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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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die ihm folgen wollen, zu einer Brüderschaft
vereinigt. Das ist alles, und das ist, was
ihn interessiert. . . Dabei verachtet er die
Philosophie, nicht weil er sie nicht versteht,
sondern weil er sie allzuwohl versteht, weil
er sie durchschaut hat und gesehen, daß sie zu
nichts führt. Darum heißt eS im Luttsnipätn
recht geistreich, daß, so wenig es nützt, eine
Philosophie zu haben, es ebenso wenig nützen
kann, gar keine Philosophie zu haben; nein,
was es gilt, ist: die Philosophie zu über¬
winden." -- "Sö moquer as MlosoMe,
e'sse vrsiment pnilosopliei", sagt Pascal,
und mit ihm und anderen, die wissen, daß
die Religion nach dem Menschen und nicht
nach dein Vielerlei der Außenwelt fragt, be¬
gegnet sich Buddha gerade in diesem wesent¬
lichsten Punkt.

Die Frage nach der Form, in der die
Philosophie den Buddhismus, vielleicht schon
Buddha selber erreichte, ist durch neuere Unter¬
suchungen nicht unwesentlich gefördert worden,
und Lehmann wendet ihr ein besonderes
Augenmerk zu. Es handelt sich um den so¬
genannten Smnkhya-Uoga, eine Kombination
der Metaphysik der atheistischen und realistischen
Sämkhyalehre mit der Denkweise, die sich aus
der Bußpraxis, Uoga, entwickelte, und dabei
fällt das größere Gewicht auf den zweite"
dieser beiden Faktoren. Aus dem Uogasystem
ist z. B. das Schema entlehnt, auf dem sich
die bekannten vier buddhistischen Grundwahr¬
heiten aufbauen, und es ist interessant genug,
daß der Uoga seinerseits es der Heilkunde
entnommen zu haben scheint. "Der Buddhismus
hat unwillkürlich gefühlt, daß, wer Menschen-
seelen erlösen will, wie ein Arzt zu Werke
gehen muß; er stellt die Fragen des Arztes
an das menschliche Leben und sucht es zu
heilen, gleichwie ein Arzt einen Kranken."
Also auch hier verschwindet der Philosoph,
und es bleibt der Mensch, der über mensch¬
liche Dinge menschlich redet. Und diese mensch¬
liche, persönliche Note ist es, die wieder den
vollen Unterschied von Doga und Buddhismus
begründet; dort nnr eine Methode, hier eine
Religion. Gerade diesen religiösen Werten
des Buddhismus spürt Lehmann in seinem
ganzen Buche mit besonderem Verständnis
nach. Immer wieder sind sie persönlicher
Art: so weist er z. B. mit Recht ans die

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Bedeutung der buddhistischen Legende, durch
die viele für den Buddhismus gewonnen
wurden, "Leute, die von seinem Lehrinhalt
nichts verstanden haben, aber doch durch das,
was sie über Buddha hörten, ein persönliches
Ideal erhielten."

Und doch -- am Begriff der Persönlichkeit
offenbart sich der ganze Gegensatz zwischen
Buddhismus und Christentum, der Religion
der Persönlichkeit, ist doch dem Buddhisten
stwvscw ----- "sich als ein Selbst rechnen" die
schlimmste der Irrlehren, weshalb er die beiden
Partner, Gott und Menschenseele, in deren
Persönlichen Verkehr sich für den Christen die
Religion abspielt, leugnet. Wer aber von
der Modesucht, Buddhismus und Christentum
mit einander verquicken zu wollen, berührt
sein sollte, der lasse noch besonders die letzten
Seiten von Lehmanns Buch auf sich wirken,
wo vom Buddhismus in Europa die Rede
ist. Es ist ein treffliches Wort, daß die Ab¬
rechnung zwischen Buddhismus und Christen¬
tum niemals ein Ndditionsstück wird. Über¬
haupt steht diese Abrechnung nicht nur zwischen
Buddhismus und Christentum, sondern zwischen
Buddhismus und unserer ganzen Kultur. Denn
diese ruht gerade auf den beiden Dingen, die
der Buddhismus verwirft, auf Natur und
Persönlichkeit.

