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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Aber wäre es denn zum ersten Male, daß Hohes und niedriges zum
guten Zwecke vereint worden wären? Kein Wohltätigkeitsbasar könnte statt¬
finden, wenn ganz allein auf den Edelsinn der Menschen gerechnet würde. So
verfehmt sonst das Wort ist, es gibt doch Fälle, wo der Zweck das Mittel
heiligt. Es handelt sich, kurz gesagt, um ein Mittel, Millionen guter Bücher
in die Wohnungen hineinzubringen, wo sie, wenn auch zunächst mit sauersüßem
Lächeln, als "Gewinne" aufgenommen würden.

Oder glaubt man, die geplante Einrichtung werde mißachtet werden? Die
Spieler würden, enttäuscht ob des entgangenen und, ach, wie sehnsüchtig
erwarteten Geldgewinnes auf die Durchsicht des Verzeichnisses der "Lotterie¬
bücher" und auf den Gang zum Buchhändler verzichten?

Dagegen spricht alle Erfahrung. Der Erwerbssinn wird mitsprechen. Für
sehr viele unserer lieben Mitmenschen ist heute gewiß die Versorgung mit
geistiger Nahrung die allergeringste Sorge. Und doch ist es ebenso Tatsache,
daß heute der Bildungsdrang mehr und mehr die Massen erfaßt. Ganz gewiß
wird manches Buch, das wir nach unserem Vorschlage aus dem Laden in die
Wohnungen schaffen wollen, nicht zu den Ehren kommen, die es verdient; aber
ebenso sicher werden Tausende, ja mit der Zeit Millionen von Büchern ihrem
Berufe, auf die Menschen zu wirken, zugeführt werden.

Man bringe gute Bücher unter die Leute. Das ist der Endzweck, den
wir im Auge haben.




Frühlingsfluten
von G, Tschlllkow
Ans dem Russische" übcltragcil von L, Rocppcn

F'-M^U)
W>5ÄROM
WKHAonja Kaürina trat ins Freie; es war Nacht, aber alles herum schien
!so hell wie am Tage. Die Erde, das Haus, die Ställe und die
niedrigen Gebäude, in denen das Gold gewaschen wurde, leuchteten
!weiß wie Kreide. Und es war unbegreiflich, woher dieser lichte
I Glanz stammte.

Ein leiser Schauer überrieselte Sonja Kaürina in der feuchtwarmen, weißen
Frühlingsnacht.

"Ich fürchte mich, Fräulein, ach, ich fürchte mich so sehr", sagte Marfuscha.
Sie trug den kleinen Koffer und ein Kissen nebst Plaid."

"Sei nicht bange, Marfuscha. . . Aber wo ist denn Stepan?

"Hinter dem Stall, Fräulein."

Stepan und die Pferde sahen im weißen Licht der Frühlingshelle ungewöhnlich
und geheimnisvoll aus. Das feuchte Murmeln des Flusses schien lebendig und


Frnhlmasfinten

Aber wäre es denn zum ersten Male, daß Hohes und niedriges zum
guten Zwecke vereint worden wären? Kein Wohltätigkeitsbasar könnte statt¬
finden, wenn ganz allein auf den Edelsinn der Menschen gerechnet würde. So
verfehmt sonst das Wort ist, es gibt doch Fälle, wo der Zweck das Mittel
heiligt. Es handelt sich, kurz gesagt, um ein Mittel, Millionen guter Bücher
in die Wohnungen hineinzubringen, wo sie, wenn auch zunächst mit sauersüßem
Lächeln, als „Gewinne" aufgenommen würden.

Oder glaubt man, die geplante Einrichtung werde mißachtet werden? Die
Spieler würden, enttäuscht ob des entgangenen und, ach, wie sehnsüchtig
erwarteten Geldgewinnes auf die Durchsicht des Verzeichnisses der „Lotterie¬
bücher" und auf den Gang zum Buchhändler verzichten?

Dagegen spricht alle Erfahrung. Der Erwerbssinn wird mitsprechen. Für
sehr viele unserer lieben Mitmenschen ist heute gewiß die Versorgung mit
geistiger Nahrung die allergeringste Sorge. Und doch ist es ebenso Tatsache,
daß heute der Bildungsdrang mehr und mehr die Massen erfaßt. Ganz gewiß
wird manches Buch, das wir nach unserem Vorschlage aus dem Laden in die
Wohnungen schaffen wollen, nicht zu den Ehren kommen, die es verdient; aber
ebenso sicher werden Tausende, ja mit der Zeit Millionen von Büchern ihrem
Berufe, auf die Menschen zu wirken, zugeführt werden.

