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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

leuchtet mir nicht im Wissen, sondern im Ge¬
wissen," heißt es dort. Die Ewigkeit will nicht
erkannt, sie will erlebt sein, denn das Wan¬
dellose, Ewige erschließt sich uns in der Ge¬
stalt des Wertbewußtseins.

Keiner, welcher Geistesrichtung er an¬
gehören mag, wird beim Lesen der "Prä¬
ludien" völlig leer ausgehen. Hier leben
wundervolle Harmonien, die in einer synthe¬
tischen Verarbeitung zur dotieren Entfaltung
gelangen, nie aber ihren Eigenwert einbüßen
können. Die Sammlung ist allzu verbreitet,
als daß eine eingehendere Besprechung am
Platze wäre. So mag der Hinweis auf die
Neuauflage genügen, um recht viele zum Lesen
M. R. der feinsinnigen Essays anzuregen.

Kulturgeschichte!
Eine Vermutung zum Thema vom Rübe¬

zahl.

Seit längerer Zeit ist festgestellt, daß
der schlesische Berggeist Rübezahl erst im Ge¬
folg der deutschen Zuwanderung nach dem
Riesengebirge gelangte und ursprünglich im
Harz gehaust hatte. Er hat dort freilich den
charakteristischen Namen eingebüßt und sich in
den "wilden Mann" verwandelt, was aber
die Ähnlichkeit mit dem östlichen Ableger nicht
beeinträchtigte. Der Berggeist ist dämonischer,
also halbgöttlicher Art; er hütet die unter¬
irdischen Naturschätze, gibt zuweilen mild und
überreichlich davon her, hat aber häufig An¬
fälle von Bosheit und Grausamkeit. Dann
täuscht er die Menschen oder bringt sie gar
um. Kurzum, er Personifiziert die Extreme
des Bergmannsglücks. Richtig ist auch die
jetzige Deutung: Rübezahl Rübenzagel
iNübenschwanz). Aber es spricht vorweg vieles
dagegen, daß der ursprüngliche Sinn dieser
Bezeichnung Hohn und Schimpf enthielt,
wenn auch die jüngeren RiesengebirgSlegenden
des Geistes Empfindlichkeit gegen den ver¬
meintlich herabsetzenden Namen stark unter¬
streichen. Nun erfolgte die deutsche Koloni¬
sation des Riesengebirges, Glatzer Schnee¬
gebirges und des Geheules seit dem dreizehnten
Jahrhundert von Thüringen und Sachsen her;
sie entwickelte den Bergbau erst nach und
nach. Im Schneegebirge kam er höchstens
sporadisch in Angriff, es gibt dort auch keinen
Rübezahl. Wohl aber kennt diese Bevölkerung
eine Pflanze solchen Namens ("Rübazehl" im

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Dialekt), und zwar den buschigen Schachtel'
Halm (Lquisetum arvense), der meistens als
Unkraut zwischen Rüben, öfter noch im Flachs
und dann vorwiegend bei feuchtem Boden
auftritt. Die Ursache der Benennung ist klar:
der junge Schachtelhalm fingiert den Busch
der Rübe, enttäuscht aber beim Herausziehen.

Wenn sich Rübezahl also an sozusagen
neutraler Stelle als unverfänglicher Pslanzen-
name erhalten hat, dann scheint es erlaubt,
an die Möglichkeit zu denken, daß der Berg¬
geist erst durch eine Bezugnahme auf den
Schachtelhalm zum Rübezahl wurde. Da
fällt ins Auge, daß die örtlich so verschiedenen
Festtrachten der Bergknappen einen Federbusch
bevorzugen, der die Kopfbedeckung überragt.
Es sind immer ältere Kostüme, in denen
Paradiert wird, aber seltsam wäre doch, daß
man einmal gar mit Federbüschen in die
niederen Gänge der Tiefe fuhr, wo sie noch
um ein gut Teil schlechter hinpaßten, als etwa
Stiefelsporen auf ein Schiffsdeck. Vielleicht
ersetzt heut der kleidsame Federbusch ein
älteres Symbol -- den Schachtelhalmbusch,
mit dessen Gestalt er in der Tat hinreichende
Ähnlichkeit besitzt. Dann wäre auch anzu¬
nehmen, daß dieser "Rübenzagel" als ein
notwendiges Schutzabzeichen für den Häuer
gedacht war, durch das er sich und sein Werk
dem Gebieter der Tiefe empfahl. Der letzte
Schritt, die Übertragung des Symbols in
Benennungsform auf den Berggeist selbst,
vollzog sich in diesem Falle unschwer, ge¬
fördert Wohl noch durch den Druck, den die
Kirche auf alle solche Vorstellungen ausübte.
Doch auch an freien Beispielen fehlte es dafür
nicht: neben Heinrich dem Löwen, Albrecht
demi Bären heißen andere Personen schon
einfach Plantagenet, Zipolla oder Weißer Eber.

