz Deutschland betreiben. Von diesen Verbänden also war die Ver¬ sammlung einberufen, und die Huld der Re¬ gierung lächelte über ihr: denn zur Rechten des Vorsitzenden saß ein aufmerksamer Ver¬ treter der Regierung, der, offiziell begrüßt, das Wohlwollen des Ministeriums aus einem offiziellen Bericht verlas. Dann sah man, daß der offizielle Herr eifrig Notizen niederschrieb, und dann standen wir, kaum zwei Wochen nach dieser Versammlung, vor einem neuen Erlaß des Kultusministeriums, der wie eine Prompte Antwort, oder, um es gleich zu sagen: wie eine prompte Absage zu bestimmt for¬ mulierten Forderungen jener Lehrerversamm¬ lung aussieht. Verlangt wurde nämlich (unter vielem anderen, auf das wir nicht näher eingehen können), daß die Lehrer, die sich dieser Arbeit — es handelt sich hier vorzüglich um Turm- und Spielstunden — widmeten, dafür auch honoriert würden, und der Redner rechnete vor, daß eine Stadt wie Berlin nur etwa 100000 Mark für diesen Zweck aufzubringen hätte, bei einem JahreSgehalt, das dem der Fortbildungslehrer entspräche. Von maßgebender Stelle, die in dieser Sache angegangen wurde, ist dem Herrn geantwortet worden: Wir wollen erst sehen, waS der Staat tut, dann werden wir gewiß auch nicht zurückstehen. Und der Redner — sich verbindlich und lächelnd gegen den Re¬ gierungsbevollmächtigter verbeugend — sprach die Überzeugung aus, daß diese Zeit, wo niemand mehr zurückstehen werde, nahe sei. Die Versammlung aber beantwortete das zukunftfrohe Lächeln ihres Redners mit einem ungläubigen allgemeinen Gelächter. Der neue Erlaß des Kultusministeriums gibt den Ungläubigen recht; der Minister ver¬ kündet: „Daß beteiligten Lehrern stundenweise die Leitung nichtverbindlicher Leibesübungen zu vergüten ist, hat verschiedenenorts zu er¬ heblichen Unzuträglichkeiten geführt. Es empfiehlt sich, von dieser Art der Vergütung tunlichst abzusehen; ich trage Bedenken, hierfür weiterhin staatliche Mittel zu ge¬ währen. In erster Linie wird anzustreben sein, daß geeignete Lehrer freiwillig und ohne daß ihnen besondere Vergütungen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/256>, abgerufen am 29.04.2024.