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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zu den Stuckreliefs. Nach dieser Zusammen¬
stellung kann man sich eine Ahnung von dem
retchen Skizzenmaterial der Raffaelschule
machen. Alle antiken Schätze, die damals in
Italien gehoben wurden, beraubte sie um
fruchtbare Motive, ohne sklavische Anlehnung
mit dem Vorbilde gleichsam spielend. Sarko¬
phage, Gemmen, Statuen, alles mußte sich
die Verwandlung gefallen lassen, und unter
der sachkundigen Führung Amelungs die
Wandlung der Motive zu verfolgen, bereitet
hohen Genuß.

Wenn mau eine kleine Ausstellung gegen¬
über so erfolgreicher Forschung machen darf,
so wäre nach meiner Einsicht ein noch tieferes
Eingehen auf die Renaissancevorbilder gleich¬
falls erwünscht. Manchen antiken Vorwurf
nahmen die Dekorationsmoister der Loggien
aus zweiter Hand eines Renaissancekünstlers,
so sind mir Umkehrungen an Andrea Pisanos
Kampcmilerelifs, an Leonardos Johannes im
Louvre und Entwurf zum Sforza-Denkmal,
all das sogenannte Michelangelo-Relief (zu¬
letzt bei E. v. Liphart, Ratshof in Livland),
an desselben Meisters Adams Erweckung, an
Donatellos Reliefs am Untersatz der Dom-
kantoria (antikes Vorbild bischöfl. Museum in
Ravenna) und an seine dekorativen Vasen auf¬
gestoßen. Auch ein Druckfehler auf S. 126
sei berücksichtigt, es muß dort zweimal
statt I.XVII stehen. Doch das sind Kleinig¬
keiten gegenüber dieser vorzüglichen Arbeit,
die mehr mein Interesse als einen EinWurf
bekunden sollen.

Im dritten Teil führt uns Dr. F. Weege
in das Badezimmer des Kardinals Bibbicma,
das bisher nur wenigen Sterblichen zugäng¬
lich gewesen war. Auch hier dankt die De¬
koration, die wie keine andere den Schönheits¬
sinn des Zeitalters Leos des Zehnten offenbart,
ihre Anregung der Antike. Die Titusthermen,
das goldene Haus, Pompejcmische Vorbilder
haben Pate gestanden. Ohne aufdringliche
Gelehrsamkeit, mit großer Sachkenntnis, mit
reichstem Bildermaterial wird alles vorgeführt
und bewiesen.

Dem ganzen vierten Band gegenüber hat
man, wie bei den vorhergehenden, neben dem
Gefühl der Dankbarkeit den Wunsch, das
vollendete Werk einst zu erblicken und besitzen
zu dürfen. Dr. Robert Lorwegh-Leipzig

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Länder- und Völkerkunde

Bei der allgemeinen Begeisterung für
alles Japanische, die das deutsche Publikum be¬
fiel, als nach dem russisch-japanischen Kriege
die Schriften Lafcadio Hearns mit eineni
Schlage so populär wurden, ist es zu be¬
grüßen, daß uns einmal von berufener Feder
auch die weniger anziehenden Seiten der
östlichen Kultur geschildert werden. Hearn
sah und schilderte bis kurz vor seinem Tode
fast nur die guten Seiten und übertrieb auch
diese oft noch ins Märchenhafte, so daß ein
einseitiges, daher falsches Bild entstand. Der
Amerikaner Percival Lowell, dessen bereits
189S erschienenes Buch "Onanie Japan" uns
jetzt in vortrefflicher deutscher Übersetzung von
Berta Franzos unter dem Titel "Die Seele
des fernen Ostens" (Jena, Eugen Diederichs.
Preis 3 M.) zugängig gemacht wird, gilt als
einer der besten Kenner Japans. Er weilte
lange Jahre als Universitätslehrer im Lande
und kam stets mit Leuten aller Stände
während der alten und auch noch der neuen
Ära in nächste Berührung.

