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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Ignaz Auranda in seiner politischen Wirksamkeit
SU seinein hundertsten Geburtstage am ^ Mai ^9^2 von Dr. Julius von Newald

er Name des Prager Antiquarssohnes, dem das metternichsche
Österreich zu enge geworden, hatte schon guten Klang, als Kuranda
im Jahre 1842 die von ihm begründeten "Grenzboten" von Brüssel
nach der Metropole des deutschen Buchhandels verlegte. Vierzig
Jahre später hat Eduard Herbst, der trotz seiner Fehler hochverdiente
Führer der liberalen Deutschen in Österreich, es betont, was die "grünen Hefte"
in den der Revolution vorangehenden Jahren bedeuteten: daß sie den Österreichern
über die Grenze herein Kunde brachten von deutschem Wesen, daß sie von
Leipzig her über die UnHaltbarkeit der österreichischen Zustände aufklärten, daß
sie zur Hebung dieses Bewußtseins unter der deutsch-österreichischen Jugend
ebensoviel beitrugen wie Anastasius Grüns "Spaziergänge eines Wiener
Poeten". So ist Kuranda mit seiner innerhalb der schwarzgelben Grenzpfähle
aufs strengste verpöntem und eben deshalb um so eifriger geschwärzten und um
so begieriger gelesenen Zeitschrift ein gefährlicher und erfolgreicher Kämpfer
gegen das "System" geworden. Von allem Radikalen hat er sich, damals wie
später, streng ferngehalten. Aber selbst sein gemäßigter Liberalismus galt den
Wiener Machthabern des Vormärz etwa identisch mit dem heutigen Begriffe des
Anarchismus.

Der Ton, in dem Ignaz Kuranda einen Absolutismus bekämpfte, der erst
durch sterile und vertrocknete Stabilität in der Verwaltung sein eigentliches,
trostloses Gesicht erhielt, war immer vornehm. Dies entsprach der hohen lite¬
rarischen und ästhetischen Bildung des Mannes. Mit seiner "Weißen Rose"


Grenzboten II 1912 20


Ignaz Auranda in seiner politischen Wirksamkeit
SU seinein hundertsten Geburtstage am ^ Mai ^9^2 von Dr. Julius von Newald

er Name des Prager Antiquarssohnes, dem das metternichsche
Österreich zu enge geworden, hatte schon guten Klang, als Kuranda
im Jahre 1842 die von ihm begründeten „Grenzboten" von Brüssel
nach der Metropole des deutschen Buchhandels verlegte. Vierzig
Jahre später hat Eduard Herbst, der trotz seiner Fehler hochverdiente
Führer der liberalen Deutschen in Österreich, es betont, was die „grünen Hefte"
in den der Revolution vorangehenden Jahren bedeuteten: daß sie den Österreichern
über die Grenze herein Kunde brachten von deutschem Wesen, daß sie von
Leipzig her über die UnHaltbarkeit der österreichischen Zustände aufklärten, daß
sie zur Hebung dieses Bewußtseins unter der deutsch-österreichischen Jugend
ebensoviel beitrugen wie Anastasius Grüns „Spaziergänge eines Wiener
Poeten". So ist Kuranda mit seiner innerhalb der schwarzgelben Grenzpfähle
aufs strengste verpöntem und eben deshalb um so eifriger geschwärzten und um
so begieriger gelesenen Zeitschrift ein gefährlicher und erfolgreicher Kämpfer
gegen das „System" geworden. Von allem Radikalen hat er sich, damals wie
später, streng ferngehalten. Aber selbst sein gemäßigter Liberalismus galt den
Wiener Machthabern des Vormärz etwa identisch mit dem heutigen Begriffe des
Anarchismus.

Der Ton, in dem Ignaz Kuranda einen Absolutismus bekämpfte, der erst
durch sterile und vertrocknete Stabilität in der Verwaltung sein eigentliches,
trostloses Gesicht erhielt, war immer vornehm. Dies entsprach der hohen lite¬
rarischen und ästhetischen Bildung des Mannes. Mit seiner „Weißen Rose"


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[0213] [Abbildung] Ignaz Auranda in seiner politischen Wirksamkeit SU seinein hundertsten Geburtstage am ^ Mai ^9^2 von Dr. Julius von Newald er Name des Prager Antiquarssohnes, dem das metternichsche Österreich zu enge geworden, hatte schon guten Klang, als Kuranda im Jahre 1842 die von ihm begründeten „Grenzboten" von Brüssel nach der Metropole des deutschen Buchhandels verlegte. Vierzig Jahre später hat Eduard Herbst, der trotz seiner Fehler hochverdiente Führer der liberalen Deutschen in Österreich, es betont, was die „grünen Hefte" in den der Revolution vorangehenden Jahren bedeuteten: daß sie den Österreichern über die Grenze herein Kunde brachten von deutschem Wesen, daß sie von Leipzig her über die UnHaltbarkeit der österreichischen Zustände aufklärten, daß sie zur Hebung dieses Bewußtseins unter der deutsch-österreichischen Jugend ebensoviel beitrugen wie Anastasius Grüns „Spaziergänge eines Wiener Poeten". So ist Kuranda mit seiner innerhalb der schwarzgelben Grenzpfähle aufs strengste verpöntem und eben deshalb um so eifriger geschwärzten und um so begieriger gelesenen Zeitschrift ein gefährlicher und erfolgreicher Kämpfer gegen das „System" geworden. Von allem Radikalen hat er sich, damals wie später, streng ferngehalten. Aber selbst sein gemäßigter Liberalismus galt den Wiener Machthabern des Vormärz etwa identisch mit dem heutigen Begriffe des Anarchismus. Der Ton, in dem Ignaz Kuranda einen Absolutismus bekämpfte, der erst durch sterile und vertrocknete Stabilität in der Verwaltung sein eigentliches, trostloses Gesicht erhielt, war immer vornehm. Dies entsprach der hohen lite¬ rarischen und ästhetischen Bildung des Mannes. Mit seiner „Weißen Rose" Grenzboten II 1912 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/213>, abgerufen am 26.05.2024.