Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] abzukürzen, zu befragen, ob sie auf Jnne- Ächulfragen or. Joh. Friedrich von Schulte: Ge"en die Konfessionsschule. Mit besonderer Rücksicht Durch den sächsischen Volksschulgesctzeutwurf färbenden Einfluß auf die Schulen gewinnt. Schulte würzt übrigeus seine Aus¬ Philosophie Person und Persönlichkeit.
Man ist heute gewohnt, das Problem der Diesen Weg verschmäht Riebergall; er zieht Grenzboien II 1912
Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] abzukürzen, zu befragen, ob sie auf Jnne- Ächulfragen or. Joh. Friedrich von Schulte: Ge„en die Konfessionsschule. Mit besonderer Rücksicht Durch den sächsischen Volksschulgesctzeutwurf färbenden Einfluß auf die Schulen gewinnt. Schulte würzt übrigeus seine Aus¬ Philosophie Person und Persönlichkeit.
Man ist heute gewohnt, das Problem der Diesen Weg verschmäht Riebergall; er zieht Grenzboien II 1912
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321392"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1295" prev="#ID_1294"> abzukürzen, zu befragen, ob sie auf Jnne-<lb/> haltuug der Ladungsfrist verzichten. Daraus,<lb/> dnß dies hier geschehen ist, wird die Be¬<lb/> rechtigung hergeleitet, das Gericht einer Ver¬<lb/> gewaltigung des Angeklagten zu zeihen. Würde<lb/> ein Gericht erklären, die Ladungsfrist sei im<lb/> Gesetz bestimmt und es sei daher unzulässig,<lb/> dem Angeklagten dadurch entgegenzukommen,<lb/> daß man sie im Einverständnis mit ihm ab¬<lb/> kürzt, so würde man über Formalismus<lb/> schreien; würde ein Gericht sagen, die Ladungs¬<lb/> frist könne zwar abgekürzt werden, aber es<lb/> sei ja nicht Aufgabe des Gerichts, den An¬<lb/> geklagten hierauf aufmerksam zu machen, wenn<lb/> er nicht selbst einen dahingehender Antrag<lb/> stelle, so würde» die Kritiker fragen, ob denn<lb/> das Gericht kein Verständnis dafür habe, das;<lb/> ein Laie sich in den formalistischen Fallstricken<lb/> und Schleichwegen der Strafprozeßordnung<lb/> nicht zurechtfinden könne.</p> <note type="byline"> Landrichter Dr. Riedinger-Beuthen</note> </div> </div> <div n="2"> <head> Ächulfragen</head> <div n="3"> <head> or. Joh. Friedrich von Schulte: Ge„en</head><lb/> </div> <div n="3"> <head> die Konfessionsschule. </head> <p xml:id="ID_1296"> Mit besonderer Rücksicht<lb/> auf Preußen. Emil Roth, Gießen 1912.<lb/> M. 1.—.</p> <p xml:id="ID_1297" next="#ID_1298"> Durch den sächsischen Volksschulgesctzeutwurf<lb/> ist die Frage der Konfessionsschule wieder in den<lb/> Bordergrund getreten und hat einen alten<lb/> Kämpfer für religiöse Toleranz, den 8S jährigen<lb/> Ritter von Schulte, den Mitbegründer deS<lb/> Altkatholizismus veranlaßt, sich „vom Stand-<lb/> Punkt des gläubigen Christen, des Vnterlands-<lb/> freundes" mit aller Schärfe gegen die<lb/> Konfessionsschule nuszusprechen. Konservative<lb/> evangelischer Orthodv.rie und Mtmmuniane,<lb/> behauptet Schulte, halten an der Konfessions¬<lb/> schule fest, um die Schule, Lehrer und Schüler<lb/> in der Hand zu haben. Dies geschehe ent¬<lb/> gegen dem Gesetze auch bei der evangelischen<lb/> Geistlichkeit durch die Ortsschulaufsicht und<lb/> die KreiSschulnufsichr, die überwiegend von<lb/> evangelischen Geistlichen ausgeübt wird.<lb/> Übrigens sträuben sich viele evangelische<lb/> Pfarrer gegen diese Aufsicht, von der sie nur<lb/> Scherereien haben, während die Lehrer mit<lb/> ihnen nieist besser fahren, als mit Fachleuten.<lb/> Grundsätzlich bleibt aber die Gefahr vor¬<lb/> handen, daß die Geistlichkeit auch über den<lb/> Religionsunterricht hinaus einen konfessionell</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1298" prev="#ID_1297"> färbenden Einfluß auf die Schulen gewinnt.