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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Zentrum die streng und einseitig katholische
Richtung, also die Berliner, während die
Kölner, da sie gewissen Erfordernissen der
Zeit Rechnung tragen will, mehr nach "links"
neigt; wer von den Nationalliberalen
an Bennigsens Anschauungen hängt, steht
rechts, wer die Weiterbildung oder den Um-
denkungsprozeß will, links; also stehen Lede-
bour und Kautsky auf dem rechten Flügel
der Sozialdemokratie, Südekum und Linde¬
mann auf dem linken. Rechts und links
würden sich dann mit jung und alt ziemlich
decken; nur daß natürlich wieder über das
Wesen der alten Lehre Streit entstehen kann.
Die Pankower Richtung innerhalb der Kon¬
servativen ist in der Öffentlichkeit gelegentlich
als jungkonservativ bezeichnet worden; ob von
den Anhängern der Richtung, ist nicht bekannt;
taktisch klug wäre es gewesen, wenn die Pan¬
kower selbst sich altkonservativ genannt und
damit den Anspruch erhoben hätten, die "alten,
guten" Überlieferungen weiter zu Pflegen.
Tivoliprogramm und Bund der Landwirte
waren für die konservative Partei seinerzeit
eine Neuerung; von manchen Konservativen
werden diese Erscheinungen damals als etwas
empfunden worden sein, was von links kommt
oder nach links hinführt; die Neuerungen
sind jedoch inzwischen in den Begriff der kon¬
servativen Partei aufgenommen worden und
heute Pflegt man die Bündlerführer zum
rechten Flügel der konservativen Partei zu
Dr. Johann Johannsen rechnen.

Literatur
"Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen..."
Eine Erzählung aus Rheinhessen von Richard
Knies. Konrad W. Mecklenburg vorm. Nichter-
scher Verlag in Berlin. 1911.

Richard Knies erzählt eine Dorfgeschichte.
Sie ist bodenständig in der Form, schlicht in
der Zeichnung, inhaltlich auf wenige Töne ge¬
stimmt, die sich nach einem Anlauf zur Disso¬
nanz harmonisch verweben, -- alles in allein
sehr ansprechend.

Dem Nachtwächter eines rheinhessischen
Dorfes wird der Dienst auf seine alten Tage
zu beschwerlich und der Gemeinderat gibt ihm
zur Entlastung einen zweiten Nachtwächter zur
Seite. Als dieser zum erstenmal die Wache
hält, glaubt er um seines Luthertums willen

[Spaltenumbruch]

das alte Nachtwächtcrsprüchlein: Hört, ihr
Herrn, und laßt euch sagen, die Glocke hat
zehn Uhr geschlagen, lobet Gott und Maria I
um das Lob der Maria verkürzen zu müssen.
Darob große Aufregung im katholischen Dorf.
In der nächsten Nacht wird er von der glau¬
bensstarken Jugend überfallen und bleibt be¬
wußtlos liegen. Sein alter Kollege, dem die
Verunglimpfung seines Spruches am meisten
zu Herzen geht, kommt hinzu, bewahrt ihn
vor dem Schlimmsten und sorgt für seine
Wiederherstellung. Um ihm den Posten zu
erhalten und dabei die Maria in ihren An¬
sprüchen nicht zu verkürzen, verfällt er auf
den erleuchteten Gedanken, in den Nächten,
Wenn ihm die Wache anvertraut ist, das Lob
der Maria stündlich zweimal zu singen.

Der Nachtwächter ist in unserer Literatur
eine nicht seltene und gern gesehene Gestalt.
Knies' Nachtwächterpaar läßt sich den besten
Schilderungen dieser Leute, die im Dunkeln
für allerlei Menschliches sehend werden und
manchen stillen Gedanken unter den Sternen
spinnen, an die Seite stellen. Nicht minder
gelungen ist ihm die Gestalt der Regime, der
resoluter Dorfxantippe, deren rauhe Schale
einen guten Kern birgt. Der rheinhessische
Dialekt, dessen sich die Bauern der Erzählung
bedienen, ist auch für den Nordländer beim
Lesen leicht verständlich. Er trägt wesentlich
dazu bei, uns das Milieu lebendig vor Augen
zu führen.

Wer durch die Erzählung "Franz Weilers
Martyrium" (Grenzboten 1912, Ur. 10, 11,
12 und 13) für das starke Talent von Richard
Knies Interesse gewonnen hat, wird die vor¬
liegende anspruchslose, etwas breite aber doch
durchaus künstlerisch gestaltete Dorfgeschichte
gern lesen und ihm wird auch die Kunde
willkommen sein, daß die Grenzboten in diesen?
Quartal mit der Veröffentlichung eines grö¬
ßeren Romans aus der Feder dieses jungen
M. A. Dichters beginnen werden.

Schiller, sein Leben und Schaffen.
Dem deutschen Volke erzählt von Albert
Ludwig. Nllstein u. Co. Berlin--Wien. 1912.