Hiernach stände nur der Erklärungsversuch
noch aus, wodurch denn der Schachtelhalm
in Aufnahme kam. Wahrscheinlich wäre, daß
man in alter Zeit an gewissen Stellen im
Vorkommen des Schachtelhalms (neben an¬
deren Merkzeichen vielleicht) das entscheidende
Kriterium des verborgenen Bergsegens gesehen
hat. Die Rolle der Flora bei Muthungen ist
wohlbekannt. So verrät Viola LalAmmaria
Zinkerzlager, besonders Galmei - Schichten,
Lonvolvulus slttiaeoicles hingegen den
Phosphorit, und in Amerika gibt es ver-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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leuchtet mir nicht im Wissen, sondern im Ge¬
wissen," heißt es dort. Die Ewigkeit will nicht
erkannt, sie will erlebt sein, denn das Wan¬
dellose, Ewige erschließt sich uns in der Ge¬
stalt des Wertbewußtseins.

Keiner, welcher Geistesrichtung er an¬
gehören mag, wird beim Lesen der „Prä¬
ludien" völlig leer ausgehen. Hier leben
wundervolle Harmonien, die in einer synthe¬
tischen Verarbeitung zur dotieren Entfaltung
gelangen, nie aber ihren Eigenwert einbüßen
können. Die Sammlung ist allzu verbreitet,
als daß eine eingehendere Besprechung am
Platze wäre. So mag der Hinweis auf die
Neuauflage genügen, um recht viele zum Lesen
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Kulturgeschichte!
Eine Vermutung zum Thema vom Rübe¬

zahl.

Seit längerer Zeit ist festgestellt, daß
der schlesische Berggeist Rübezahl erst im Ge¬
folg der deutschen Zuwanderung nach dem
Riesengebirge gelangte und ursprünglich im
Harz gehaust hatte. Er hat dort freilich den
charakteristischen Namen eingebüßt und sich in
den „wilden Mann" verwandelt, was aber
die Ähnlichkeit mit dem östlichen Ableger nicht
beeinträchtigte. Der Berggeist ist dämonischer,
also halbgöttlicher Art; er hütet die unter¬
irdischen Naturschätze, gibt zuweilen mild und
überreichlich davon her, hat aber häufig An¬
fälle von Bosheit und Grausamkeit. Dann
täuscht er die Menschen oder bringt sie gar
um. Kurzum, er Personifiziert die Extreme
des Bergmannsglücks. Richtig ist auch die
jetzige Deutung: Rübezahl Rübenzagel
iNübenschwanz). Aber es spricht vorweg vieles
dagegen, daß der ursprüngliche Sinn dieser
Bezeichnung Hohn und Schimpf enthielt,
wenn auch die jüngeren RiesengebirgSlegenden
des Geistes Empfindlichkeit gegen den ver¬
meintlich herabsetzenden Namen stark unter¬
streichen. Nun erfolgte die deutsche Koloni¬
sation des Riesengebirges, Glatzer Schnee¬
gebirges und des Geheules seit dem dreizehnten
Jahrhundert von Thüringen und Sachsen her;
sie entwickelte den Bergbau erst nach und
nach. Im Schneegebirge kam er höchstens
sporadisch in Angriff, es gibt dort auch keinen
Rübezahl. Wohl aber kennt diese Bevölkerung
eine Pflanze solchen Namens („Rübazehl" im

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Dialekt), und zwar den buschigen Schachtel'
Halm (Lquisetum arvense), der meistens als
Unkraut zwischen Rüben, öfter noch im Flachs
und dann vorwiegend bei feuchtem Boden
auftritt. Die Ursache der Benennung ist klar:
der junge Schachtelhalm fingiert den Busch
der Rübe, enttäuscht aber beim Herausziehen.