<lb/> Das darf auf keinen Fall geschehen, denn es<lb/> ist die Aufgabe des Staates, „alle künftigen<lb/> Staatsbürger in demselben patriotischen Geiste<lb/> heranzubilden" und die Religion darf nicht<lb/> mehr als die Deutschen trennend behandelt<lb/> werden. Die Erfahrung aller Länder, in<lb/> denen die öffentlichen Schulen konfessionslos<lb/> sind, lehrt, daß die beiden großen Kon¬<lb/> fessionen dort in besserer Eintracht leben, als<lb/> bei uns. Der Religionsunterricht ist Sache<lb/> der einzelnen Religionsgemeinschaften, er muß<lb/> in konfessionell gemischten Gegenden von den<lb/> Geistlichen erteilt werden. Im übrigen darf<lb/> die Religionsgemeinschaft keinen Einfluß auf<lb/> das Schulwesen ausüben, denn das Schul¬<lb/> wesen ist Sache des Staates. Den Widersinn<lb/> der Konfessionsschule zeigen um deutlichsten<lb/> die kleinen katholischen Volksschulen von 20<lb/> bis i!v Schülern um überwiegend evangelischen<lb/> Orten; sie belasten Staats- bzw. Gemeinde¬<lb/> kasse nnnöiig, die Schüler müssen von der<lb/> einen Lehrkraft im Einklnssenshstem unter¬<lb/> richtet werden, während sie ohne irgend<lb/> jemand Kosten zu bereiten, auf der benach¬<lb/> barten öffentlichen Volksschule im Achtklassen¬<lb/> system viel besser unterrichtet werden könnten<lb/> und günz sicher mehr im patriotischen Sinne<lb/> aufwachsen würden, wenn ihnen nicht von<lb/> Jugend an die konfessionelle Trennung se!<lb/> oculos demonstiert würde.</p> <p xml:id="ID_1299"> Schulte würzt übrigeus seine Aus¬<lb/> führungen mit sehr lehrreichen Erinnerungen<lb/> aus seiner Jugend in der unverblümten,<lb/> frischen Art, die wir aus seinem Memoiren-<lb/><note type="byline"> Fritz Tychcnv</note> Werk kennen. </p> </div> </div> <div n="2"> <head> Philosophie</head><lb/> <div n="3"> <head> Person und Persönlichkeit.</head> <p xml:id="ID_1300"><lb/> Von V.F.Nic-<lb/> bergall, Professor an der UnKiersität Heidel¬<lb/> berg. Leipzig 1911. Verlag Quelle u. Meyer.<lb/> 170 S. 8°. Preis geb. 4 M.</p> <p xml:id="ID_1301"> Man ist heute gewohnt, das Problem der<lb/> Persönlichkeit, der Individualität, als ein Psy¬<lb/> chologisches Problem behandelt zu sehen, mau<lb/> bemüht sich meistens, es auf dem Wege Psycho¬<lb/> logischer Untersuchung zu lösen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1302" next="#ID_1303"> Diesen Weg verschmäht Riebergall; er zieht<lb/> es vor, sein Problem auf eine Art zu lösen,<lb/> die gerade i» unserer Zeit etwas in Mi߬<lb/> kredit geraten ist, nämlich durch logisch-metu-</p> <cb type="end"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboien II 1912</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
abzukürzen, zu befragen, ob sie auf Jnne-
haltuug der Ladungsfrist verzichten. Daraus,
dnß dies hier geschehen ist, wird die Be¬
rechtigung hergeleitet, das Gericht einer Ver¬
gewaltigung des Angeklagten zu zeihen. Würde
ein Gericht erklären, die Ladungsfrist sei im
Gesetz bestimmt und es sei daher unzulässig,
dem Angeklagten dadurch entgegenzukommen,
daß man sie im Einverständnis mit ihm ab¬
kürzt, so würde man über Formalismus
schreien; würde ein Gericht sagen, die Ladungs¬
frist könne zwar abgekürzt werden, aber es
sei ja nicht Aufgabe des Gerichts, den An¬
geklagten hierauf aufmerksam zu machen, wenn
er nicht selbst einen dahingehender Antrag
stelle, so würde» die Kritiker fragen, ob denn
das Gericht kein Verständnis dafür habe, das;
ein Laie sich in den formalistischen Fallstricken
und Schleichwegen der Strafprozeßordnung
nicht zurechtfinden könne.