Die vorliegende Biographie will nach den
Worten des Verfassers versuchen, das Leben
und Schaffen dieses geliebtesten der deutschen
Dichter weiten Kreisen des Volkes unter dem

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Zentrum die streng und einseitig katholische
Richtung, also die Berliner, während die
Kölner, da sie gewissen Erfordernissen der
Zeit Rechnung tragen will, mehr nach „links"
neigt; wer von den Nationalliberalen
an Bennigsens Anschauungen hängt, steht
rechts, wer die Weiterbildung oder den Um-
denkungsprozeß will, links; also stehen Lede-
bour und Kautsky auf dem rechten Flügel
der Sozialdemokratie, Südekum und Linde¬
mann auf dem linken. Rechts und links
würden sich dann mit jung und alt ziemlich
decken; nur daß natürlich wieder über das
Wesen der alten Lehre Streit entstehen kann.
Die Pankower Richtung innerhalb der Kon¬
servativen ist in der Öffentlichkeit gelegentlich
als jungkonservativ bezeichnet worden; ob von
den Anhängern der Richtung, ist nicht bekannt;
taktisch klug wäre es gewesen, wenn die Pan¬
kower selbst sich altkonservativ genannt und
damit den Anspruch erhoben hätten, die „alten,
guten" Überlieferungen weiter zu Pflegen.
Tivoliprogramm und Bund der Landwirte
waren für die konservative Partei seinerzeit
eine Neuerung; von manchen Konservativen
werden diese Erscheinungen damals als etwas
empfunden worden sein, was von links kommt
oder nach links hinführt; die Neuerungen
sind jedoch inzwischen in den Begriff der kon¬
servativen Partei aufgenommen worden und
heute Pflegt man die Bündlerführer zum
rechten Flügel der konservativen Partei zu
Dr. Johann Johannsen rechnen.

Literatur
„Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen..."
Eine Erzählung aus Rheinhessen von Richard
Knies. Konrad W. Mecklenburg vorm. Nichter-
scher Verlag in Berlin. 1911.

Richard Knies erzählt eine Dorfgeschichte.
Sie ist bodenständig in der Form, schlicht in
der Zeichnung, inhaltlich auf wenige Töne ge¬
stimmt, die sich nach einem Anlauf zur Disso¬
nanz harmonisch verweben, — alles in allein
sehr ansprechend.

Dem Nachtwächter eines rheinhessischen
Dorfes wird der Dienst auf seine alten Tage
zu beschwerlich und der Gemeinderat gibt ihm
zur Entlastung einen zweiten Nachtwächter zur
Seite. Als dieser zum erstenmal die Wache
hält, glaubt er um seines Luthertums willen

[Spaltenumbruch]

das alte Nachtwächtcrsprüchlein: Hört, ihr
Herrn, und laßt euch sagen, die Glocke hat
zehn Uhr geschlagen, lobet Gott und Maria I
um das Lob der Maria verkürzen zu müssen.
Darob große Aufregung im katholischen Dorf.
In der nächsten Nacht wird er von der glau¬
bensstarken Jugend überfallen und bleibt be¬
wußtlos liegen. Sein alter Kollege, dem die
Verunglimpfung seines Spruches am meisten
zu Herzen geht, kommt hinzu, bewahrt ihn
vor dem Schlimmsten und sorgt für seine
Wiederherstellung. Um ihm den Posten zu
erhalten und dabei die Maria in ihren An¬
sprüchen nicht zu verkürzen, verfällt er auf
den erleuchteten Gedanken, in den Nächten,
Wenn ihm die Wache anvertraut ist, das Lob
der Maria stündlich zweimal zu singen.

Der Nachtwächter ist in unserer Literatur
eine nicht seltene und gern gesehene Gestalt.
Knies' Nachtwächterpaar läßt sich den besten
Schilderungen dieser Leute, die im Dunkeln
für allerlei Menschliches sehend werden und
manchen stillen Gedanken unter den Sternen
spinnen, an die Seite stellen. Nicht minder
gelungen ist ihm die Gestalt der Regime, der
resoluter Dorfxantippe, deren rauhe Schale
einen guten Kern birgt. Der rheinhessische
Dialekt, dessen sich die Bauern der Erzählung
bedienen, ist auch für den Nordländer beim
Lesen leicht verständlich. Er trägt wesentlich
dazu bei, uns das Milieu lebendig vor Augen
zu führen.

Wer durch die Erzählung „Franz Weilers
Martyrium" (Grenzboten 1912, Ur. 10, 11,
12 und 13) für das starke Talent von Richard
Knies Interesse gewonnen hat, wird die vor¬
liegende anspruchslose, etwas breite aber doch
durchaus künstlerisch gestaltete Dorfgeschichte
gern lesen und ihm wird auch die Kunde
willkommen sein, daß die Grenzboten in diesen?
Quartal mit der Veröffentlichung eines grö¬
ßeren Romans aus der Feder dieses jungen
M. A. Dichters beginnen werden.

Schiller, sein Leben und Schaffen.
Dem deutschen Volke erzählt von Albert
Ludwig. Nllstein u. Co. Berlin—Wien. 1912.