Prof. v. Alfred Bertholct-
-Nachschlagewerke

Meyers Großes Konvcrsations-Lexikon.
6. Aufl. 23. Band. Jahres - Supplement
1910 und 1911. Leipzig und Wien, Biblio¬
graphisches Institut, 1912.

Der soeben erschienene Ergänzungsbnnd
bietet wie sein Ende 1910 erschienener Vor¬
gänger eine erschöpfende Übersicht über die
letztjährigen Arbeiten und Errungenschaften auf
allen Gebieten des Wissens und der Technik.
Geographie, Ethnographie, Volkswirtschaft,
Naturwissenschaften, Technologie, Bau- und
Jngenienrwesen sind, wie es sich bei diesen
dem Wandel der Anschauungen am meisten
unterworfenen Disziplinen ja von selbst ver¬
steht, um eingehendsten berücksichtigt. So
finden wir bei den Nachträgen zu den
geographisch-statistischen Artikeln über die
einzelnen Erdteile die Ergebnisse der neuesten
Forschungsreisen, ferner bei den Ergänzungen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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die ihm folgen wollen, zu einer Brüderschaft
vereinigt. Das ist alles, und das ist, was
ihn interessiert. . . Dabei verachtet er die
Philosophie, nicht weil er sie nicht versteht,
sondern weil er sie allzuwohl versteht, weil
er sie durchschaut hat und gesehen, daß sie zu
nichts führt. Darum heißt eS im Luttsnipätn
recht geistreich, daß, so wenig es nützt, eine
Philosophie zu haben, es ebenso wenig nützen
kann, gar keine Philosophie zu haben; nein,
was es gilt, ist: die Philosophie zu über¬
winden." — „Sö moquer as MlosoMe,
e'sse vrsiment pnilosopliei", sagt Pascal,
und mit ihm und anderen, die wissen, daß
die Religion nach dem Menschen und nicht
nach dein Vielerlei der Außenwelt fragt, be¬
gegnet sich Buddha gerade in diesem wesent¬
lichsten Punkt.

Die Frage nach der Form, in der die
Philosophie den Buddhismus, vielleicht schon
Buddha selber erreichte, ist durch neuere Unter¬
suchungen nicht unwesentlich gefördert worden,
und Lehmann wendet ihr ein besonderes
Augenmerk zu. Es handelt sich um den so¬
genannten Smnkhya-Uoga, eine Kombination
der Metaphysik der atheistischen und realistischen
Sämkhyalehre mit der Denkweise, die sich aus
der Bußpraxis, Uoga, entwickelte, und dabei
fällt das größere Gewicht auf den zweite»
dieser beiden Faktoren. Aus dem Uogasystem
ist z. B. das Schema entlehnt, auf dem sich
die bekannten vier buddhistischen Grundwahr¬
heiten aufbauen, und es ist interessant genug,
daß der Uoga seinerseits es der Heilkunde
entnommen zu haben scheint. „Der Buddhismus
hat unwillkürlich gefühlt, daß, wer Menschen-
seelen erlösen will, wie ein Arzt zu Werke
gehen muß; er stellt die Fragen des Arztes
an das menschliche Leben und sucht es zu
heilen, gleichwie ein Arzt einen Kranken."
Also auch hier verschwindet der Philosoph,
und es bleibt der Mensch, der über mensch¬
liche Dinge menschlich redet. Und diese mensch¬
liche, persönliche Note ist es, die wieder den
vollen Unterschied von Doga und Buddhismus
begründet; dort nnr eine Methode, hier eine
Religion. Gerade diesen religiösen Werten
des Buddhismus spürt Lehmann in seinem
ganzen Buche mit besonderem Verständnis
nach. Immer wieder sind sie persönlicher
Art: so weist er z. B. mit Recht ans die

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Bedeutung der buddhistischen Legende, durch
die viele für den Buddhismus gewonnen
wurden, „Leute, die von seinem Lehrinhalt
nichts verstanden haben, aber doch durch das,
was sie über Buddha hörten, ein persönliches
Ideal erhielten."

