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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

Spitze der deutschen Katholiken stellen? Für deutsche Bischöfe kann es kein edleres
Werk geben, als Deutschland von dem ausländischen Drucke zu befreien. Und gibt
es nicht in Deutschland auch einen katholischen König, aus dessen Munde wir
eine mannhafte, von deutschem Selbstbewußtsein getragene Erklärung gegen die
Borromäusencyklika vernahmen? Sollte er nicht bereit sein, an die Spitze der
Bewegung zu treten, die die römisch-katholische Kirche durch eine deutsch-katholische
mit einem Deutschen als Überhaupt ersetzt? Es gibt doch genug deutsche
Katholiken, die deutsches Selbstbewußtsein, Drang nach deutschem Wesen, deutschem
Geist, deutscher Geistesfreiheit auch in religiösen Dingen in ihrer Brust tragen!




Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke
>Lin rechtliches und militärisches Dilemma
von Dr. Eugen Nübling

Die nachfolgenden Ausführungen des konservativen Abgeordneten
zum württembergischen Landtage bringeich zur Veröffentlichung, weil
sie das erste Mal die Frage der allgemeinen Wehrpflicht mit allen
volkswirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen behandeln. Mit den
Einzelvorschlägen können die Grenzboten sich nicht durchgehends identifi¬
zieren. Eine Kritik der Vorschläge hat der Herausgeber der Jnfanteristischen
Halbmonatshefte, Herr Hauptmann z.D. Dr, Fritz Roeder, übernommen. Ich stimme mit dem Autor überein, soweit er sich an das Wort
Kaiser Wilhelms des Ersten hält: "Ich halte die Überzeugung fest,
daß ich lieber mit wenigen tüchtig und durch und durch ausgebildeten
Truppen gegen den Feind gehen mag, als mit vielen halb, also schlecht
G, Li, ausgebildeten."

I.
Einleitung

eit die deutsche Gesetzgebung durch das Gesetz über die Friedens¬
präsenzstärke vom 5. August 1893 die dreijährige Wehrpflicht bei
allen Waffengattungen mit Ausnahme der Kavallerie abgeschafft
hat, besteht in Deutschland eine große Mannigfaltigkeit betreffs
der aktiven Dienstpflicht. Die dreijährige Dienstpflicht ist nach
wie vor gesetzlich durchgeführt für die in der Hauptsache aus der Landwirtschaft
sich ergänzenden Truppen der Kavallerie. Einer nur einjährigen Dienstpflicht
dagegen unterliegen die Mannschaften des Trains und die Volksschullehrer
sowie diejenigen einen bestimmten Schulbildungsgrad nachweisenden Mannschaften
aller Waffengattungen, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, aus¬
rüsten und verpflegen. Zu einer zweijährigen Dienstzeit sind verpflichtet alle
übrigen zum Dienste eingestellten Wehrpflichtigen. Keinerlei persönliche oder
materielle Opfer endlich hat die große Zahl derer auf sich zu nehmen, welche


Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke

Spitze der deutschen Katholiken stellen? Für deutsche Bischöfe kann es kein edleres
Werk geben, als Deutschland von dem ausländischen Drucke zu befreien. Und gibt
es nicht in Deutschland auch einen katholischen König, aus dessen Munde wir
eine mannhafte, von deutschem Selbstbewußtsein getragene Erklärung gegen die
Borromäusencyklika vernahmen? Sollte er nicht bereit sein, an die Spitze der
Bewegung zu treten, die die römisch-katholische Kirche durch eine deutsch-katholische
mit einem Deutschen als Überhaupt ersetzt? Es gibt doch genug deutsche
Katholiken, die deutsches Selbstbewußtsein, Drang nach deutschem Wesen, deutschem
Geist, deutscher Geistesfreiheit auch in religiösen Dingen in ihrer Brust tragen!




Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke
>Lin rechtliches und militärisches Dilemma
von Dr. Eugen Nübling

Die nachfolgenden Ausführungen des konservativen Abgeordneten
zum württembergischen Landtage bringeich zur Veröffentlichung, weil
sie das erste Mal die Frage der allgemeinen Wehrpflicht mit allen
volkswirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen behandeln. Mit den
Einzelvorschlägen können die Grenzboten sich nicht durchgehends identifi¬
zieren. Eine Kritik der Vorschläge hat der Herausgeber der Jnfanteristischen
Halbmonatshefte, Herr Hauptmann z.D. Dr, Fritz Roeder, übernommen. Ich stimme mit dem Autor überein, soweit er sich an das Wort
Kaiser Wilhelms des Ersten hält: „Ich halte die Überzeugung fest,
daß ich lieber mit wenigen tüchtig und durch und durch ausgebildeten
Truppen gegen den Feind gehen mag, als mit vielen halb, also schlecht
G, Li, ausgebildeten."

I.
Einleitung

eit die deutsche Gesetzgebung durch das Gesetz über die Friedens¬
präsenzstärke vom 5. August 1893 die dreijährige Wehrpflicht bei
allen Waffengattungen mit Ausnahme der Kavallerie abgeschafft
hat, besteht in Deutschland eine große Mannigfaltigkeit betreffs
der aktiven Dienstpflicht. Die dreijährige Dienstpflicht ist nach
wie vor gesetzlich durchgeführt für die in der Hauptsache aus der Landwirtschaft
sich ergänzenden Truppen der Kavallerie. Einer nur einjährigen Dienstpflicht
dagegen unterliegen die Mannschaften des Trains und die Volksschullehrer
sowie diejenigen einen bestimmten Schulbildungsgrad nachweisenden Mannschaften
aller Waffengattungen, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, aus¬
rüsten und verpflegen. Zu einer zweijährigen Dienstzeit sind verpflichtet alle
übrigen zum Dienste eingestellten Wehrpflichtigen. Keinerlei persönliche oder
materielle Opfer endlich hat die große Zahl derer auf sich zu nehmen, welche


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[0317] Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke Spitze der deutschen Katholiken stellen? Für deutsche Bischöfe kann es kein edleres Werk geben, als Deutschland von dem ausländischen Drucke zu befreien. Und gibt es nicht in Deutschland auch einen katholischen König, aus dessen Munde wir eine mannhafte, von deutschem Selbstbewußtsein getragene Erklärung gegen die Borromäusencyklika vernahmen? Sollte er nicht bereit sein, an die Spitze der Bewegung zu treten, die die römisch-katholische Kirche durch eine deutsch-katholische mit einem Deutschen als Überhaupt ersetzt? Es gibt doch genug deutsche Katholiken, die deutsches Selbstbewußtsein, Drang nach deutschem Wesen, deutschem Geist, deutscher Geistesfreiheit auch in religiösen Dingen in ihrer Brust tragen! Allgemeine Wehrpflicht und Präsenzstärke >Lin rechtliches und militärisches Dilemma von Dr. Eugen Nübling Die nachfolgenden Ausführungen des konservativen Abgeordneten zum württembergischen Landtage bringeich zur Veröffentlichung, weil sie das erste Mal die Frage der allgemeinen Wehrpflicht mit allen volkswirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen behandeln. Mit den Einzelvorschlägen können die Grenzboten sich nicht durchgehends identifi¬ zieren. Eine Kritik der Vorschläge hat der Herausgeber der Jnfanteristischen Halbmonatshefte, Herr Hauptmann z.D. Dr, Fritz Roeder, übernommen. Ich stimme mit dem Autor überein, soweit er sich an das Wort Kaiser Wilhelms des Ersten hält: „Ich halte die Überzeugung fest, daß ich lieber mit wenigen tüchtig und durch und durch ausgebildeten Truppen gegen den Feind gehen mag, als mit vielen halb, also schlecht G, Li, ausgebildeten." I. Einleitung eit die deutsche Gesetzgebung durch das Gesetz über die Friedens¬ präsenzstärke vom 5. August 1893 die dreijährige Wehrpflicht bei allen Waffengattungen mit Ausnahme der Kavallerie abgeschafft hat, besteht in Deutschland eine große Mannigfaltigkeit betreffs der aktiven Dienstpflicht. Die dreijährige Dienstpflicht ist nach wie vor gesetzlich durchgeführt für die in der Hauptsache aus der Landwirtschaft sich ergänzenden Truppen der Kavallerie. Einer nur einjährigen Dienstpflicht dagegen unterliegen die Mannschaften des Trains und die Volksschullehrer sowie diejenigen einen bestimmten Schulbildungsgrad nachweisenden Mannschaften aller Waffengattungen, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, aus¬ rüsten und verpflegen. Zu einer zweijährigen Dienstzeit sind verpflichtet alle übrigen zum Dienste eingestellten Wehrpflichtigen. Keinerlei persönliche oder materielle Opfer endlich hat die große Zahl derer auf sich zu nehmen, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/317>, abgerufen am 29.04.2024.