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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

setzen sie sich in meine lag und geben sie mir
tröst oder verdamung, metaphisik der Sitten
hab ich gelesensamtdenKategorischeniniperativ,
hilft mir nichts, meine Vernunft verlast mich
wo ich sie am besten brauch, eine antwort ich
beschwöre dich, oder du kanst nach deinen
aufgeseten imperatif selbst nicht handln." --

Das ist der Inhalt des angezeigten Buches.
Es muß dem Verleger überlassen bleiben, auf
die Frage nach dem Bedürfnis zu antworten.
Daß aus dem eigentlichen philosophischen
Gehalt der kritischen Hauptwerke durch diese
Auswahl populärer Schriften dem Leser recht
wenig vermittelt wird, unterliegtkeinem Zweifel.
Etwas besser steht es freilich milder allgemeinen
Lebensauffassung Kants, seiner praktischen
Geistesrichtung. Nicht zustimmen kann ich jedoch,
daß die Kantgesellschaft dies buchhändlerische
Unternehmen "unterstützt", d. h. es also Wohl
subvenioniert hat. Ich möchte das für eine
allzugroße Munifizenz halten. Für die Verwen¬
dung der, wie es scheint, reichlich vorhandenen
Mittel der Gesellschaft gäbe es wichtigere
Zwecke genug. Ob den Mitgliedern der Kant¬
gesellschaft, denen das Buch sämtlich über¬
reicht worden ist -- doch Wohl wiederum auf
Kosten des Gesellschaftsvermögens --, damit
sehr gedient gewesenist? SeinenJnhalt kannten
sie Wohl fast sämtlich. Viel erwünschter wäre
Wohl die Überreichung der neuen Kant¬
biographie Vorländers gewesen.

Privatdozent Dr. Oesterreich
Länder- und Völkerkunde

Durch Armenien, eine Wanderung; und
Der Zug Xenophons bis zum Schwarzen
Meere, eine Militär - geographische Studie.
Von E. v. Hoffmeister, Generalleutnant z. D.
(8 M.) Leipzig, B. G. Teubner.

An Reisewerken leidet die deutsche Literatur
keinen Mangel. Zu den besten aus neuester
Zeit darf dieses Buch gezählt werden. Denn
es bietet nicht nur fesselnde Schilderungen
dessen, was ein hochgebildeter Beobachter mit
offenem Sinn geschaut hat. Es ist ein Werk
auch von erzieherischen Wert. Als ein lebens-
crfahrener Mann, dein ein gütig waltendes
Geschick "vieles zu unternehmen und auch zu
vollenden" beschicken hat, weiß der Verfasser
seiner lebendigen, oft dramatisch bewegten Er¬
zählung manches lebenskluge Wort einzuflechten.

[Spaltenumbruch]

-- Ganz besonders die heranwachsenden Jugend
wird für Geist und Gemüt viel daraus ge¬
winnen. Durch Südrußland führt uns der
Verfasser nach Tiflis und Kars, nach der
Nuinenstndt Ani und über Erserum nach dein
Zigana-Paß: wir erleben mit ihm den er¬
hebenden Moment, da er ini Norden einen
dunstig-blauen Streifen erkennt -- Thalatta,
das Meerl Exzellenz v. Hoffmeister folgt auf
seinem Wanderwege den Spuren Xenophons
auf seinem berühmten "Rückzug der Zehn¬
tausend". Bis zu den Kurdischen Bergen
(Ende Dezember 401 v. Chr.) hat diesen
Xenophons "Anabasis" so klar geschildert,
daß die neuere Forschung im großen und
ganzen keinen Zweifel mehr hegt. Bezüglich
des weiteren Weges der Griechen teilt v. Hoff¬
meister die sonst geltende Ansicht nicht: er
glaubt, Xenophon sei vom Teleboas über die
Ebene von Erserum nordwärts nach dein
Tale des Harpasos (Chvrvlc Su), dieses auf¬
wärts bis Gymnias (Bciiburt) und von dort
über den Zigana-Paß nach Trapezus mar¬
schiert. Von Dschevizlit aus lernen wir noch
das alte Höhlenkloster Sumela kennen:
" . . . seit Jahrhunderten hat es keinen Ge¬
danken hineingelassen." Trapezunt baut sich
in glanzvollen Bilde vor uns auf; wir rasten
noch in dem lieblichen Kerasund, von wo der
Feinschmecker Lukullus im Jahre 73 v. Chr.
die Kirsche nach Europa brachte -- dann sagt
der beredte Wanderer dein schönen Lande im
fernen Osten Lebewohl, aus dem er in die
Heimat die Erinnerung mitnahm an Schlacht¬
felder, Ruinen und Klöster, um zauberhafte
Nächte, an Blütenduft und Friihlingspracht
des Pontischen Waldes.

Dr. Fritz Roeder in Berlin
Tagesfrayen

"Miscegcimtion." In der Budgetkom¬
mission des Reichstages ist bei der Beratung
des Kolonialetats außerordentlich viel die
Rede gewesen von der "Miscegenation", der
Frage von der Mischehe zwischen Weißen und
Farbigen. Dies Problem, das man in den
Vereinigten Staaten längst in erfolgreicher
Weise erledigt hat -- worauf ja auch der
Staatssekretär Dr. Sols besonders hinwies --,
sollte unter allen Umstünden nicht als Partei-
frage aufgefaßt werden. Es nimmt sich für

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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setzen sie sich in meine lag und geben sie mir
tröst oder verdamung, metaphisik der Sitten
hab ich gelesensamtdenKategorischeniniperativ,
hilft mir nichts, meine Vernunft verlast mich
wo ich sie am besten brauch, eine antwort ich
beschwöre dich, oder du kanst nach deinen
aufgeseten imperatif selbst nicht handln." —

Das ist der Inhalt des angezeigten Buches.
Es muß dem Verleger überlassen bleiben, auf
die Frage nach dem Bedürfnis zu antworten.
Daß aus dem eigentlichen philosophischen
Gehalt der kritischen Hauptwerke durch diese
Auswahl populärer Schriften dem Leser recht
wenig vermittelt wird, unterliegtkeinem Zweifel.
Etwas besser steht es freilich milder allgemeinen
Lebensauffassung Kants, seiner praktischen
Geistesrichtung. Nicht zustimmen kann ich jedoch,
daß die Kantgesellschaft dies buchhändlerische
Unternehmen „unterstützt", d. h. es also Wohl
subvenioniert hat. Ich möchte das für eine
allzugroße Munifizenz halten. Für die Verwen¬
dung der, wie es scheint, reichlich vorhandenen
Mittel der Gesellschaft gäbe es wichtigere
Zwecke genug. Ob den Mitgliedern der Kant¬
gesellschaft, denen das Buch sämtlich über¬
reicht worden ist — doch Wohl wiederum auf
Kosten des Gesellschaftsvermögens —, damit
sehr gedient gewesenist? SeinenJnhalt kannten
sie Wohl fast sämtlich. Viel erwünschter wäre
Wohl die Überreichung der neuen Kant¬
biographie Vorländers gewesen.

Privatdozent Dr. Oesterreich
Länder- und Völkerkunde

Durch Armenien, eine Wanderung; und
Der Zug Xenophons bis zum Schwarzen
Meere, eine Militär - geographische Studie.
Von E. v. Hoffmeister, Generalleutnant z. D.
(8 M.) Leipzig, B. G. Teubner.

An Reisewerken leidet die deutsche Literatur
keinen Mangel. Zu den besten aus neuester
Zeit darf dieses Buch gezählt werden. Denn
es bietet nicht nur fesselnde Schilderungen
dessen, was ein hochgebildeter Beobachter mit
offenem Sinn geschaut hat. Es ist ein Werk
auch von erzieherischen Wert. Als ein lebens-
crfahrener Mann, dein ein gütig waltendes
Geschick „vieles zu unternehmen und auch zu
vollenden" beschicken hat, weiß der Verfasser
seiner lebendigen, oft dramatisch bewegten Er¬
zählung manches lebenskluge Wort einzuflechten.

[Spaltenumbruch]

— Ganz besonders die heranwachsenden Jugend
wird für Geist und Gemüt viel daraus ge¬
winnen. Durch Südrußland führt uns der
Verfasser nach Tiflis und Kars, nach der
Nuinenstndt Ani und über Erserum nach dein
Zigana-Paß: wir erleben mit ihm den er¬
hebenden Moment, da er ini Norden einen
dunstig-blauen Streifen erkennt — Thalatta,
das Meerl Exzellenz v. Hoffmeister folgt auf
seinem Wanderwege den Spuren Xenophons
auf seinem berühmten „Rückzug der Zehn¬
tausend". Bis zu den Kurdischen Bergen
(Ende Dezember 401 v. Chr.) hat diesen
Xenophons „Anabasis" so klar geschildert,
daß die neuere Forschung im großen und
ganzen keinen Zweifel mehr hegt. Bezüglich
des weiteren Weges der Griechen teilt v. Hoff¬
meister die sonst geltende Ansicht nicht: er
glaubt, Xenophon sei vom Teleboas über die
Ebene von Erserum nordwärts nach dein
Tale des Harpasos (Chvrvlc Su), dieses auf¬
wärts bis Gymnias (Bciiburt) und von dort
über den Zigana-Paß nach Trapezus mar¬
schiert. Von Dschevizlit aus lernen wir noch
das alte Höhlenkloster Sumela kennen:
„ . . . seit Jahrhunderten hat es keinen Ge¬
danken hineingelassen." Trapezunt baut sich
in glanzvollen Bilde vor uns auf; wir rasten
noch in dem lieblichen Kerasund, von wo der
Feinschmecker Lukullus im Jahre 73 v. Chr.
die Kirsche nach Europa brachte — dann sagt
der beredte Wanderer dein schönen Lande im
fernen Osten Lebewohl, aus dem er in die
Heimat die Erinnerung mitnahm an Schlacht¬
felder, Ruinen und Klöster, um zauberhafte
Nächte, an Blütenduft und Friihlingspracht
des Pontischen Waldes.

Dr. Fritz Roeder in Berlin
Tagesfrayen

„Miscegcimtion." In der Budgetkom¬
mission des Reichstages ist bei der Beratung
des Kolonialetats außerordentlich viel die
Rede gewesen von der „Miscegenation", der
Frage von der Mischehe zwischen Weißen und
Farbigen. Dies Problem, das man in den
Vereinigten Staaten längst in erfolgreicher
Weise erledigt hat — worauf ja auch der
Staatssekretär Dr. Sols besonders hinwies —,
sollte unter allen Umstünden nicht als Partei-
frage aufgefaßt werden. Es nimmt sich für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/50>, abgerufen am 26.05.2024.