Als hauptsächlichstes Merkmal der japa¬
nischen und überhaupt der o stasiatischeu Kultur
sieht Lowell das Prinzip der "UnPersönlich¬
keit" an. Dieser Gedanke zieht sich wie ein
roter Faden durch das ganze Buch, und an
vielen Beispielen versucht der Verfasser zu
zeigen, wie dieser Mangel an "Persönlichkeits¬
gefühl" alles Sinnen und Handeln des Fern¬
orientalen in der Religion, im Familienleben
und in der Kunst beherrscht, und wie dieser
Faktor stets lebenshemmend auf die Entwick¬
lung der Kultur gewirkt hat. Während bei
uns das "Ich" die Essenz der Seele zu sein
scheine, so könne man als die Seele des
gelben Mannes die UnPersönlichkeit bezeich¬
nen. Die Persönlichkeit erhält erst Bedeutung
nach dem Tode, denn der Verstorbene rückt
dann in den Rang der Ahnen auf und ge¬
nießt göttliche Verehrung. Seine Studien
und Betrachtungen führen Lowell schließlich
dazu, den Japanern wie den Ostasiaten über¬
haupt ein sehr schlechtes Prognostikon zu
stellen. "Die Japaner," sagt er, "sind von
jeher ein Volk von Importeuren, nicht von
Waren, sondern von Ideen. Sie haben es
stets vorgezogen, die fertigen Artikel anderer

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zu den Stuckreliefs. Nach dieser Zusammen¬
stellung kann man sich eine Ahnung von dem
retchen Skizzenmaterial der Raffaelschule
machen. Alle antiken Schätze, die damals in
Italien gehoben wurden, beraubte sie um
fruchtbare Motive, ohne sklavische Anlehnung
mit dem Vorbilde gleichsam spielend. Sarko¬
phage, Gemmen, Statuen, alles mußte sich
die Verwandlung gefallen lassen, und unter
der sachkundigen Führung Amelungs die
Wandlung der Motive zu verfolgen, bereitet
hohen Genuß.

Wenn mau eine kleine Ausstellung gegen¬
über so erfolgreicher Forschung machen darf,
so wäre nach meiner Einsicht ein noch tieferes
Eingehen auf die Renaissancevorbilder gleich¬
falls erwünscht. Manchen antiken Vorwurf
nahmen die Dekorationsmoister der Loggien
aus zweiter Hand eines Renaissancekünstlers,
so sind mir Umkehrungen an Andrea Pisanos
Kampcmilerelifs, an Leonardos Johannes im
Louvre und Entwurf zum Sforza-Denkmal,
all das sogenannte Michelangelo-Relief (zu¬
letzt bei E. v. Liphart, Ratshof in Livland),
an desselben Meisters Adams Erweckung, an
Donatellos Reliefs am Untersatz der Dom-
kantoria (antikes Vorbild bischöfl. Museum in
Ravenna) und an seine dekorativen Vasen auf¬
gestoßen. Auch ein Druckfehler auf S. 126
sei berücksichtigt, es muß dort zweimal
statt I.XVII stehen. Doch das sind Kleinig¬
keiten gegenüber dieser vorzüglichen Arbeit,
die mehr mein Interesse als einen EinWurf
bekunden sollen.

Im dritten Teil führt uns Dr. F. Weege
in das Badezimmer des Kardinals Bibbicma,
das bisher nur wenigen Sterblichen zugäng¬
lich gewesen war. Auch hier dankt die De¬
koration, die wie keine andere den Schönheits¬
sinn des Zeitalters Leos des Zehnten offenbart,
ihre Anregung der Antike. Die Titusthermen,
das goldene Haus, Pompejcmische Vorbilder
haben Pate gestanden. Ohne aufdringliche
Gelehrsamkeit, mit großer Sachkenntnis, mit
reichstem Bildermaterial wird alles vorgeführt
und bewiesen.

