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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Aatholizismus und Aultur
Aarl Icntsch von

r. Hans Rost hat von seinem vor vier Jahren erschienenen viel¬
besprochenen Buche "Die Katholiken im Kultur- und Wirtschafts¬
leben der Gegenwart" eine Neubearbeitung, der besonders die
Berufszählung von 1907 zugute gekommen ist, herausgegeben
unter dem Titel: "Die wirtschaftliche und kulturelle Lage der
deutschen Katholiken" (Köln, I. P. Bachem, 1911). Daß die Juden reicher sind
als die Protestanten, diese die Katholiken in der Wohlhabenheit übertreffen,
weiß seit beinahe hundert Jahren jedes Kind in Deutschland. Aber es ist natürlich
nicht bloß interessant, sondern auch von Wichtigkeit, den genauen statistischen
Nachweis der allgemein bekannten Tatsache zu kennen, wie ihn dieses Buch
erbringt. Die genauesten Nachweise liefern die Steuerlisten Badens, aus denen
sich ergibt, daß im Jahre 1907 bei den Katholiken 511, bei den Protestanten
1278, bei den Juden 6784 Mark Vermögen auf den Kops fielen; der durch¬
schnittliche Protestant ist also mehr als doppelt, der Jude dreizehnmal so reich
wie der Katholik. Natürlich hängt der Vermögensstand mit dem Beruf und der
sozialen Lage zusammen. Die Katholiken betreiben vorherrschend das am
wenigsten einträgliche, landwirtschaftliche Gewerbe (wenn der Großgrund¬
besitz hie und da ein verhältnismäßig hohes Einkommen abwirft, so entstammt
dieses nicht der Landwirtschaft im engeren Sinne, sondern den landwirtschaft¬
lichen Industrien oder dem Bergbau), die Protestanten die einträglichere Fabri¬
kation und die Juden das einträglichste: den Handel -- namentlich den Geld-
Handel und die Spekulation. Da die Katholiken in der Landwirtschaft ein Plus
haben, so muß ihre Zahl in Gewerbe und Handel hinter der zurückbleiben, die
ihnen nach ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung gebühren würde.
Wenn sie in manchen Industrien der Normalzahl nahekommen, sie erreichen oder
gar überschreiten, so ist das lediglich der größeren Zahl von Lohnarbeitern zu
danken. Die amtliche Statistik teilt die Gewerbeangehörigen in die drei sozialen
Stufen: s) Selbständige (Eigentümer, wozu Mitinhaber, Pächter, Direktoren,
Administratoren kommen); b) nichtleitende Beamte (wissenschaftlich, technisch und
kaufmännisch gebildetes Verwaltnngs- und Aufstchtspersonal); c) sonstige Ge¬
hilfen, Lehrlinge und Lohnarbeiter. Wo also die Katholiken in einem der ein-




Aatholizismus und Aultur
Aarl Icntsch von

r. Hans Rost hat von seinem vor vier Jahren erschienenen viel¬
besprochenen Buche „Die Katholiken im Kultur- und Wirtschafts¬
leben der Gegenwart" eine Neubearbeitung, der besonders die
Berufszählung von 1907 zugute gekommen ist, herausgegeben
unter dem Titel: „Die wirtschaftliche und kulturelle Lage der
deutschen Katholiken" (Köln, I. P. Bachem, 1911). Daß die Juden reicher sind
als die Protestanten, diese die Katholiken in der Wohlhabenheit übertreffen,
weiß seit beinahe hundert Jahren jedes Kind in Deutschland. Aber es ist natürlich
nicht bloß interessant, sondern auch von Wichtigkeit, den genauen statistischen
Nachweis der allgemein bekannten Tatsache zu kennen, wie ihn dieses Buch
erbringt. Die genauesten Nachweise liefern die Steuerlisten Badens, aus denen
sich ergibt, daß im Jahre 1907 bei den Katholiken 511, bei den Protestanten
1278, bei den Juden 6784 Mark Vermögen auf den Kops fielen; der durch¬
schnittliche Protestant ist also mehr als doppelt, der Jude dreizehnmal so reich
wie der Katholik. Natürlich hängt der Vermögensstand mit dem Beruf und der
sozialen Lage zusammen. Die Katholiken betreiben vorherrschend das am
wenigsten einträgliche, landwirtschaftliche Gewerbe (wenn der Großgrund¬
besitz hie und da ein verhältnismäßig hohes Einkommen abwirft, so entstammt
dieses nicht der Landwirtschaft im engeren Sinne, sondern den landwirtschaft¬
lichen Industrien oder dem Bergbau), die Protestanten die einträglichere Fabri¬
kation und die Juden das einträglichste: den Handel — namentlich den Geld-
Handel und die Spekulation. Da die Katholiken in der Landwirtschaft ein Plus
haben, so muß ihre Zahl in Gewerbe und Handel hinter der zurückbleiben, die
ihnen nach ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung gebühren würde.
Wenn sie in manchen Industrien der Normalzahl nahekommen, sie erreichen oder
gar überschreiten, so ist das lediglich der größeren Zahl von Lohnarbeitern zu
danken. Die amtliche Statistik teilt die Gewerbeangehörigen in die drei sozialen
Stufen: s) Selbständige (Eigentümer, wozu Mitinhaber, Pächter, Direktoren,
Administratoren kommen); b) nichtleitende Beamte (wissenschaftlich, technisch und
kaufmännisch gebildetes Verwaltnngs- und Aufstchtspersonal); c) sonstige Ge¬
hilfen, Lehrlinge und Lohnarbeiter. Wo also die Katholiken in einem der ein-


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[0218] [Abbildung] