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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Er nimmt seinen verkannten braven Herrn
in Schutz, und schildert ihn, den anderen, den
Zauberer, den Verführer, den Teufel, der die
Familie an den Rand deS Abgrunds bringt,
mit Haß und Furcht. Es ist ein köstlicher Genuß,
diese Darstellung zu lesen, wie auch die Worte
des getreuen unverführten Chronisten immer
wieder der königlich-dämonischen Natur des
Junkers gedenken müssen, bezwungen von
seinem strahlenden Wesen, wie sie nur wider¬
willig seine betörenden Eigenschaften durch¬
brechen lassen: all das Bezwingende eines
Lebensgenießers, eines Abenteurers, eines Rast¬
losen, eines Jägers, der ein wunderbares,
wild wechselvolles Geschick aus seiner Brust
holt, der, zum Entsetzen seines Bruders, nach¬
dem er verschollen wiederkehrt, getötet und
begraben wieder aufersteht, der als Soldat,
Spion, Seeräuber, Lord und Schneider mit
gleichem Stolz Herr seines Schicksals bleibt,
umzingelt und verraten mit funkelndem Auf¬
blitzen seines Wesens alle Gefahr verscheucht
und mit dieser dämonischen Kraft zu leben
und zu hassen, mit dein großen Zug seiner
raubtierhaftcn Art das Leben seines schwung¬
loser bescheidenen Bruders entwertet, ein¬
schränkt, leersangt, bis der Arme ein geistes¬
schwacher alter Mann geworden ist. Die Ge¬
stalt dieses Abenteurers ist recht ein Hymnus
auf das Ungeheure und Dämonische, das in
einzelnen berühmten Abenteurerfiguren deS
achtzehnten Jahrhunderts so bezaubernd und
verlockend gewirkt hat; ist aber auch mehr, ist
fabelhaft und immer lebendig, ein großer
Typus für ein großes Streben der Menschen¬
seele. Diesen Typus in der Gestalt des Junkers
von Ballantrae mit Kraft und Zurückhaltung,
wieder gezeichnet, den wundervollen Schimmer
solcher Naturen edelsteinhaft ans grauem
Gewebe des Alltags vorgezeigt zu haben,
ist eine dichterische Leistung von unzweifelhaft
hohem Rang. Wir müssen uns freuen, auf
dieses schöne Werk in einer ganz vorzüglichen
Übersetzung hingewiesen zu sein.

1)5. Max Meil [Spaltenumbruch]
Politik

Die Auffassung des Staatsmannes als
Künstler, die dem neuen Buche von Oskar
A. H. Schwitz ("Die Kunst der Politik",

Berlin, Meyer u. Jessen, 1911) seinen Titel
gegeben hat, scheint der modernen Anschauung
zu widersprechen, die durch Politischen Unter-
ricyt den breiten Massen Urteil in Politischen
Dingen beizubringen sucht. Und doch beruht
sie auf dem richtigen Gedanken, daß die
großen Staatsmänner geboren werden; gerade
die Betrachtung des Lebensganges großer
Persönlichkeiten der Politik kann aber lehrreich
für den denkenden Staatsbürger sein. Schmitz
hat sich als Demonstrationsobjekt Lord
Beaconsfield (Disraeli) gewählt und sucht ihm
dadurch gerecht zu werden, daß er auch seinen
minder sympathischen Zügen Verständnis er¬
weckt. Die Darstellung des Buches ist die für
Deutschland einigermaßen ungewöhnliche des
Essays, wodurch dem Verfasser Gelegenheit
zu geistreichen Gedankengängen, zu blendenden
Antithesen und zu Seitenblicken auf deutsche
Verhältnisse gegeben ist. Der Gefahr, in ein
Plaidoyer für seine Anschauungen zu verfallen,
ist er hierbei nicht immer entgangen. Auch
hat sich der Stoff bei weitem nicht in allen
Teilen des Werkes der Essayform glatt gefügt.
Aber dafür entschädigen uns glänzend ge¬
schriebene Partien, denn das muß man dem
Verfasser lassen, daß er seinen Stoff mit Geist
erfaßt hat. Zu den besten Abschnitten ge¬
hören die Analysen des Disraelischen Wesens,
die Charakteristik Gladstones, geradezu über¬
raschend sind die Parallelen Disraeli-Bismarck
und Disrncli-Lassalle. In einem besonderen
Kapitel sucht Schmitz praktische Folgerungen
für das moderne Deutschland aus seiner Be¬
trachtung zu ziehen; er bespricht die Juden-
frage, den Parlamentarismus und -- den
"konservativen Fortschritt", d. h. eine Erneue¬
rung des konservativen Gedankens im Politisch-
Positiven Sinne, wofür er Disraelis Erneuerung
des Torytums als Vorbild empfiehlt.

Dr. w. M. Becker [Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Er nimmt seinen verkannten braven Herrn
in Schutz, und schildert ihn, den anderen, den
Zauberer, den Verführer, den Teufel, der die
Familie an den Rand deS Abgrunds bringt,
mit Haß und Furcht. Es ist ein köstlicher Genuß,
diese Darstellung zu lesen, wie auch die Worte
des getreuen unverführten Chronisten immer
wieder der königlich-dämonischen Natur des
Junkers gedenken müssen, bezwungen von
seinem strahlenden Wesen, wie sie nur wider¬
willig seine betörenden Eigenschaften durch¬
brechen lassen: all das Bezwingende eines
Lebensgenießers, eines Abenteurers, eines Rast¬
losen, eines Jägers, der ein wunderbares,
wild wechselvolles Geschick aus seiner Brust
holt, der, zum Entsetzen seines Bruders, nach¬
dem er verschollen wiederkehrt, getötet und
begraben wieder aufersteht, der als Soldat,
Spion, Seeräuber, Lord und Schneider mit
gleichem Stolz Herr seines Schicksals bleibt,
umzingelt und verraten mit funkelndem Auf¬
blitzen seines Wesens alle Gefahr verscheucht
und mit dieser dämonischen Kraft zu leben
und zu hassen, mit dein großen Zug seiner
raubtierhaftcn Art das Leben seines schwung¬
loser bescheidenen Bruders entwertet, ein¬
schränkt, leersangt, bis der Arme ein geistes¬
schwacher alter Mann geworden ist. Die Ge¬
stalt dieses Abenteurers ist recht ein Hymnus
auf das Ungeheure und Dämonische, das in
einzelnen berühmten Abenteurerfiguren deS
achtzehnten Jahrhunderts so bezaubernd und
verlockend gewirkt hat; ist aber auch mehr, ist
fabelhaft und immer lebendig, ein großer
Typus für ein großes Streben der Menschen¬
seele. Diesen Typus in der Gestalt des Junkers
von Ballantrae mit Kraft und Zurückhaltung,
wieder gezeichnet, den wundervollen Schimmer
solcher Naturen edelsteinhaft ans grauem
Gewebe des Alltags vorgezeigt zu haben,
ist eine dichterische Leistung von unzweifelhaft
hohem Rang. Wir müssen uns freuen, auf
dieses schöne Werk in einer ganz vorzüglichen
Übersetzung hingewiesen zu sein.

1)5. Max Meil [Spaltenumbruch]
Politik

Die Auffassung des Staatsmannes als
Künstler, die dem neuen Buche von Oskar
A. H. Schwitz („Die Kunst der Politik",

Berlin, Meyer u. Jessen, 1911) seinen Titel
gegeben hat, scheint der modernen Anschauung
zu widersprechen, die durch Politischen Unter-
ricyt den breiten Massen Urteil in Politischen
Dingen beizubringen sucht. Und doch beruht
sie auf dem richtigen Gedanken, daß die
großen Staatsmänner geboren werden; gerade
die Betrachtung des Lebensganges großer
Persönlichkeiten der Politik kann aber lehrreich
für den denkenden Staatsbürger sein. Schmitz
hat sich als Demonstrationsobjekt Lord
Beaconsfield (Disraeli) gewählt und sucht ihm
dadurch gerecht zu werden, daß er auch seinen
minder sympathischen Zügen Verständnis er¬
weckt. Die Darstellung des Buches ist die für
Deutschland einigermaßen ungewöhnliche des
Essays, wodurch dem Verfasser Gelegenheit
zu geistreichen Gedankengängen, zu blendenden
Antithesen und zu Seitenblicken auf deutsche
Verhältnisse gegeben ist. Der Gefahr, in ein
Plaidoyer für seine Anschauungen zu verfallen,
ist er hierbei nicht immer entgangen. Auch
hat sich der Stoff bei weitem nicht in allen
Teilen des Werkes der Essayform glatt gefügt.
Aber dafür entschädigen uns glänzend ge¬
schriebene Partien, denn das muß man dem
Verfasser lassen, daß er seinen Stoff mit Geist
erfaßt hat. Zu den besten Abschnitten ge¬
hören die Analysen des Disraelischen Wesens,
die Charakteristik Gladstones, geradezu über¬
raschend sind die Parallelen Disraeli-Bismarck
und Disrncli-Lassalle. In einem besonderen
Kapitel sucht Schmitz praktische Folgerungen
für das moderne Deutschland aus seiner Be¬
trachtung zu ziehen; er bespricht die Juden-
frage, den Parlamentarismus und — den
„konservativen Fortschritt", d. h. eine Erneue¬
rung des konservativen Gedankens im Politisch-
Positiven Sinne, wofür er Disraelis Erneuerung
des Torytums als Vorbild empfiehlt.