Man bringe gute Bücher unter die Leute. Das ist der Endzweck, den
wir im Auge haben.




Frühlingsfluten
von G, Tschlllkow
Ans dem Russische» übcltragcil von L, Rocppcn

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WKHAonja Kaürina trat ins Freie; es war Nacht, aber alles herum schien
!so hell wie am Tage. Die Erde, das Haus, die Ställe und die
niedrigen Gebäude, in denen das Gold gewaschen wurde, leuchteten
!weiß wie Kreide. Und es war unbegreiflich, woher dieser lichte
I Glanz stammte.

Ein leiser Schauer überrieselte Sonja Kaürina in der feuchtwarmen, weißen
Frühlingsnacht.

„Ich fürchte mich, Fräulein, ach, ich fürchte mich so sehr", sagte Marfuscha.
Sie trug den kleinen Koffer und ein Kissen nebst Plaid."

„Sei nicht bange, Marfuscha. . . Aber wo ist denn Stepan?

„Hinter dem Stall, Fräulein."

Stepan und die Pferde sahen im weißen Licht der Frühlingshelle ungewöhnlich
und geheimnisvoll aus. Das feuchte Murmeln des Flusses schien lebendig und


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[0087] Frnhlmasfinten Aber wäre es denn zum ersten Male, daß Hohes und niedriges zum guten Zwecke vereint worden wären? Kein Wohltätigkeitsbasar könnte statt¬ finden, wenn ganz allein auf den Edelsinn der Menschen gerechnet würde. So verfehmt sonst das Wort ist, es gibt doch Fälle, wo der Zweck das Mittel heiligt. Es handelt sich, kurz gesagt, um ein Mittel, Millionen guter Bücher in die Wohnungen hineinzubringen, wo sie, wenn auch zunächst mit sauersüßem Lächeln, als „Gewinne" aufgenommen würden. Oder glaubt man, die geplante Einrichtung werde mißachtet werden? Die Spieler würden, enttäuscht ob des entgangenen und, ach, wie sehnsüchtig erwarteten Geldgewinnes auf die Durchsicht des Verzeichnisses der „Lotterie¬ bücher" und auf den Gang zum Buchhändler verzichten? Dagegen spricht alle Erfahrung. Der Erwerbssinn wird mitsprechen. Für sehr viele unserer lieben Mitmenschen ist heute gewiß die Versorgung mit geistiger Nahrung die allergeringste Sorge. Und doch ist es ebenso Tatsache, daß heute der Bildungsdrang mehr und mehr die Massen erfaßt. Ganz gewiß wird manches Buch, das wir nach unserem Vorschlage aus dem Laden in die Wohnungen schaffen wollen, nicht zu den Ehren kommen, die es verdient; aber ebenso sicher werden Tausende, ja mit der Zeit Millionen von Büchern ihrem Berufe, auf die Menschen zu wirken, zugeführt werden. Man bringe gute Bücher unter die Leute. Das ist der Endzweck, den wir im Auge haben. Frühlingsfluten von G, Tschlllkow Ans dem Russische» übcltragcil von L, Rocppcn F'-M^U) W>5ÄROM WKHAonja Kaürina trat ins Freie; es war Nacht, aber alles herum schien !so hell wie am Tage. Die Erde, das Haus, die Ställe und die niedrigen Gebäude, in denen das Gold gewaschen wurde, leuchteten !weiß wie Kreide. Und es war unbegreiflich, woher dieser lichte I Glanz stammte. Ein leiser Schauer überrieselte Sonja Kaürina in der feuchtwarmen, weißen Frühlingsnacht. „Ich fürchte mich, Fräulein, ach, ich fürchte mich so sehr", sagte Marfuscha. Sie trug den kleinen Koffer und ein Kissen nebst Plaid." „Sei nicht bange, Marfuscha. . . Aber wo ist denn Stepan? „Hinter dem Stall, Fräulein." Stepan und die Pferde sahen im weißen Licht der Frühlingshelle ungewöhnlich und geheimnisvoll aus. Das feuchte Murmeln des Flusses schien lebendig und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/87>, abgerufen am 19.05.2024.