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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

lungen geschrieben, von denen die zwei bor¬
liegenden Bände Wohl nur den kleinsten,
hoffentlich aber wertbollsten Teil enthalten.
Eröffnet wird die Sammlung (ob ganz glück¬
lich?) durch dramatische Szenen: "Immer
hübsch kritisch", in denen der Dichter sich,
Moliöres Lriiiquö ete I'üeole ach tsmmes
nachahmend,mit seinem Publikum auseinander¬
setzt. Auch Gogol hat sein Lustspiel "Der
Revisor" mit einem Nachspiel versehen, in
dem das natürlich meist gedankenlose und
törichte Publikum redend eingeführt und
Persifliert wird, und am Schluß eines klassi¬
schen Werkes läßt man sich eine solche Kritik
alberner Kritik Wohl gefallen. Als Einführung
wirkt sie doch etwas seltsam. Almcmists Haupt¬
werk ist das Dornrosenbuch, vielmehr: seine
Hauptwerke hat er unter diesem Titel mit¬
tels einer Rahmenerzählung zusammengefaßt.
Offenbar gehört dazu auch der größere Teil
der beiden deutschen Bände. Aber Genaues
über das Verhältnis erfahren wir leider wieder
weder aus der Einleitung noch aus dem
Inhaltsverzeichnis. Dieses enthält vielmehr
die Bezeichnung "Dornrosenbuch" gar nicht,
sondern bringt koordinierend die Titel von
sechzehn Erzählungen und Aufsätzen, und es
scheint, daß sie bis auf die fünf letzten dem
Hauptwerk angehören, das aber, wie es
wiederum scheint, im Original weit umfang¬
reicher ist. Um von der Art und Mannig¬
faltigkeit dieses Werkes eines bei uns noch so
ganz iunbekannten Dichters einen Begriff zu
geben, scheint es am besten, ihn mit bekannteren
Dichtern zu vergleichen, an die er erinnert.
Und solche Vergleiche drängen sich bei der
Lektüre vielfach auf. Damit soll aber Alm-
auist keineswegs die Originalität abgesprochen
werden; ist er doch vielfach der ältere. So
war Scina Lagerlöf erst acht Jahre alt, als
Almcmist starb, und wenn uns die einleitende
Erzählung "Das Jagdschloß" lebhaft an Gösta
Berling erinnerte, so mag das einfach an dem
gemeinsamen schwedischen Heimatboden liegen.
Die kleinen Stücke "Die Tränen der Schön¬
heit" und "Des Dichters Macht" würden wohl,
Wenn sie in Jean Pauls Werken ständen, als
für diesen besonders charakteristisch angesehen
werden. Die größere Erzählung "Es geht
an", durch die der Dichter ein unliebsames
Aufsehen erregte, wie wir, an schärfere Kost

[Spaltenumbruch]

gewöhnt, es uns kaum vorstellen können,
gleicht in der fabelhaft genauen und plastischen
Schilderung manchen Geschichten Adalbert
Stifters. Was ihren Inhalt so sKocKinZ
machte, war, daß hier das Problem der kor¬
rekten Ehe mit leisem Skeptizismus behandelt
wird. "Der Palast" ist, worauf schon Mens
in der Einleitung hinweist, tatsächlich durch¬
aus lui Stil der Schauergeschichten von Edgar
Allen Poe gehalten, und hier wäre es denn
nicht uninteressant, zu wissen, ob dem Schweden
oder dein Amerikaner die Priorität in dem
Genre zukommt. Noch schauriger beinahe ist
"Die Urne", bei der einen übrigens die
blutige Ironie der Schlußpointe voltaireisch
anmutet. Voltaireisch, ja übervoltaireisch ist
auch das Stück "Armuz und Ahoriman", das,
mit dem Herausgeber zu reden, ein böses
Spiel mit der Bureaukratie und mit jeder
ArtPharisäertums treibt. Das sizilische Drama
"Donna Luna" endlich, aus dem uns ein
kühles Grausen entgegenweht, würde unter
Victor Hugos Werken wie zu Hause sein.
Dies ist Wohl das letzte Stück, das zum
Dornrosenbuch gehört.

Nun folgen noch einige sehr originelle
Aufsätze über ästhetische und soziale Probleme,
so einer über "Die Zukunft der Musik".
Almquist war nämlich, was seine Vielseitigkeit
noch unheimlicher erscheinen läßt, auch Kom¬
ponist. Kurz, er war alles in allem, einer
der seltsamsten und begabtesten Menschen, die
je gelebt haben.