Landrichter Dr. Riedinger-Beuthen Ächulfragen or. Joh. Friedrich von Schulte: Ge„en
die Konfessionsschule. Mit besonderer Rücksicht
auf Preußen. Emil Roth, Gießen 1912.
M. 1.—.
Durch den sächsischen Volksschulgesctzeutwurf
ist die Frage der Konfessionsschule wieder in den
Bordergrund getreten und hat einen alten
Kämpfer für religiöse Toleranz, den 8S jährigen
Ritter von Schulte, den Mitbegründer deS
Altkatholizismus veranlaßt, sich „vom Stand-
Punkt des gläubigen Christen, des Vnterlands-
freundes" mit aller Schärfe gegen die
Konfessionsschule nuszusprechen. Konservative
evangelischer Orthodv.rie und Mtmmuniane,
behauptet Schulte, halten an der Konfessions¬
schule fest, um die Schule, Lehrer und Schüler
in der Hand zu haben. Dies geschehe ent¬
gegen dem Gesetze auch bei der evangelischen
Geistlichkeit durch die Ortsschulaufsicht und
die KreiSschulnufsichr, die überwiegend von
evangelischen Geistlichen ausgeübt wird.
Übrigens sträuben sich viele evangelische
Pfarrer gegen diese Aufsicht, von der sie nur
Scherereien haben, während die Lehrer mit
ihnen nieist besser fahren, als mit Fachleuten.
Grundsätzlich bleibt aber die Gefahr vor¬
handen, daß die Geistlichkeit auch über den
Religionsunterricht hinaus einen konfessionell
färbenden Einfluß auf die Schulen gewinnt.
Das darf auf keinen Fall geschehen, denn es
ist die Aufgabe des Staates, „alle künftigen
Staatsbürger in demselben patriotischen Geiste
heranzubilden" und die Religion darf nicht
mehr als die Deutschen trennend behandelt
werden. Die Erfahrung aller Länder, in
denen die öffentlichen Schulen konfessionslos
sind, lehrt, daß die beiden großen Kon¬
fessionen dort in besserer Eintracht leben, als
bei uns. Der Religionsunterricht ist Sache
der einzelnen Religionsgemeinschaften, er muß
in konfessionell gemischten Gegenden von den
Geistlichen erteilt werden. Im übrigen darf
die Religionsgemeinschaft keinen Einfluß auf
das Schulwesen ausüben, denn das Schul¬
wesen ist Sache des Staates. Den Widersinn
der Konfessionsschule zeigen um deutlichsten
die kleinen katholischen Volksschulen von 20
bis i!v Schülern um überwiegend evangelischen
Orten; sie belasten Staats- bzw. Gemeinde¬
kasse nnnöiig, die Schüler müssen von der
einen Lehrkraft im Einklnssenshstem unter¬
richtet werden, während sie ohne irgend
jemand Kosten zu bereiten, auf der benach¬
barten öffentlichen Volksschule im Achtklassen¬
system viel besser unterrichtet werden könnten
und günz sicher mehr im patriotischen Sinne
aufwachsen würden, wenn ihnen nicht von
Jugend an die konfessionelle Trennung se!
oculos demonstiert würde.
Schulte würzt übrigeus seine Aus¬
führungen mit sehr lehrreichen Erinnerungen
aus seiner Jugend in der unverblümten,
frischen Art, die wir aus seinem Memoiren-
Fritz Tychcnv Werk kennen.
Philosophie
Person und Persönlichkeit.
Von V.F.Nic-
bergall, Professor an der UnKiersität Heidel¬
berg. Leipzig 1911. Verlag Quelle u. Meyer.
170 S. 8°. Preis geb. 4 M.
Man ist heute gewohnt, das Problem der
Persönlichkeit, der Individualität, als ein Psy¬
chologisches Problem behandelt zu sehen, mau
bemüht sich meistens, es auf dem Wege Psycho¬
logischer Untersuchung zu lösen.
Diesen Weg verschmäht Riebergall; er zieht
es vor, sein Problem auf eine Art zu lösen,
die gerade i» unserer Zeit etwas in Mi߬
kredit geraten ist, nämlich durch logisch-metu-
Grenzboien II 1912
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |