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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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analyse und der Hinlenkung der Aufmerksam¬
keit von der Außenseite des Lebens auf sein
Inneres, wie sie seit einigen Jahrhunderten
in der europäischen Kultur zutage treten, ist
auch die Fülle der Dokumente, die uns über
die Persönlichkeit großer Denker orientieren,
in dauerndem Wachstum begriffen. Das Per¬
sönliche Sein der Denker des Altertums müssen
wir ini wesentlichen aus ihren Werken rekon¬
struieren, von den Geistern der letzten Jahr¬
hunderte besitzen wir, je naher sie der Gegen¬
wart stehen, um so mehr noch viel anderes
authentisches Material, insbesondere ihre Brief¬
wechsel.

Es ist ein Verdienst einer Anzahl führender
Verleger, diese Dokumente jetzt in ausgewählten
Stücken in größeren? Umfange einem weiteren
Publikum vorzulegen. So erst, in solcher Aus¬
wahl, können sie sich ihr Recht auf wirksames
echtes Leben erkämpfen.

Zu denen, über deren Wesen ihre Briefe
fast allein schon vollständiges Zeugnis geben,
gehört der Philosoph des Pessimismus, Arthur
Schopenhauer. JuReclnms Universalbibliothek
lag seit geraumer Zeit s.eine Sammlung
von ihnen vor. Seitdem sind neue Doku¬
mente um den Tag gekommen, so vor allem
die Tagebücher der Schwester des Philosophen,
Adele Schopenhauer (erschienen im Inselverlag
1909). In der Geschichte seiner Wirkung als
Philosoph legt der Herausgeber der obigen
Briefsammlung jetzt selbst neue Stücke vor aus
Akten der Leipziger Philosophischen Fakultät
über eine akademische Preisaufgabe.

In der Benutzung des neuen Materials
liegt ein besonderer Vorzug der vorstehend
angezeigten Briefauswahl des Philosophen.
Mit Geschick sind mannigfache Dokumente
anderer Art zwischen die Briefe eingeordnet.
So gibt das Ganze, eingeleitet von einer
dem Philosophen sehr günstigen Einführung
des Herausgebers, ein deutliches Bild von
dem Charakter und der Lebensart des Denkers.
Der Grundzug seiner Natur ist derselbe wie
der eines jeden anderen Philosophen, dessen
Name historischer Bestand geworden ist: eine alle
anderen Charaktermomente hinter sich lassende
Tendenz zur Wahrheit und der, Wille ihr
jedes Opfer zu bringen. Daneben stehen,
in einer vom Vater ererbten ursprünglichen
Naturanlage begründet, zur Weltverurteilung

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drängende tiefe grundsätzliche Verstimmungen
des Gemüts, die durch den Schicksalsweg des
Lebens gefördert worden sind: in der Jugend
ein qualvolles Mitleiden mit allen Geschöpfen,
in höheren Jahren eine mit egoistischer rück¬
sichtsloser Kälte verbundene mißtrauische ge¬
reizte Ablehnung des Weltlaufs und der
Menschen.

Privatdozent Dr. Oesterreich
Vom Aufgang neuer Zeit (

Erlebnis und
Bekenntnis Band I). Drei Selbstbiographien
aus dem Jahrhundert der Glnubenskämpfe.
München, Martin Mörikes Verlag 1911. In
Pappband 2 M., geb. 3 M.

Die heutigen Verleger Pflegen gute Spür¬
nasen zu haben für Lesebedürfnisse, die noch
unausgesprochen in der Luft liege". Von
den Verstiegenheiten und tendenziösen Konstruk¬
tionen vieler modernen Romane wendet sich
ein immer größerer Kreis ernster Leser ab;
da kommt ihnen die gesunde Lesennhrung
alter Selbstbiographien mit ihrer subjektiv-
realistischen Darstellung gerade recht. Neu-
ausgabcn solcher alten "Romane ohne Pointe"
sind daher zeitgemäß. Man kann diese Er¬
scheinung für eine Mode halten und sie des¬
halb doch erfreulich finden. Wir haben hinter
demi etwas gesuchten Titel eine billige, ein¬
fach, aber geschmackvoll ausgestattete Moderni¬
sierung der bekannten Selbstbiographien von
Thomas und Felix Platter, letztere zum Teil
nach dein Manuskript ergänzt, und eine Über¬
setzung der Lebensbeschreibung des Theodor
Agrippa dÄubigns. Während die Platter-
schen Erzählungen unmittelbar ansprechen,
eignen sich die Gascunnaden des bissigen
Humanisten und Condvttiere aus Südfrank¬
reich viel weniger für eine Volksausgabe, zu¬
mal ihr Zusamlnenhang nur durch die Ein¬
schaltung von Abschnitten aus des Verfassers
"ttistoire universelle" ganz verständlich
B. werden könnte.