Dr. <Z). A. Lllissen
Pädagogik

Zwei schneidige Broschüren liegen mir vor:
Julius Ruhla: Schulelend und kein Ende.
(Leipzig, Quelle und Meyer) und Wilhelm
Victor: Das Ende der Schulreform? (Mar¬
burg, Elwert). Ruskas Schrift ist eine Ab¬
wehr der Angriffe Ostwalds auf die Höheren
Schulen und ihre Lehrer; seit Jahren predigt
Ostwald seinenKreuzzug gegen unsere Bildungs¬
anstalten, und es wurde ihm schon häufig
seine Einseitigkeit gegenüber den Geisteswissen¬
schaften vorgeworfen; die beschränkte Ansicht,
daß nur von den Naturwissenschaften das Heil
für die zukünftigen Generationen zu erwarten
sei, hat auch bei denen Kopfschütteln erregt,
die Ostwalds Anregungen mit Freuden be-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lungen geschrieben, von denen die zwei bor¬
liegenden Bände Wohl nur den kleinsten,
hoffentlich aber wertbollsten Teil enthalten.
Eröffnet wird die Sammlung (ob ganz glück¬
lich?) durch dramatische Szenen: „Immer
hübsch kritisch", in denen der Dichter sich,
Moliöres Lriiiquö ete I'üeole ach tsmmes
nachahmend,mit seinem Publikum auseinander¬
setzt. Auch Gogol hat sein Lustspiel „Der
Revisor" mit einem Nachspiel versehen, in
dem das natürlich meist gedankenlose und
törichte Publikum redend eingeführt und
Persifliert wird, und am Schluß eines klassi¬
schen Werkes läßt man sich eine solche Kritik
alberner Kritik Wohl gefallen. Als Einführung
wirkt sie doch etwas seltsam. Almcmists Haupt¬
werk ist das Dornrosenbuch, vielmehr: seine
Hauptwerke hat er unter diesem Titel mit¬
tels einer Rahmenerzählung zusammengefaßt.
Offenbar gehört dazu auch der größere Teil
der beiden deutschen Bände. Aber Genaues
über das Verhältnis erfahren wir leider wieder
weder aus der Einleitung noch aus dem
Inhaltsverzeichnis. Dieses enthält vielmehr
die Bezeichnung „Dornrosenbuch" gar nicht,
sondern bringt koordinierend die Titel von
sechzehn Erzählungen und Aufsätzen, und es
scheint, daß sie bis auf die fünf letzten dem
Hauptwerk angehören, das aber, wie es
wiederum scheint, im Original weit umfang¬
reicher ist. Um von der Art und Mannig¬
faltigkeit dieses Werkes eines bei uns noch so
ganz iunbekannten Dichters einen Begriff zu
geben, scheint es am besten, ihn mit bekannteren
Dichtern zu vergleichen, an die er erinnert.
Und solche Vergleiche drängen sich bei der
Lektüre vielfach auf. Damit soll aber Alm-
auist keineswegs die Originalität abgesprochen
werden; ist er doch vielfach der ältere. So
war Scina Lagerlöf erst acht Jahre alt, als
Almcmist starb, und wenn uns die einleitende
Erzählung „Das Jagdschloß" lebhaft an Gösta
Berling erinnerte, so mag das einfach an dem
gemeinsamen schwedischen Heimatboden liegen.
Die kleinen Stücke „Die Tränen der Schön¬
heit" und „Des Dichters Macht" würden wohl,
Wenn sie in Jean Pauls Werken ständen, als
für diesen besonders charakteristisch angesehen
werden. Die größere Erzählung „Es geht
an", durch die der Dichter ein unliebsames
Aufsehen erregte, wie wir, an schärfere Kost

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gewöhnt, es uns kaum vorstellen können,
gleicht in der fabelhaft genauen und plastischen
Schilderung manchen Geschichten Adalbert
Stifters. Was ihren Inhalt so sKocKinZ
machte, war, daß hier das Problem der kor¬
rekten Ehe mit leisem Skeptizismus behandelt
wird. „Der Palast" ist, worauf schon Mens
in der Einleitung hinweist, tatsächlich durch¬
aus lui Stil der Schauergeschichten von Edgar
Allen Poe gehalten, und hier wäre es denn
nicht uninteressant, zu wissen, ob dem Schweden
oder dein Amerikaner die Priorität in dem
Genre zukommt. Noch schauriger beinahe ist
„Die Urne", bei der einen übrigens die
blutige Ironie der Schlußpointe voltaireisch
anmutet. Voltaireisch, ja übervoltaireisch ist
auch das Stück „Armuz und Ahoriman", das,
mit dem Herausgeber zu reden, ein böses
Spiel mit der Bureaukratie und mit jeder
ArtPharisäertums treibt. Das sizilische Drama
„Donna Luna" endlich, aus dem uns ein
kühles Grausen entgegenweht, würde unter
Victor Hugos Werken wie zu Hause sein.
Dies ist Wohl das letzte Stück, das zum
Dornrosenbuch gehört.

Nun folgen noch einige sehr originelle
Aufsätze über ästhetische und soziale Probleme,
so einer über „Die Zukunft der Musik".
Almquist war nämlich, was seine Vielseitigkeit
noch unheimlicher erscheinen läßt, auch Kom¬
ponist. Kurz, er war alles in allem, einer
der seltsamsten und begabtesten Menschen, die
je gelebt haben.

Dr. <Z). A. Lllissen
Pädagogik

Zwei schneidige Broschüren liegen mir vor:
Julius Ruhla: Schulelend und kein Ende.
(Leipzig, Quelle und Meyer) und Wilhelm
Victor: Das Ende der Schulreform? (Mar¬
burg, Elwert). Ruskas Schrift ist eine Ab¬
wehr der Angriffe Ostwalds auf die Höheren
Schulen und ihre Lehrer; seit Jahren predigt
Ostwald seinenKreuzzug gegen unsere Bildungs¬
anstalten, und es wurde ihm schon häufig
seine Einseitigkeit gegenüber den Geisteswissen¬
schaften vorgeworfen; die beschränkte Ansicht,
daß nur von den Naturwissenschaften das Heil
für die zukünftigen Generationen zu erwarten
sei, hat auch bei denen Kopfschütteln erregt,
die Ostwalds Anregungen mit Freuden be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/502>, abgerufen am 19.05.2024.