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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬
reich das Herz bricht. So rücken auch diese
Leute einen: in fast geisterhafter Berührung
so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬
nahme begreift und nachempfindet.

Daß die modernistischeBewegung in Frank¬
reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl
derer, die an solchen Büchern Freude haben,
zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch'
edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir
danken dem Verfasser, daß er uns durch diese
deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich
machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker
Deutschlands und Frankreichs im Glauben
einig geworden sind, dann ist vielleicht der
Zeitpunkt gekommen, wo der Titel "et ex-
speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬
warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬
erstehung aus demi Grabe des Irrtums und
der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens
und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus"
seine schönste Verwirklichung darin finden wird,
daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬
seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen
zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬
bild steht nichts so entgegen als der uralte
tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge
seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt.

Heinrich Reuß

Reben Hauffs "Lichtenstein" ist der vater¬
ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des
Großen "Calmnis" von Willibald Sllexis eine
der -- der Zeit und dein Werte nach -- ersten
Blüten des deutschen historischen Romans. Er
gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend
bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung
durch die schlesischen Kriege begründet wurde.
Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts-
schildernngen im Einklang zu bringen mit der
Zeichnung der Personen und der Handlung!
Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden
konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen
und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich
abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins
Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat
indes gute Gründe: die allzu weitschweifend
ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die
den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬
brechen und durch den Gebrauch der indirekten
Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun,

[Spaltenumbruch]

erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat
Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen,
durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen
die Handlung des Romans straffer zu gestalten;
gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine
Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In
dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend
neu und modern. Mögen an ihr recht viele
Leser ihre Freude savent Das sehr billige
Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet
und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS
erscheint als erster Band der Blauen Eckardt-
Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig.

Schulfragen

ZnmReligiol>sunt"richtnufhöhcrcn Lehr¬
anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬
unterrichts auf höheren Schulen würde ich
geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit
der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen
erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden
erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬
morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine
Besserung eingetreten ist, aber noch immer
werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬
ments Einzelheiten von jüdischen Festen und
Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für
einen deutsche:: Knabe" so gar kein Interesse
haben und zu seiner ethischen und sittlichen
Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche
Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬
geschichte in den oberen Klassen verlangtI
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬
menischen Konzilien denke, an den Semipela-
gianismus, in: den molto- und dyotheletischen
Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬
essant sind, könnte man viel genauer durch-
nehmen. Man könnte, gerade auf einem
humanistischen Gymnasium, die Frage er¬
örtern: "Welche:: Einfluß hatte das Christen¬
tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?"
Ein deutscher evangelischer Schüler müßte
unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von
Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt
nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬
scheint mir zu dem Zweck "An den christ¬
lichen Adel deutscher Nation".

Natürlich genügt es, daß die wichtigsten
Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es
völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬
reich das Herz bricht. So rücken auch diese
Leute einen: in fast geisterhafter Berührung
so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬
nahme begreift und nachempfindet.

Daß die modernistischeBewegung in Frank¬
reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl
derer, die an solchen Büchern Freude haben,
zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch'
edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir
danken dem Verfasser, daß er uns durch diese
deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich
machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker
Deutschlands und Frankreichs im Glauben
einig geworden sind, dann ist vielleicht der
Zeitpunkt gekommen, wo der Titel „et ex-
speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬
warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬
erstehung aus demi Grabe des Irrtums und
der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens
und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus"
seine schönste Verwirklichung darin finden wird,
daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬
seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen
zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬
bild steht nichts so entgegen als der uralte
tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge
seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt.

Heinrich Reuß

Reben Hauffs „Lichtenstein" ist der vater¬
ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des
Großen „Calmnis" von Willibald Sllexis eine
der — der Zeit und dein Werte nach — ersten
Blüten des deutschen historischen Romans. Er
gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend
bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung
durch die schlesischen Kriege begründet wurde.
Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts-
schildernngen im Einklang zu bringen mit der
Zeichnung der Personen und der Handlung!
Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden
konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen
und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich
abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins
Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat
indes gute Gründe: die allzu weitschweifend
ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die
den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬
brechen und durch den Gebrauch der indirekten
Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun,

[Spaltenumbruch]

erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat
Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen,
durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen
die Handlung des Romans straffer zu gestalten;
gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine
Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In
dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend
neu und modern. Mögen an ihr recht viele
Leser ihre Freude savent Das sehr billige
Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet
und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS
erscheint als erster Band der Blauen Eckardt-
Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig.

Schulfragen

ZnmReligiol>sunt«richtnufhöhcrcn Lehr¬
anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬
unterrichts auf höheren Schulen würde ich
geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit
der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen
erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden
erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬
morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine
Besserung eingetreten ist, aber noch immer
werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬
ments Einzelheiten von jüdischen Festen und
Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für
einen deutsche:: Knabe» so gar kein Interesse
haben und zu seiner ethischen und sittlichen
Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche
Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬
geschichte in den oberen Klassen verlangtI
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬
menischen Konzilien denke, an den Semipela-
gianismus, in: den molto- und dyotheletischen
Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬
essant sind, könnte man viel genauer durch-
nehmen. Man könnte, gerade auf einem
humanistischen Gymnasium, die Frage er¬
örtern: „Welche:: Einfluß hatte das Christen¬
tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?"
Ein deutscher evangelischer Schüler müßte
unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von
Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt
nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬
scheint mir zu dem Zweck „An den christ¬
lichen Adel deutscher Nation".

Natürlich genügt es, daß die wichtigsten
Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es
völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/51>, abgerufen am 29.04.2024.