Dem ganzen vierten Band gegenüber hat
man, wie bei den vorhergehenden, neben dem
Gefühl der Dankbarkeit den Wunsch, das
vollendete Werk einst zu erblicken und besitzen
zu dürfen. Dr. Robert Lorwegh-Leipzig

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Länder- und Völkerkunde

Bei der allgemeinen Begeisterung für
alles Japanische, die das deutsche Publikum be¬
fiel, als nach dem russisch-japanischen Kriege
die Schriften Lafcadio Hearns mit eineni
Schlage so populär wurden, ist es zu be¬
grüßen, daß uns einmal von berufener Feder
auch die weniger anziehenden Seiten der
östlichen Kultur geschildert werden. Hearn
sah und schilderte bis kurz vor seinem Tode
fast nur die guten Seiten und übertrieb auch
diese oft noch ins Märchenhafte, so daß ein
einseitiges, daher falsches Bild entstand. Der
Amerikaner Percival Lowell, dessen bereits
189S erschienenes Buch „Onanie Japan" uns
jetzt in vortrefflicher deutscher Übersetzung von
Berta Franzos unter dem Titel „Die Seele
des fernen Ostens" (Jena, Eugen Diederichs.
Preis 3 M.) zugängig gemacht wird, gilt als
einer der besten Kenner Japans. Er weilte
lange Jahre als Universitätslehrer im Lande
und kam stets mit Leuten aller Stände
während der alten und auch noch der neuen
Ära in nächste Berührung.

