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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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unter Vermeidung jeglicher Geheimniskrämerei
bei der Reorganisation ihres Luftfahrtwesens
den Mindestbestand an militärischen Flug¬
zeugen zahlenmäßig festgelegt haben. Gleich¬
falls wurde bekanntgegeben, daß kein Apparat
mehr als ein Jahr auf die Feldbestände an¬
gerechnet werden darf. Damit ist die fran¬
zösische Industrie in die Lage versetzt, das
Absatzgebiet zu beurteilen. Sie kann sich einen
gute" Stamm von Arbeitern erhalten und
braucht nicht durch fortgesetzte Neueinstellungen
von Personal und zeitweise Entlassungen die
soziale Lage der Arbeiter zu beeinflussen.

Eine solche Berücksichtigung der über den
Rahmen des Augenblicksbedarfs hinausgehen¬
den Interessen fehlt bei uns noch gänzlich.

Hauptmann a. D, Hans Waldemar
von Henvarth
sprachliches

Über den Aufsatz "Bon unserer lieVcn
Muttersprache" in Ur. 16 dieser Zeitschrift
sind mir aus verschiedenen Orten Äußerungen
zugegangen, die von der in unseren gebildeten
Kreisen herrschenden Teilnahme an.deutsch¬
sprachlichen Dingen zeugen. Drei der Herren,
die so freundlich waren, an mich zu schreiben,
darunter ein Germanist von Fach, erklären
sich mit der befürworteten maßvollen Zulassung
von "Derselbe" durchaus einverstanden; einer
von ihnen, ein Philologisch hochgebildeter Mann,
weist darauf hin, daß sich in den gesamten
Denkmälern der altgriechischen Sprache kein
Fall der unmittelbaren Wiederholung des
nämlichen Wortes finde. Die Schreibweise
gieren" wird von einem Herrn hauptsächlich
aus sprachgeschichtlichen Gründen verteidigt.
Meine anerkennenden Worte über Engels
"deutsche Stilkunst" haben einen Herrn ver¬
anlaßt, mir auf vierzehn Seiten eine Liste der
Fehler mitzuteilen, die er in Engels Buch ge¬
funden habe. Ein großer Teil seiner Be¬
merkungen, wenn auch nicht alle, scheint mir
begründet zu sein. Sie sind meist formeller
Art, zum Teil beziehen sie sich auf Schreib¬
und Druckversehen, die allerdings berichtigt
werden sollten, zumal daS Buch, wie der
Kritiker hervorhebt, auch für den Gebrauch in

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Schulen bestimmt ist. Eine nähere Be¬
sprechung dieser Zuschrift ist wegen ihres
sehr ins Einzelne gehenden Inhalts und
der Namenlosigkeit des Verfassers in diesen
Blättern ausgeschlossen. Da auch ein anderer
Herr sich mit einer Bemerkung gegen Engel
gewendet hat, glaube ich meine Stellung zum
Engelschen Buch in Kürze näher darlegen zu
sollen. Es ist mir nicht entgangen, daß es
an verschiedenen Ungenauigkeiten leidet, die
indessen größtenteils nicht erheblich und bei
dem Umfang des Stoffs und der außer¬
ordentlich großen Zahl der Zitate entschuldbar
sind. Z. B. werden Rückerts bekannte Verse
"Wenn die Rose selbst sich schmückt usw."
Goethe zugeschrieben. Dieses Versehen wird
auch von dem Herrn Kritiker gerügt, die
folgenden nicht. Von Goethe wird angeführt
"Entsagen sollst du, sollst entsagen", Wohl
statt: Entbehren sollst du, sollst entbehren.
S. 287 muß es statt "die schwer ausrottbare
Furcht von uns deutschen Schreibern" offen¬
bar heißen: "Die Sucht". Manche Sätze
scheinen eine gewisse Flüchtigkeit zu verraten
oder im Druck entstellt zu sein, so S. 238:
"Für wie hohle Wortmacherei klingt uns der
hohlgedunsene Satz in der Erklärung von
1889." S. 11: "Die Prosa unserer guten
Schriftstellerinnen übertrifft den größten Teil
der wissenschaftlichen Literatur." Erich Schmidt
und Maximilian Harden -- eine vom Ver¬
fasser beliebte Verschwisterung, gegen die viele
Leser Bedenken haben dürften -- scheinen mir
die geübte Kritik nicht immer zu verdienen.
Ich kann es nicht tadeln, wenn Hürden für
politische Wahlen das alte Wort "Kuren" ge¬
braucht; es wäre ja erfreulich, wenn es
gelänge, dieses Wort wieder zu beleben. (Auch
die Franzosen unterscheiden ja sure und
cnoisir, die Engländer elsct und clioose).
Ungeachtet dieser Bemängelungen halte ich
Engels Buch für ein verdienstliches Werk.
Durch seinen reichen Inhalt und seine wohl¬
tuende Frische und Lebendigkeit regt es zum
Lesen und Nachdenken an und veranlaßt
manchen, sich mit sprachlichen Fragen zu
beschäftigen, der sonst weder Zeit noch Sinn
Haaxe- dafür hat.

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Grenzboten II 191261
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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unter Vermeidung jeglicher Geheimniskrämerei
bei der Reorganisation ihres Luftfahrtwesens
den Mindestbestand an militärischen Flug¬
zeugen zahlenmäßig festgelegt haben. Gleich¬
falls wurde bekanntgegeben, daß kein Apparat
mehr als ein Jahr auf die Feldbestände an¬
gerechnet werden darf. Damit ist die fran¬
zösische Industrie in die Lage versetzt, das
Absatzgebiet zu beurteilen. Sie kann sich einen
gute» Stamm von Arbeitern erhalten und
braucht nicht durch fortgesetzte Neueinstellungen
von Personal und zeitweise Entlassungen die
soziale Lage der Arbeiter zu beeinflussen.

Eine solche Berücksichtigung der über den
Rahmen des Augenblicksbedarfs hinausgehen¬
den Interessen fehlt bei uns noch gänzlich.

Hauptmann a. D, Hans Waldemar
von Henvarth
sprachliches

Über den Aufsatz „Bon unserer lieVcn
Muttersprache" in Ur. 16 dieser Zeitschrift
sind mir aus verschiedenen Orten Äußerungen
zugegangen, die von der in unseren gebildeten
Kreisen herrschenden Teilnahme an.deutsch¬
sprachlichen Dingen zeugen. Drei der Herren,
die so freundlich waren, an mich zu schreiben,
darunter ein Germanist von Fach, erklären
sich mit der befürworteten maßvollen Zulassung
von „Derselbe" durchaus einverstanden; einer
von ihnen, ein Philologisch hochgebildeter Mann,
weist darauf hin, daß sich in den gesamten
Denkmälern der altgriechischen Sprache kein
Fall der unmittelbaren Wiederholung des
nämlichen Wortes finde. Die Schreibweise
gieren" wird von einem Herrn hauptsächlich
aus sprachgeschichtlichen Gründen verteidigt.
Meine anerkennenden Worte über Engels
„deutsche Stilkunst" haben einen Herrn ver¬
anlaßt, mir auf vierzehn Seiten eine Liste der
Fehler mitzuteilen, die er in Engels Buch ge¬
funden habe. Ein großer Teil seiner Be¬
merkungen, wenn auch nicht alle, scheint mir
begründet zu sein. Sie sind meist formeller
Art, zum Teil beziehen sie sich auf Schreib¬
und Druckversehen, die allerdings berichtigt
werden sollten, zumal daS Buch, wie der
Kritiker hervorhebt, auch für den Gebrauch in

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Schulen bestimmt ist. Eine nähere Be¬
sprechung dieser Zuschrift ist wegen ihres
sehr ins Einzelne gehenden Inhalts und
der Namenlosigkeit des Verfassers in diesen
Blättern ausgeschlossen. Da auch ein anderer
Herr sich mit einer Bemerkung gegen Engel
gewendet hat, glaube ich meine Stellung zum
Engelschen Buch in Kürze näher darlegen zu
sollen. Es ist mir nicht entgangen, daß es
an verschiedenen Ungenauigkeiten leidet, die
indessen größtenteils nicht erheblich und bei
dem Umfang des Stoffs und der außer¬
ordentlich großen Zahl der Zitate entschuldbar
sind. Z. B. werden Rückerts bekannte Verse
„Wenn die Rose selbst sich schmückt usw."
Goethe zugeschrieben. Dieses Versehen wird
auch von dem Herrn Kritiker gerügt, die
folgenden nicht. Von Goethe wird angeführt
„Entsagen sollst du, sollst entsagen", Wohl
statt: Entbehren sollst du, sollst entbehren.
S. 287 muß es statt „die schwer ausrottbare
Furcht von uns deutschen Schreibern" offen¬
bar heißen: „Die Sucht". Manche Sätze
scheinen eine gewisse Flüchtigkeit zu verraten
oder im Druck entstellt zu sein, so S. 238:
„Für wie hohle Wortmacherei klingt uns der
hohlgedunsene Satz in der Erklärung von
1889." S. 11: „Die Prosa unserer guten
Schriftstellerinnen übertrifft den größten Teil
der wissenschaftlichen Literatur." Erich Schmidt
und Maximilian Harden — eine vom Ver¬
fasser beliebte Verschwisterung, gegen die viele
Leser Bedenken haben dürften — scheinen mir
die geübte Kritik nicht immer zu verdienen.
Ich kann es nicht tadeln, wenn Hürden für
politische Wahlen das alte Wort „Kuren" ge¬
braucht; es wäre ja erfreulich, wenn es
gelänge, dieses Wort wieder zu beleben. (Auch
die Franzosen unterscheiden ja sure und
cnoisir, die Engländer elsct und clioose).
Ungeachtet dieser Bemängelungen halte ich
Engels Buch für ein verdienstliches Werk.
Durch seinen reichen Inhalt und seine wohl¬
tuende Frische und Lebendigkeit regt es zum
Lesen und Nachdenken an und veranlaßt
manchen, sich mit sprachlichen Fragen zu
beschäftigen, der sonst weder Zeit noch Sinn
Haaxe- dafür hat.

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Grenzboten II 191261
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/409>, abgerufen am 19.05.2024.