Justiz und Verwaltung

Der im Verlag der Kaiserlich-Königlichen
Hof- und Staatsdruckerei zu Wien erschienenen
Österreichischen Statistik über die Verhältnisse
der Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse
im Jahre 19V9 entnehmen wir folgende An¬
gaben:!,, ki>!> ,,^>" vo/'i"'.,'

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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analyse und der Hinlenkung der Aufmerksam¬
keit von der Außenseite des Lebens auf sein
Inneres, wie sie seit einigen Jahrhunderten
in der europäischen Kultur zutage treten, ist
auch die Fülle der Dokumente, die uns über
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in dauerndem Wachstum begriffen. Das Per¬
sönliche Sein der Denker des Altertums müssen
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struieren, von den Geistern der letzten Jahr¬
hunderte besitzen wir, je naher sie der Gegen¬
wart stehen, um so mehr noch viel anderes
authentisches Material, insbesondere ihre Brief¬
wechsel.

Es ist ein Verdienst einer Anzahl führender
Verleger, diese Dokumente jetzt in ausgewählten
Stücken in größeren? Umfange einem weiteren
Publikum vorzulegen. So erst, in solcher Aus¬
wahl, können sie sich ihr Recht auf wirksames
echtes Leben erkämpfen.

Zu denen, über deren Wesen ihre Briefe
fast allein schon vollständiges Zeugnis geben,
gehört der Philosoph des Pessimismus, Arthur
Schopenhauer. JuReclnms Universalbibliothek
lag seit geraumer Zeit s.eine Sammlung
von ihnen vor. Seitdem sind neue Doku¬
mente um den Tag gekommen, so vor allem
die Tagebücher der Schwester des Philosophen,
Adele Schopenhauer (erschienen im Inselverlag
1909). In der Geschichte seiner Wirkung als
Philosoph legt der Herausgeber der obigen
Briefsammlung jetzt selbst neue Stücke vor aus
Akten der Leipziger Philosophischen Fakultät
über eine akademische Preisaufgabe.

In der Benutzung des neuen Materials
liegt ein besonderer Vorzug der vorstehend
angezeigten Briefauswahl des Philosophen.
Mit Geschick sind mannigfache Dokumente
anderer Art zwischen die Briefe eingeordnet.
So gibt das Ganze, eingeleitet von einer
dem Philosophen sehr günstigen Einführung
des Herausgebers, ein deutliches Bild von
dem Charakter und der Lebensart des Denkers.
Der Grundzug seiner Natur ist derselbe wie
der eines jeden anderen Philosophen, dessen
Name historischer Bestand geworden ist: eine alle
anderen Charaktermomente hinter sich lassende
Tendenz zur Wahrheit und der, Wille ihr
jedes Opfer zu bringen. Daneben stehen,
in einer vom Vater ererbten ursprünglichen
Naturanlage begründet, zur Weltverurteilung

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drängende tiefe grundsätzliche Verstimmungen
des Gemüts, die durch den Schicksalsweg des
Lebens gefördert worden sind: in der Jugend
ein qualvolles Mitleiden mit allen Geschöpfen,
in höheren Jahren eine mit egoistischer rück¬
sichtsloser Kälte verbundene mißtrauische ge¬
reizte Ablehnung des Weltlaufs und der
Menschen.

Privatdozent Dr. Oesterreich
Vom Aufgang neuer Zeit (

Erlebnis und
Bekenntnis Band I). Drei Selbstbiographien
aus dem Jahrhundert der Glnubenskämpfe.
München, Martin Mörikes Verlag 1911. In
Pappband 2 M., geb. 3 M.

Die heutigen Verleger Pflegen gute Spür¬
nasen zu haben für Lesebedürfnisse, die noch
unausgesprochen in der Luft liege». Von
den Verstiegenheiten und tendenziösen Konstruk¬
tionen vieler modernen Romane wendet sich
ein immer größerer Kreis ernster Leser ab;
da kommt ihnen die gesunde Lesennhrung
alter Selbstbiographien mit ihrer subjektiv-
realistischen Darstellung gerade recht. Neu-
ausgabcn solcher alten „Romane ohne Pointe"
sind daher zeitgemäß. Man kann diese Er¬
scheinung für eine Mode halten und sie des¬
halb doch erfreulich finden. Wir haben hinter
demi etwas gesuchten Titel eine billige, ein¬
fach, aber geschmackvoll ausgestattete Moderni¬
sierung der bekannten Selbstbiographien von
Thomas und Felix Platter, letztere zum Teil
nach dein Manuskript ergänzt, und eine Über¬
setzung der Lebensbeschreibung des Theodor
Agrippa dÄubigns. Während die Platter-
schen Erzählungen unmittelbar ansprechen,
eignen sich die Gascunnaden des bissigen
Humanisten und Condvttiere aus Südfrank¬
reich viel weniger für eine Volksausgabe, zu¬
mal ihr Zusamlnenhang nur durch die Ein¬
schaltung von Abschnitten aus des Verfassers
„ttistoire universelle" ganz verständlich
B. werden könnte.