Als hauptsächlichstes Merkmal der japa¬
nischen und überhaupt der o stasiatischeu Kultur
sieht Lowell das Prinzip der „UnPersönlich¬
keit" an. Dieser Gedanke zieht sich wie ein
roter Faden durch das ganze Buch, und an
vielen Beispielen versucht der Verfasser zu
zeigen, wie dieser Mangel an „Persönlichkeits¬
gefühl" alles Sinnen und Handeln des Fern¬
orientalen in der Religion, im Familienleben
und in der Kunst beherrscht, und wie dieser
Faktor stets lebenshemmend auf die Entwick¬
lung der Kultur gewirkt hat. Während bei
uns das „Ich" die Essenz der Seele zu sein
scheine, so könne man als die Seele des
gelben Mannes die UnPersönlichkeit bezeich¬
nen. Die Persönlichkeit erhält erst Bedeutung
nach dem Tode, denn der Verstorbene rückt
dann in den Rang der Ahnen auf und ge¬
nießt göttliche Verehrung. Seine Studien
und Betrachtungen führen Lowell schließlich
dazu, den Japanern wie den Ostasiaten über¬
haupt ein sehr schlechtes Prognostikon zu
stellen. „Die Japaner," sagt er, „sind von
jeher ein Volk von Importeuren, nicht von
Waren, sondern von Ideen. Sie haben es
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[0404] Maßgebliches und Unmaßgebliches zu den Stuckreliefs. Nach dieser Zusammen¬ stellung kann man sich eine Ahnung von dem retchen Skizzenmaterial der Raffaelschule machen. Alle antiken Schätze, die damals in Italien gehoben wurden, beraubte sie um fruchtbare Motive, ohne sklavische Anlehnung mit dem Vorbilde gleichsam spielend. Sarko¬ phage, Gemmen, Statuen, alles mußte sich die Verwandlung gefallen lassen, und unter der sachkundigen Führung Amelungs die Wandlung der Motive zu verfolgen, bereitet hohen Genuß. Wenn mau eine kleine Ausstellung gegen¬ über so erfolgreicher Forschung machen darf, so wäre nach meiner Einsicht ein noch tieferes Eingehen auf die Renaissancevorbilder gleich¬ falls erwünscht. Manchen antiken Vorwurf nahmen die Dekorationsmoister der Loggien aus zweiter Hand eines Renaissancekünstlers, so sind mir Umkehrungen an Andrea Pisanos Kampcmilerelifs, an Leonardos Johannes im Louvre und Entwurf zum Sforza-Denkmal, all das sogenannte Michelangelo-Relief (zu¬ letzt bei E. v. Liphart, Ratshof in Livland), an desselben Meisters Adams Erweckung, an Donatellos Reliefs am Untersatz der Dom- kantoria (antikes Vorbild bischöfl. Museum in Ravenna) und an seine dekorativen Vasen auf¬ gestoßen. Auch ein Druckfehler auf S. 126 sei berücksichtigt, es muß dort zweimal statt I.XVII stehen. Doch das sind Kleinig¬ keiten gegenüber dieser vorzüglichen Arbeit, die mehr mein Interesse als einen EinWurf bekunden sollen. Im dritten Teil führt uns Dr. F. Weege in das Badezimmer des Kardinals Bibbicma, das bisher nur wenigen Sterblichen zugäng¬ lich gewesen war. Auch hier dankt die De¬ koration, die wie keine andere den Schönheits¬ sinn des Zeitalters Leos des Zehnten offenbart, ihre Anregung der Antike. Die Titusthermen, das goldene Haus, Pompejcmische Vorbilder haben Pate gestanden. Ohne aufdringliche Gelehrsamkeit, mit großer Sachkenntnis, mit reichstem Bildermaterial wird alles vorgeführt und bewiesen. Dem ganzen vierten Band gegenüber hat man, wie bei den vorhergehenden, neben dem Gefühl der Dankbarkeit den Wunsch, das vollendete Werk einst zu erblicken und besitzen zu dürfen. Dr. Robert Lorwegh-Leipzig Länder- und Völkerkunde Bei der allgemeinen Begeisterung für alles Japanische, die das deutsche Publikum be¬ fiel, als nach dem russisch-japanischen Kriege die Schriften Lafcadio Hearns mit eineni Schlage so populär wurden, ist es zu be¬ grüßen, daß uns einmal von berufener Feder auch die weniger anziehenden Seiten der östlichen Kultur geschildert werden. Hearn sah und schilderte bis kurz vor seinem Tode fast nur die guten Seiten und übertrieb auch diese oft noch ins Märchenhafte, so daß ein einseitiges, daher falsches Bild entstand. Der Amerikaner Percival Lowell, dessen bereits 189S erschienenes Buch „Onanie Japan" uns jetzt in vortrefflicher deutscher Übersetzung von Berta Franzos unter dem Titel „Die Seele des fernen Ostens" (Jena, Eugen Diederichs. Preis 3 M.) zugängig gemacht wird, gilt als einer der besten Kenner Japans. Er weilte lange Jahre als Universitätslehrer im Lande und kam stets mit Leuten aller Stände während der alten und auch noch der neuen Ära in nächste Berührung. Als hauptsächlichstes Merkmal der japa¬ nischen und überhaupt der o stasiatischeu Kultur sieht Lowell das Prinzip der „UnPersönlich¬ keit" an. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch, und an vielen Beispielen versucht der Verfasser zu zeigen, wie dieser Mangel an „Persönlichkeits¬ gefühl" alles Sinnen und Handeln des Fern¬ orientalen in der Religion, im Familienleben und in der Kunst beherrscht, und wie dieser Faktor stets lebenshemmend auf die Entwick¬ lung der Kultur gewirkt hat. Während bei uns das „Ich" die Essenz der Seele zu sein scheine, so könne man als die Seele des gelben Mannes die UnPersönlichkeit bezeich¬ nen. Die Persönlichkeit erhält erst Bedeutung nach dem Tode, denn der Verstorbene rückt dann in den Rang der Ahnen auf und ge¬ nießt göttliche Verehrung. Seine Studien und Betrachtungen führen Lowell schließlich dazu, den Japanern wie den Ostasiaten über¬ haupt ein sehr schlechtes Prognostikon zu stellen. „Die Japaner," sagt er, „sind von jeher ein Volk von Importeuren, nicht von Waren, sondern von Ideen. Sie haben es stets vorgezogen, die fertigen Artikel anderer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/404>, abgerufen am 29.04.2024.