Und doch — am Begriff der Persönlichkeit
offenbart sich der ganze Gegensatz zwischen
Buddhismus und Christentum, der Religion
der Persönlichkeit, ist doch dem Buddhisten
stwvscw ----- „sich als ein Selbst rechnen" die
schlimmste der Irrlehren, weshalb er die beiden
Partner, Gott und Menschenseele, in deren
Persönlichen Verkehr sich für den Christen die
Religion abspielt, leugnet. Wer aber von
der Modesucht, Buddhismus und Christentum
mit einander verquicken zu wollen, berührt
sein sollte, der lasse noch besonders die letzten
Seiten von Lehmanns Buch auf sich wirken,
wo vom Buddhismus in Europa die Rede
ist. Es ist ein treffliches Wort, daß die Ab¬
rechnung zwischen Buddhismus und Christen¬
tum niemals ein Ndditionsstück wird. Über¬
haupt steht diese Abrechnung nicht nur zwischen
Buddhismus und Christentum, sondern zwischen
Buddhismus und unserer ganzen Kultur. Denn
diese ruht gerade auf den beiden Dingen, die
der Buddhismus verwirft, auf Natur und
Persönlichkeit.

Prof. v. Alfred Bertholct-
-Nachschlagewerke

Meyers Großes Konvcrsations-Lexikon.
6. Aufl. 23. Band. Jahres - Supplement
1910 und 1911. Leipzig und Wien, Biblio¬
graphisches Institut, 1912.

Der soeben erschienene Ergänzungsbnnd
bietet wie sein Ende 1910 erschienener Vor¬
gänger eine erschöpfende Übersicht über die
letztjährigen Arbeiten und Errungenschaften auf
allen Gebieten des Wissens und der Technik.
Geographie, Ethnographie, Volkswirtschaft,
Naturwissenschaften, Technologie, Bau- und
Jngenienrwesen sind, wie es sich bei diesen
dem Wandel der Anschauungen am meisten
unterworfenen Disziplinen ja von selbst ver¬
steht, um eingehendsten berücksichtigt. So
finden wir bei den Nachträgen zu den
geographisch-statistischen Artikeln über die
einzelnen Erdteile die Ergebnisse der neuesten
Forschungsreisen, ferner bei den Ergänzungen

