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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Die Jugend und die Sozmldeinokratic

Wien wurde aus der Kaulbachschen Art die sinnlichere und ganz in Farben
schwelgende Kulissenmalerei Makarts. Nun bedeutet es freilich, äußerlich betrachtet,
einen recht weiten Sprung von ihm bis zu den Wiener Modernen, deren
begabtester Klient, deren technisch Geschicktester Orlik ist (dieser in Berlin). Aber
obwohl Kunth Farben ganz hell und seine Technik sehr originell und ornamental
sind, im Grunde ist es doch nur wieder die alte Wiener Dekorationslust Makarts,
die aus seinen Frauenbildnissen ebensowohl wie aus seinen allegorischen Wand¬
bildern leuchtet, technisch aufgefrischt, aber dem Sinne nach keineswegs Ausdruck
unserer vorwärts drängenden Zeit, sondern ein kunstgewerblich geschmackvolles
Symbol müder Dekadenz.

Der einzige echte Historienmaler im alten Corneliusstil, der heute noch lebt
und viel bewundert wird, ist Eduard von Gebhardt; denn Arthur Kampf und
seine Genossen kommen von Menzel und nicht von den Nazarenern her. Das
nazarenische in Gebhardts Christusbildern ist einmal natürlich die religiöse
(etwas ins heldenhafte gezogene) Grundstimmung, vor allem dann aber die rein
zeichnerische Form seiner Gemälde, die meist aus einer bloßen Aneinanderreihung
zahlreicher sehr geschickter Einzelstudien bestehen. Freilich lebt auch in Sohn-
Rethel, Schmurr und anderen Düsseldorfern das Zeichnerische seiner Art weiter,
aber nicht auf das Historienbild angewendet und in einer liebenswürdigen Be¬
scheidenheit. (Schluß folgt)




Die Jugend und die Sozialdemokratie
von Veneder F, Llaß eil

in die Wende des Jahrhunderts hat sich in der deutscheu Sozial¬
demokratie eine große Wandlung vollzogen. Die Hoffnung auf
die große, revolutionäre Umwandlung wurde aufgegeben. Überall
begann eifrige Mitarbeit in den Parlamenten. Die Sozialdemo¬
kratie war auf dem Wege, praktische Reformpartei zu werden.
Sprach man damals zu einem älteren, verständigen Arbeiter von der erwarteten
Revolution oder dem Zukunftsstaate, so konnte er sehr wild werden. Denn er
war beleidigt, weil man ihm den Glauben an solchen Unsinn zumutete. Ja,
ich habe mehrfach in großen Versammlungen gehört, wie Männer aufstanden
und erklärten, daß sie Sozialdemokraten seien, aber sie hielten Kolonialpolitik
und eine starke Flotte für durchaus nötig.

Damals lebte in unserer Sozialdemokratie viel großer Idealismus, und
gerade in den Zeiten schwerster Verfolgungen ist dieser Idealismus am größten
gewesen.


Die Jugend und die Sozmldeinokratic

Wien wurde aus der Kaulbachschen Art die sinnlichere und ganz in Farben
schwelgende Kulissenmalerei Makarts. Nun bedeutet es freilich, äußerlich betrachtet,
einen recht weiten Sprung von ihm bis zu den Wiener Modernen, deren
begabtester Klient, deren technisch Geschicktester Orlik ist (dieser in Berlin). Aber
obwohl Kunth Farben ganz hell und seine Technik sehr originell und ornamental
sind, im Grunde ist es doch nur wieder die alte Wiener Dekorationslust Makarts,
die aus seinen Frauenbildnissen ebensowohl wie aus seinen allegorischen Wand¬
bildern leuchtet, technisch aufgefrischt, aber dem Sinne nach keineswegs Ausdruck
unserer vorwärts drängenden Zeit, sondern ein kunstgewerblich geschmackvolles
Symbol müder Dekadenz.

Der einzige echte Historienmaler im alten Corneliusstil, der heute noch lebt
und viel bewundert wird, ist Eduard von Gebhardt; denn Arthur Kampf und
seine Genossen kommen von Menzel und nicht von den Nazarenern her. Das
nazarenische in Gebhardts Christusbildern ist einmal natürlich die religiöse
(etwas ins heldenhafte gezogene) Grundstimmung, vor allem dann aber die rein
zeichnerische Form seiner Gemälde, die meist aus einer bloßen Aneinanderreihung
zahlreicher sehr geschickter Einzelstudien bestehen. Freilich lebt auch in Sohn-
Rethel, Schmurr und anderen Düsseldorfern das Zeichnerische seiner Art weiter,
aber nicht auf das Historienbild angewendet und in einer liebenswürdigen Be¬
scheidenheit. (Schluß folgt)




Die Jugend und die Sozialdemokratie
von Veneder F, Llaß eil

in die Wende des Jahrhunderts hat sich in der deutscheu Sozial¬
demokratie eine große Wandlung vollzogen. Die Hoffnung auf
die große, revolutionäre Umwandlung wurde aufgegeben. Überall
begann eifrige Mitarbeit in den Parlamenten. Die Sozialdemo¬
kratie war auf dem Wege, praktische Reformpartei zu werden.
Sprach man damals zu einem älteren, verständigen Arbeiter von der erwarteten
Revolution oder dem Zukunftsstaate, so konnte er sehr wild werden. Denn er
war beleidigt, weil man ihm den Glauben an solchen Unsinn zumutete. Ja,
ich habe mehrfach in großen Versammlungen gehört, wie Männer aufstanden
und erklärten, daß sie Sozialdemokraten seien, aber sie hielten Kolonialpolitik
und eine starke Flotte für durchaus nötig.

Damals lebte in unserer Sozialdemokratie viel großer Idealismus, und
gerade in den Zeiten schwerster Verfolgungen ist dieser Idealismus am größten
gewesen.


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[0527] Die Jugend und die Sozmldeinokratic Wien wurde aus der Kaulbachschen Art die sinnlichere und ganz in Farben schwelgende Kulissenmalerei Makarts. Nun bedeutet es freilich, äußerlich betrachtet, einen recht weiten Sprung von ihm bis zu den Wiener Modernen, deren begabtester Klient, deren technisch Geschicktester Orlik ist (dieser in Berlin). Aber obwohl Kunth Farben ganz hell und seine Technik sehr originell und ornamental sind, im Grunde ist es doch nur wieder die alte Wiener Dekorationslust Makarts, die aus seinen Frauenbildnissen ebensowohl wie aus seinen allegorischen Wand¬ bildern leuchtet, technisch aufgefrischt, aber dem Sinne nach keineswegs Ausdruck unserer vorwärts drängenden Zeit, sondern ein kunstgewerblich geschmackvolles Symbol müder Dekadenz. Der einzige echte Historienmaler im alten Corneliusstil, der heute noch lebt und viel bewundert wird, ist Eduard von Gebhardt; denn Arthur Kampf und seine Genossen kommen von Menzel und nicht von den Nazarenern her. Das nazarenische in Gebhardts Christusbildern ist einmal natürlich die religiöse (etwas ins heldenhafte gezogene) Grundstimmung, vor allem dann aber die rein zeichnerische Form seiner Gemälde, die meist aus einer bloßen Aneinanderreihung zahlreicher sehr geschickter Einzelstudien bestehen. Freilich lebt auch in Sohn- Rethel, Schmurr und anderen Düsseldorfern das Zeichnerische seiner Art weiter, aber nicht auf das Historienbild angewendet und in einer liebenswürdigen Be¬ scheidenheit. (Schluß folgt) Die Jugend und die Sozialdemokratie von Veneder F, Llaß eil in die Wende des Jahrhunderts hat sich in der deutscheu Sozial¬ demokratie eine große Wandlung vollzogen. Die Hoffnung auf die große, revolutionäre Umwandlung wurde aufgegeben. Überall begann eifrige Mitarbeit in den Parlamenten. Die Sozialdemo¬ kratie war auf dem Wege, praktische Reformpartei zu werden. Sprach man damals zu einem älteren, verständigen Arbeiter von der erwarteten Revolution oder dem Zukunftsstaate, so konnte er sehr wild werden. Denn er war beleidigt, weil man ihm den Glauben an solchen Unsinn zumutete. Ja, ich habe mehrfach in großen Versammlungen gehört, wie Männer aufstanden und erklärten, daß sie Sozialdemokraten seien, aber sie hielten Kolonialpolitik und eine starke Flotte für durchaus nötig. Damals lebte in unserer Sozialdemokratie viel großer Idealismus, und gerade in den Zeiten schwerster Verfolgungen ist dieser Idealismus am größten gewesen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/527>, abgerufen am 29.04.2024.