Die vorliegende Biographie will nach den
Worten des Verfassers versuchen, das Leben
und Schaffen dieses geliebtesten der deutschen
Dichter weiten Kreisen des Volkes unter dem

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[0103] Maßgebliches und Unmaßgebliches Zentrum die streng und einseitig katholische Richtung, also die Berliner, während die Kölner, da sie gewissen Erfordernissen der Zeit Rechnung tragen will, mehr nach „links" neigt; wer von den Nationalliberalen an Bennigsens Anschauungen hängt, steht rechts, wer die Weiterbildung oder den Um- denkungsprozeß will, links; also stehen Lede- bour und Kautsky auf dem rechten Flügel der Sozialdemokratie, Südekum und Linde¬ mann auf dem linken. Rechts und links würden sich dann mit jung und alt ziemlich decken; nur daß natürlich wieder über das Wesen der alten Lehre Streit entstehen kann. Die Pankower Richtung innerhalb der Kon¬ servativen ist in der Öffentlichkeit gelegentlich als jungkonservativ bezeichnet worden; ob von den Anhängern der Richtung, ist nicht bekannt; taktisch klug wäre es gewesen, wenn die Pan¬ kower selbst sich altkonservativ genannt und damit den Anspruch erhoben hätten, die „alten, guten" Überlieferungen weiter zu Pflegen. Tivoliprogramm und Bund der Landwirte waren für die konservative Partei seinerzeit eine Neuerung; von manchen Konservativen werden diese Erscheinungen damals als etwas empfunden worden sein, was von links kommt oder nach links hinführt; die Neuerungen sind jedoch inzwischen in den Begriff der kon¬ servativen Partei aufgenommen worden und heute Pflegt man die Bündlerführer zum rechten Flügel der konservativen Partei zu Dr. Johann Johannsen rechnen. Literatur „Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen..." Eine Erzählung aus Rheinhessen von Richard Knies. Konrad W. Mecklenburg vorm. Nichter- scher Verlag in Berlin. 1911. Richard Knies erzählt eine Dorfgeschichte. Sie ist bodenständig in der Form, schlicht in der Zeichnung, inhaltlich auf wenige Töne ge¬ stimmt, die sich nach einem Anlauf zur Disso¬ nanz harmonisch verweben, — alles in allein sehr ansprechend. Dem Nachtwächter eines rheinhessischen Dorfes wird der Dienst auf seine alten Tage zu beschwerlich und der Gemeinderat gibt ihm zur Entlastung einen zweiten Nachtwächter zur Seite. Als dieser zum erstenmal die Wache hält, glaubt er um seines Luthertums willen das alte Nachtwächtcrsprüchlein: Hört, ihr Herrn, und laßt euch sagen, die Glocke hat zehn Uhr geschlagen, lobet Gott und Maria I um das Lob der Maria verkürzen zu müssen. Darob große Aufregung im katholischen Dorf. In der nächsten Nacht wird er von der glau¬ bensstarken Jugend überfallen und bleibt be¬ wußtlos liegen. Sein alter Kollege, dem die Verunglimpfung seines Spruches am meisten zu Herzen geht, kommt hinzu, bewahrt ihn vor dem Schlimmsten und sorgt für seine Wiederherstellung. Um ihm den Posten zu erhalten und dabei die Maria in ihren An¬ sprüchen nicht zu verkürzen, verfällt er auf den erleuchteten Gedanken, in den Nächten, Wenn ihm die Wache anvertraut ist, das Lob der Maria stündlich zweimal zu singen. Der Nachtwächter ist in unserer Literatur eine nicht seltene und gern gesehene Gestalt. Knies' Nachtwächterpaar läßt sich den besten Schilderungen dieser Leute, die im Dunkeln für allerlei Menschliches sehend werden und manchen stillen Gedanken unter den Sternen spinnen, an die Seite stellen. Nicht minder gelungen ist ihm die Gestalt der Regime, der resoluter Dorfxantippe, deren rauhe Schale einen guten Kern birgt. Der rheinhessische Dialekt, dessen sich die Bauern der Erzählung bedienen, ist auch für den Nordländer beim Lesen leicht verständlich. Er trägt wesentlich dazu bei, uns das Milieu lebendig vor Augen zu führen. Wer durch die Erzählung „Franz Weilers Martyrium" (Grenzboten 1912, Ur. 10, 11, 12 und 13) für das starke Talent von Richard Knies Interesse gewonnen hat, wird die vor¬ liegende anspruchslose, etwas breite aber doch durchaus künstlerisch gestaltete Dorfgeschichte gern lesen und ihm wird auch die Kunde willkommen sein, daß die Grenzboten in diesen? Quartal mit der Veröffentlichung eines grö¬ ßeren Romans aus der Feder dieses jungen M. A. Dichters beginnen werden. Schiller, sein Leben und Schaffen. Dem deutschen Volke erzählt von Albert Ludwig. Nllstein u. Co. Berlin—Wien. 1912. Die vorliegende Biographie will nach den Worten des Verfassers versuchen, das Leben und Schaffen dieses geliebtesten der deutschen Dichter weiten Kreisen des Volkes unter dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/103>, abgerufen am 05.05.2024.