Dr. w. M. Becker [Ende Spaltensatz]


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[0302] Maßgebliches und Unmaßgebliches Er nimmt seinen verkannten braven Herrn in Schutz, und schildert ihn, den anderen, den Zauberer, den Verführer, den Teufel, der die Familie an den Rand deS Abgrunds bringt, mit Haß und Furcht. Es ist ein köstlicher Genuß, diese Darstellung zu lesen, wie auch die Worte des getreuen unverführten Chronisten immer wieder der königlich-dämonischen Natur des Junkers gedenken müssen, bezwungen von seinem strahlenden Wesen, wie sie nur wider¬ willig seine betörenden Eigenschaften durch¬ brechen lassen: all das Bezwingende eines Lebensgenießers, eines Abenteurers, eines Rast¬ losen, eines Jägers, der ein wunderbares, wild wechselvolles Geschick aus seiner Brust holt, der, zum Entsetzen seines Bruders, nach¬ dem er verschollen wiederkehrt, getötet und begraben wieder aufersteht, der als Soldat, Spion, Seeräuber, Lord und Schneider mit gleichem Stolz Herr seines Schicksals bleibt, umzingelt und verraten mit funkelndem Auf¬ blitzen seines Wesens alle Gefahr verscheucht und mit dieser dämonischen Kraft zu leben und zu hassen, mit dein großen Zug seiner raubtierhaftcn Art das Leben seines schwung¬ loser bescheidenen Bruders entwertet, ein¬ schränkt, leersangt, bis der Arme ein geistes¬ schwacher alter Mann geworden ist. Die Ge¬ stalt dieses Abenteurers ist recht ein Hymnus auf das Ungeheure und Dämonische, das in einzelnen berühmten Abenteurerfiguren deS achtzehnten Jahrhunderts so bezaubernd und verlockend gewirkt hat; ist aber auch mehr, ist fabelhaft und immer lebendig, ein großer Typus für ein großes Streben der Menschen¬ seele. Diesen Typus in der Gestalt des Junkers von Ballantrae mit Kraft und Zurückhaltung, wieder gezeichnet, den wundervollen Schimmer solcher Naturen edelsteinhaft ans grauem Gewebe des Alltags vorgezeigt zu haben, ist eine dichterische Leistung von unzweifelhaft hohem Rang. Wir müssen uns freuen, auf dieses schöne Werk in einer ganz vorzüglichen Übersetzung hingewiesen zu sein. 1)5. Max Meil Politik Die Auffassung des Staatsmannes als Künstler, die dem neuen Buche von Oskar A. H. Schwitz („Die Kunst der Politik", Berlin, Meyer u. Jessen, 1911) seinen Titel gegeben hat, scheint der modernen Anschauung zu widersprechen, die durch Politischen Unter- ricyt den breiten Massen Urteil in Politischen Dingen beizubringen sucht. Und doch beruht sie auf dem richtigen Gedanken, daß die großen Staatsmänner geboren werden; gerade die Betrachtung des Lebensganges großer Persönlichkeiten der Politik kann aber lehrreich für den denkenden Staatsbürger sein. Schmitz hat sich als Demonstrationsobjekt Lord Beaconsfield (Disraeli) gewählt und sucht ihm dadurch gerecht zu werden, daß er auch seinen minder sympathischen Zügen Verständnis er¬ weckt. Die Darstellung des Buches ist die für Deutschland einigermaßen ungewöhnliche des Essays, wodurch dem Verfasser Gelegenheit zu geistreichen Gedankengängen, zu blendenden Antithesen und zu Seitenblicken auf deutsche Verhältnisse gegeben ist. Der Gefahr, in ein Plaidoyer für seine Anschauungen zu verfallen, ist er hierbei nicht immer entgangen. Auch hat sich der Stoff bei weitem nicht in allen Teilen des Werkes der Essayform glatt gefügt. Aber dafür entschädigen uns glänzend ge¬ schriebene Partien, denn das muß man dem Verfasser lassen, daß er seinen Stoff mit Geist erfaßt hat. Zu den besten Abschnitten ge¬ hören die Analysen des Disraelischen Wesens, die Charakteristik Gladstones, geradezu über¬ raschend sind die Parallelen Disraeli-Bismarck und Disrncli-Lassalle. In einem besonderen Kapitel sucht Schmitz praktische Folgerungen für das moderne Deutschland aus seiner Be¬ trachtung zu ziehen; er bespricht die Juden- frage, den Parlamentarismus und — den „konservativen Fortschritt", d. h. eine Erneue¬ rung des konservativen Gedankens im Politisch- Positiven Sinne, wofür er Disraelis Erneuerung des Torytums als Vorbild empfiehlt. Dr. w. M. Becker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/302>, abgerufen am 29.04.2024.