Justiz und Verwaltung

Der im Verlag der Kaiserlich-Königlichen
Hof- und Staatsdruckerei zu Wien erschienenen
Österreichischen Statistik über die Verhältnisse
der Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse
im Jahre 19V9 entnehmen wir folgende An¬
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[0548] Maßgebliches und Unmaßgebliches analyse und der Hinlenkung der Aufmerksam¬ keit von der Außenseite des Lebens auf sein Inneres, wie sie seit einigen Jahrhunderten in der europäischen Kultur zutage treten, ist auch die Fülle der Dokumente, die uns über die Persönlichkeit großer Denker orientieren, in dauerndem Wachstum begriffen. Das Per¬ sönliche Sein der Denker des Altertums müssen wir ini wesentlichen aus ihren Werken rekon¬ struieren, von den Geistern der letzten Jahr¬ hunderte besitzen wir, je naher sie der Gegen¬ wart stehen, um so mehr noch viel anderes authentisches Material, insbesondere ihre Brief¬ wechsel. Es ist ein Verdienst einer Anzahl führender Verleger, diese Dokumente jetzt in ausgewählten Stücken in größeren? Umfange einem weiteren Publikum vorzulegen. So erst, in solcher Aus¬ wahl, können sie sich ihr Recht auf wirksames echtes Leben erkämpfen. Zu denen, über deren Wesen ihre Briefe fast allein schon vollständiges Zeugnis geben, gehört der Philosoph des Pessimismus, Arthur Schopenhauer. JuReclnms Universalbibliothek lag seit geraumer Zeit s.eine Sammlung von ihnen vor. Seitdem sind neue Doku¬ mente um den Tag gekommen, so vor allem die Tagebücher der Schwester des Philosophen, Adele Schopenhauer (erschienen im Inselverlag 1909). In der Geschichte seiner Wirkung als Philosoph legt der Herausgeber der obigen Briefsammlung jetzt selbst neue Stücke vor aus Akten der Leipziger Philosophischen Fakultät über eine akademische Preisaufgabe. In der Benutzung des neuen Materials liegt ein besonderer Vorzug der vorstehend angezeigten Briefauswahl des Philosophen. Mit Geschick sind mannigfache Dokumente anderer Art zwischen die Briefe eingeordnet. So gibt das Ganze, eingeleitet von einer dem Philosophen sehr günstigen Einführung des Herausgebers, ein deutliches Bild von dem Charakter und der Lebensart des Denkers. Der Grundzug seiner Natur ist derselbe wie der eines jeden anderen Philosophen, dessen Name historischer Bestand geworden ist: eine alle anderen Charaktermomente hinter sich lassende Tendenz zur Wahrheit und der, Wille ihr jedes Opfer zu bringen. Daneben stehen, in einer vom Vater ererbten ursprünglichen Naturanlage begründet, zur Weltverurteilung drängende tiefe grundsätzliche Verstimmungen des Gemüts, die durch den Schicksalsweg des Lebens gefördert worden sind: in der Jugend ein qualvolles Mitleiden mit allen Geschöpfen, in höheren Jahren eine mit egoistischer rück¬ sichtsloser Kälte verbundene mißtrauische ge¬ reizte Ablehnung des Weltlaufs und der Menschen. Privatdozent Dr. Oesterreich Vom Aufgang neuer Zeit ( Erlebnis und Bekenntnis Band I). Drei Selbstbiographien aus dem Jahrhundert der Glnubenskämpfe. München, Martin Mörikes Verlag 1911. In Pappband 2 M., geb. 3 M. Die heutigen Verleger Pflegen gute Spür¬ nasen zu haben für Lesebedürfnisse, die noch unausgesprochen in der Luft liege». Von den Verstiegenheiten und tendenziösen Konstruk¬ tionen vieler modernen Romane wendet sich ein immer größerer Kreis ernster Leser ab; da kommt ihnen die gesunde Lesennhrung alter Selbstbiographien mit ihrer subjektiv- realistischen Darstellung gerade recht. Neu- ausgabcn solcher alten „Romane ohne Pointe" sind daher zeitgemäß. Man kann diese Er¬ scheinung für eine Mode halten und sie des¬ halb doch erfreulich finden. Wir haben hinter demi etwas gesuchten Titel eine billige, ein¬ fach, aber geschmackvoll ausgestattete Moderni¬ sierung der bekannten Selbstbiographien von Thomas und Felix Platter, letztere zum Teil nach dein Manuskript ergänzt, und eine Über¬ setzung der Lebensbeschreibung des Theodor Agrippa dÄubigns. Während die Platter- schen Erzählungen unmittelbar ansprechen, eignen sich die Gascunnaden des bissigen Humanisten und Condvttiere aus Südfrank¬ reich viel weniger für eine Volksausgabe, zu¬ mal ihr Zusamlnenhang nur durch die Ein¬ schaltung von Abschnitten aus des Verfassers „ttistoire universelle" ganz verständlich B. werden könnte. Justiz und Verwaltung Der im Verlag der Kaiserlich-Königlichen Hof- und Staatsdruckerei zu Wien erschienenen Österreichischen Statistik über die Verhältnisse der Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse im Jahre 19V9 entnehmen wir folgende An¬ gaben:!,, ki>!> ,,^>" vo/'i„'.,'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/548>, abgerufen am 29.04.2024.