Wenn sich Rübezahl also an sozusagen
neutraler Stelle als unverfänglicher Pslanzen-
name erhalten hat, dann scheint es erlaubt,
an die Möglichkeit zu denken, daß der Berg¬
geist erst durch eine Bezugnahme auf den
Schachtelhalm zum Rübezahl wurde. Da
fällt ins Auge, daß die örtlich so verschiedenen
Festtrachten der Bergknappen einen Federbusch
bevorzugen, der die Kopfbedeckung überragt.
Es sind immer ältere Kostüme, in denen
Paradiert wird, aber seltsam wäre doch, daß
man einmal gar mit Federbüschen in die
niederen Gänge der Tiefe fuhr, wo sie noch
um ein gut Teil schlechter hinpaßten, als etwa
Stiefelsporen auf ein Schiffsdeck. Vielleicht
ersetzt heut der kleidsame Federbusch ein
älteres Symbol — den Schachtelhalmbusch,
mit dessen Gestalt er in der Tat hinreichende
Ähnlichkeit besitzt. Dann wäre auch anzu¬
nehmen, daß dieser „Rübenzagel" als ein
notwendiges Schutzabzeichen für den Häuer
gedacht war, durch das er sich und sein Werk
dem Gebieter der Tiefe empfahl. Der letzte
Schritt, die Übertragung des Symbols in
Benennungsform auf den Berggeist selbst,
vollzog sich in diesem Falle unschwer, ge¬
fördert Wohl noch durch den Druck, den die
Kirche auf alle solche Vorstellungen ausübte.
Doch auch an freien Beispielen fehlte es dafür
nicht: neben Heinrich dem Löwen, Albrecht
demi Bären heißen andere Personen schon
einfach Plantagenet, Zipolla oder Weißer Eber.

Hiernach stände nur der Erklärungsversuch
noch aus, wodurch denn der Schachtelhalm
in Aufnahme kam. Wahrscheinlich wäre, daß
man in alter Zeit an gewissen Stellen im
Vorkommen des Schachtelhalms (neben an¬
deren Merkzeichen vielleicht) das entscheidende
Kriterium des verborgenen Bergsegens gesehen
hat. Die Rolle der Flora bei Muthungen ist
wohlbekannt. So verrät Viola LalAmmaria
Zinkerzlager, besonders Galmei - Schichten,
Lonvolvulus slttiaeoicles hingegen den
Phosphorit, und in Amerika gibt es ver-

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[0552] Maßgebliches und Unmaßgebliches leuchtet mir nicht im Wissen, sondern im Ge¬ wissen," heißt es dort. Die Ewigkeit will nicht erkannt, sie will erlebt sein, denn das Wan¬ dellose, Ewige erschließt sich uns in der Ge¬ stalt des Wertbewußtseins. Keiner, welcher Geistesrichtung er an¬ gehören mag, wird beim Lesen der „Prä¬ ludien" völlig leer ausgehen. Hier leben wundervolle Harmonien, die in einer synthe¬ tischen Verarbeitung zur dotieren Entfaltung gelangen, nie aber ihren Eigenwert einbüßen können. Die Sammlung ist allzu verbreitet, als daß eine eingehendere Besprechung am Platze wäre. So mag der Hinweis auf die Neuauflage genügen, um recht viele zum Lesen M. R. der feinsinnigen Essays anzuregen. Kulturgeschichte! Eine Vermutung zum Thema vom Rübe¬ zahl. Seit längerer Zeit ist festgestellt, daß der schlesische Berggeist Rübezahl erst im Ge¬ folg der deutschen Zuwanderung nach dem Riesengebirge gelangte und ursprünglich im Harz gehaust hatte. Er hat dort freilich den charakteristischen Namen eingebüßt und sich in den „wilden Mann" verwandelt, was aber die Ähnlichkeit mit dem östlichen Ableger nicht beeinträchtigte. Der Berggeist ist dämonischer, also halbgöttlicher Art; er hütet die unter¬ irdischen Naturschätze, gibt zuweilen mild und überreichlich davon her, hat aber häufig An¬ fälle von Bosheit und Grausamkeit. Dann täuscht er die Menschen oder bringt sie gar um. Kurzum, er Personifiziert die Extreme des Bergmannsglücks. Richtig ist auch die jetzige Deutung: Rübezahl Rübenzagel iNübenschwanz). Aber es spricht vorweg vieles dagegen, daß der ursprüngliche Sinn dieser Bezeichnung Hohn und Schimpf enthielt, wenn auch die jüngeren RiesengebirgSlegenden des Geistes Empfindlichkeit gegen den ver¬ meintlich herabsetzenden Namen stark unter¬ streichen. Nun erfolgte die deutsche Koloni¬ sation des Riesengebirges, Glatzer Schnee¬ gebirges und des Geheules seit dem dreizehnten Jahrhundert von Thüringen und Sachsen her; sie entwickelte den Bergbau erst nach und nach. Im Schneegebirge kam er höchstens sporadisch in Angriff, es gibt dort auch keinen Rübezahl. Wohl aber kennt diese Bevölkerung eine Pflanze solchen Namens („Rübazehl" im Dialekt), und zwar den buschigen Schachtel' Halm (Lquisetum arvense), der meistens als Unkraut zwischen Rüben, öfter noch im Flachs und dann vorwiegend bei feuchtem Boden auftritt. Die Ursache der Benennung ist klar: der junge Schachtelhalm fingiert den Busch der Rübe, enttäuscht aber beim Herausziehen. Wenn sich Rübezahl also an sozusagen neutraler Stelle als unverfänglicher Pslanzen- name erhalten hat, dann scheint es erlaubt, an die Möglichkeit zu denken, daß der Berg¬ geist erst durch eine Bezugnahme auf den Schachtelhalm zum Rübezahl wurde. Da fällt ins Auge, daß die örtlich so verschiedenen Festtrachten der Bergknappen einen Federbusch bevorzugen, der die Kopfbedeckung überragt. Es sind immer ältere Kostüme, in denen Paradiert wird, aber seltsam wäre doch, daß man einmal gar mit Federbüschen in die niederen Gänge der Tiefe fuhr, wo sie noch um ein gut Teil schlechter hinpaßten, als etwa Stiefelsporen auf ein Schiffsdeck. Vielleicht ersetzt heut der kleidsame Federbusch ein älteres Symbol — den Schachtelhalmbusch, mit dessen Gestalt er in der Tat hinreichende Ähnlichkeit besitzt. Dann wäre auch anzu¬ nehmen, daß dieser „Rübenzagel" als ein notwendiges Schutzabzeichen für den Häuer gedacht war, durch das er sich und sein Werk dem Gebieter der Tiefe empfahl. Der letzte Schritt, die Übertragung des Symbols in Benennungsform auf den Berggeist selbst, vollzog sich in diesem Falle unschwer, ge¬ fördert Wohl noch durch den Druck, den die Kirche auf alle solche Vorstellungen ausübte. Doch auch an freien Beispielen fehlte es dafür nicht: neben Heinrich dem Löwen, Albrecht demi Bären heißen andere Personen schon einfach Plantagenet, Zipolla oder Weißer Eber. Hiernach stände nur der Erklärungsversuch noch aus, wodurch denn der Schachtelhalm in Aufnahme kam. Wahrscheinlich wäre, daß man in alter Zeit an gewissen Stellen im Vorkommen des Schachtelhalms (neben an¬ deren Merkzeichen vielleicht) das entscheidende Kriterium des verborgenen Bergsegens gesehen hat. Die Rolle der Flora bei Muthungen ist wohlbekannt. So verrät Viola LalAmmaria Zinkerzlager, besonders Galmei - Schichten, Lonvolvulus slttiaeoicles hingegen den Phosphorit, und in Amerika gibt es ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/552>, abgerufen am 26.05.2024.