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[0642] Maßgebliches und Unmaßgebliches die ihm folgen wollen, zu einer Brüderschaft vereinigt. Das ist alles, und das ist, was ihn interessiert. . . Dabei verachtet er die Philosophie, nicht weil er sie nicht versteht, sondern weil er sie allzuwohl versteht, weil er sie durchschaut hat und gesehen, daß sie zu nichts führt. Darum heißt eS im Luttsnipätn recht geistreich, daß, so wenig es nützt, eine Philosophie zu haben, es ebenso wenig nützen kann, gar keine Philosophie zu haben; nein, was es gilt, ist: die Philosophie zu über¬ winden." — „Sö moquer as MlosoMe, e'sse vrsiment pnilosopliei", sagt Pascal, und mit ihm und anderen, die wissen, daß die Religion nach dem Menschen und nicht nach dein Vielerlei der Außenwelt fragt, be¬ gegnet sich Buddha gerade in diesem wesent¬ lichsten Punkt. Die Frage nach der Form, in der die Philosophie den Buddhismus, vielleicht schon Buddha selber erreichte, ist durch neuere Unter¬ suchungen nicht unwesentlich gefördert worden, und Lehmann wendet ihr ein besonderes Augenmerk zu. Es handelt sich um den so¬ genannten Smnkhya-Uoga, eine Kombination der Metaphysik der atheistischen und realistischen Sämkhyalehre mit der Denkweise, die sich aus der Bußpraxis, Uoga, entwickelte, und dabei fällt das größere Gewicht auf den zweite» dieser beiden Faktoren. Aus dem Uogasystem ist z. B. das Schema entlehnt, auf dem sich die bekannten vier buddhistischen Grundwahr¬ heiten aufbauen, und es ist interessant genug, daß der Uoga seinerseits es der Heilkunde entnommen zu haben scheint. „Der Buddhismus hat unwillkürlich gefühlt, daß, wer Menschen- seelen erlösen will, wie ein Arzt zu Werke gehen muß; er stellt die Fragen des Arztes an das menschliche Leben und sucht es zu heilen, gleichwie ein Arzt einen Kranken." Also auch hier verschwindet der Philosoph, und es bleibt der Mensch, der über mensch¬ liche Dinge menschlich redet. Und diese mensch¬ liche, persönliche Note ist es, die wieder den vollen Unterschied von Doga und Buddhismus begründet; dort nnr eine Methode, hier eine Religion. Gerade diesen religiösen Werten des Buddhismus spürt Lehmann in seinem ganzen Buche mit besonderem Verständnis nach. Immer wieder sind sie persönlicher Art: so weist er z. B. mit Recht ans die Bedeutung der buddhistischen Legende, durch die viele für den Buddhismus gewonnen wurden, „Leute, die von seinem Lehrinhalt nichts verstanden haben, aber doch durch das, was sie über Buddha hörten, ein persönliches Ideal erhielten." Und doch — am Begriff der Persönlichkeit offenbart sich der ganze Gegensatz zwischen Buddhismus und Christentum, der Religion der Persönlichkeit, ist doch dem Buddhisten stwvscw ----- „sich als ein Selbst rechnen" die schlimmste der Irrlehren, weshalb er die beiden Partner, Gott und Menschenseele, in deren Persönlichen Verkehr sich für den Christen die Religion abspielt, leugnet. Wer aber von der Modesucht, Buddhismus und Christentum mit einander verquicken zu wollen, berührt sein sollte, der lasse noch besonders die letzten Seiten von Lehmanns Buch auf sich wirken, wo vom Buddhismus in Europa die Rede ist. Es ist ein treffliches Wort, daß die Ab¬ rechnung zwischen Buddhismus und Christen¬ tum niemals ein Ndditionsstück wird. Über¬ haupt steht diese Abrechnung nicht nur zwischen Buddhismus und Christentum, sondern zwischen Buddhismus und unserer ganzen Kultur. Denn diese ruht gerade auf den beiden Dingen, die der Buddhismus verwirft, auf Natur und Persönlichkeit. Prof. v. Alfred Bertholct- -Nachschlagewerke Meyers Großes Konvcrsations-Lexikon. 6. Aufl. 23. Band. Jahres - Supplement 1910 und 1911. Leipzig und Wien, Biblio¬ graphisches Institut, 1912. Der soeben erschienene Ergänzungsbnnd bietet wie sein Ende 1910 erschienener Vor¬ gänger eine erschöpfende Übersicht über die letztjährigen Arbeiten und Errungenschaften auf allen Gebieten des Wissens und der Technik. Geographie, Ethnographie, Volkswirtschaft, Naturwissenschaften, Technologie, Bau- und Jngenienrwesen sind, wie es sich bei diesen dem Wandel der Anschauungen am meisten unterworfenen Disziplinen ja von selbst ver¬ steht, um eingehendsten berücksichtigt. So finden wir bei den Nachträgen zu den geographisch-statistischen Artikeln über die einzelnen Erdteile die Ergebnisse der neuesten Forschungsreisen, ferner bei den Ergänzungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/642>, abgerufen am 29.04.2024.