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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Aus der Geschichte des Jesuitenordens
von Prof. Dr, w, Porsch

! inmer und immer wiederholen sich im Reichstage, auf den alljährigen
Katholikentagen und bei sonstigen Gelegenheiten (u. a. im Anschluß
an die Beuroner Kaiserrede) die Forderung der Wiederzulassung
!des Jesuitenordens und die Beschuldigung, seine Ausschließung
!vom Reichsgebiet sei ein unerträgliches Unrecht, ein Ausfluß der
Feindschaft gegen die katholische Kirche als solche. Dabei heißt es gewöhnlich:
"Was habt Ihr gegen die Jesuiten? Wir alle, jeder gute Katholik, jeder
katholische Geistliche, denken ganz so wie die Jesuiten."

Es gab eine Zeit, es ist ungefähr hundertundvierzig Jahre her, da dachten
und urteilten die maßgebenden Faktoren der katholischen Kirche nicht nur anders,
sondern diametral entgegengesetzt in puncto Jesuiten: Papst, Erzbischöfe, Bischöfe,
niedere Geistlichkeit waren die heftigsten Gegner des Jesuitenordens. Sie alle
müßten also, wenn Gegnerschaft gegen diesen Orden ein Ausfluß der Feindschaft
gegen die katholische Kirche wäre, Feinde der von ihnen geleiteten Kirche gewesen
sein. Man erwäge die Ungeheuerlichkeit des inneren Widerspruchs: der ganze
offizielle Apparat der katholischen Kirche einschließlich Papst Feind seiner eigenen
Kirche I

Papst Clemens der Vierzehnte, der in seiner Eigenschaft als "Stell¬
vertreter Gottes und Oberhaupt der Kirche Gottes" nach katholischer Auf¬
fassung unmöglich ein Feind dieser selben Kirche gewesen sein kann, hat im
Jahre 1773 den Jesuitenorden wegen seiner Gemeinschädlichkeit für den Frieden
in der katholischen Kirche und in den weltlichen Staaten für ewig ausgehoben
und zur Rechtfertigung dieser Aufhebung ein geradezu vernichtendes Urteil über
ihn gefällt.

Einige Stellen dieses denkwürdigen päpstlichen Aufhebungsdekrets vomiru>8
ÄL reclemptor noster usw. lauten also:

"Wir haben zu unserem tiefsten Herzeleid bemerkt, daß vorbedachte und
noch viele andere Mittel fast gänzlich kraftlos und ohne Wirkung waren, um
so viele und wichtige Unruhen, Beschuldigungen und Anklagen gegen die genannte
Gesellschaft (nämlich die Jesuiten) zu zerstreuen, und daß sich deswegen unsere
Vorgänger, die Päpste (das Breve zählt an dieser Stelle ihrer zwölf auf!) ver-




Aus der Geschichte des Jesuitenordens
von Prof. Dr, w, Porsch

! inmer und immer wiederholen sich im Reichstage, auf den alljährigen
Katholikentagen und bei sonstigen Gelegenheiten (u. a. im Anschluß
an die Beuroner Kaiserrede) die Forderung der Wiederzulassung
!des Jesuitenordens und die Beschuldigung, seine Ausschließung
!vom Reichsgebiet sei ein unerträgliches Unrecht, ein Ausfluß der
Feindschaft gegen die katholische Kirche als solche. Dabei heißt es gewöhnlich:
„Was habt Ihr gegen die Jesuiten? Wir alle, jeder gute Katholik, jeder
katholische Geistliche, denken ganz so wie die Jesuiten."

Es gab eine Zeit, es ist ungefähr hundertundvierzig Jahre her, da dachten
und urteilten die maßgebenden Faktoren der katholischen Kirche nicht nur anders,
sondern diametral entgegengesetzt in puncto Jesuiten: Papst, Erzbischöfe, Bischöfe,
niedere Geistlichkeit waren die heftigsten Gegner des Jesuitenordens. Sie alle
müßten also, wenn Gegnerschaft gegen diesen Orden ein Ausfluß der Feindschaft
gegen die katholische Kirche wäre, Feinde der von ihnen geleiteten Kirche gewesen
sein. Man erwäge die Ungeheuerlichkeit des inneren Widerspruchs: der ganze
offizielle Apparat der katholischen Kirche einschließlich Papst Feind seiner eigenen
Kirche I

Papst Clemens der Vierzehnte, der in seiner Eigenschaft als „Stell¬
vertreter Gottes und Oberhaupt der Kirche Gottes" nach katholischer Auf¬
fassung unmöglich ein Feind dieser selben Kirche gewesen sein kann, hat im
Jahre 1773 den Jesuitenorden wegen seiner Gemeinschädlichkeit für den Frieden
in der katholischen Kirche und in den weltlichen Staaten für ewig ausgehoben
und zur Rechtfertigung dieser Aufhebung ein geradezu vernichtendes Urteil über
ihn gefällt.

Einige Stellen dieses denkwürdigen päpstlichen Aufhebungsdekrets vomiru>8
ÄL reclemptor noster usw. lauten also:

„Wir haben zu unserem tiefsten Herzeleid bemerkt, daß vorbedachte und
noch viele andere Mittel fast gänzlich kraftlos und ohne Wirkung waren, um
so viele und wichtige Unruhen, Beschuldigungen und Anklagen gegen die genannte
Gesellschaft (nämlich die Jesuiten) zu zerstreuen, und daß sich deswegen unsere
Vorgänger, die Päpste (das Breve zählt an dieser Stelle ihrer zwölf auf!) ver-


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[0121] [Abbildung] Aus der Geschichte des Jesuitenordens von Prof. Dr, w, Porsch ! inmer und immer wiederholen sich im Reichstage, auf den alljährigen Katholikentagen und bei sonstigen Gelegenheiten (u. a. im Anschluß an die Beuroner Kaiserrede) die Forderung der Wiederzulassung !des Jesuitenordens und die Beschuldigung, seine Ausschließung !vom Reichsgebiet sei ein unerträgliches Unrecht, ein Ausfluß der Feindschaft gegen die katholische Kirche als solche. Dabei heißt es gewöhnlich: „Was habt Ihr gegen die Jesuiten? Wir alle, jeder gute Katholik, jeder katholische Geistliche, denken ganz so wie die Jesuiten." Es gab eine Zeit, es ist ungefähr hundertundvierzig Jahre her, da dachten und urteilten die maßgebenden Faktoren der katholischen Kirche nicht nur anders, sondern diametral entgegengesetzt in puncto Jesuiten: Papst, Erzbischöfe, Bischöfe, niedere Geistlichkeit waren die heftigsten Gegner des Jesuitenordens. Sie alle müßten also, wenn Gegnerschaft gegen diesen Orden ein Ausfluß der Feindschaft gegen die katholische Kirche wäre, Feinde der von ihnen geleiteten Kirche gewesen sein. Man erwäge die Ungeheuerlichkeit des inneren Widerspruchs: der ganze offizielle Apparat der katholischen Kirche einschließlich Papst Feind seiner eigenen Kirche I Papst Clemens der Vierzehnte, der in seiner Eigenschaft als „Stell¬ vertreter Gottes und Oberhaupt der Kirche Gottes" nach katholischer Auf¬ fassung unmöglich ein Feind dieser selben Kirche gewesen sein kann, hat im Jahre 1773 den Jesuitenorden wegen seiner Gemeinschädlichkeit für den Frieden in der katholischen Kirche und in den weltlichen Staaten für ewig ausgehoben und zur Rechtfertigung dieser Aufhebung ein geradezu vernichtendes Urteil über ihn gefällt. Einige Stellen dieses denkwürdigen päpstlichen Aufhebungsdekrets vomiru>8 ÄL reclemptor noster usw. lauten also: „Wir haben zu unserem tiefsten Herzeleid bemerkt, daß vorbedachte und noch viele andere Mittel fast gänzlich kraftlos und ohne Wirkung waren, um so viele und wichtige Unruhen, Beschuldigungen und Anklagen gegen die genannte Gesellschaft (nämlich die Jesuiten) zu zerstreuen, und daß sich deswegen unsere Vorgänger, die Päpste (das Breve zählt an dieser Stelle ihrer zwölf auf!) ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/121>, abgerufen am 19.05.2024.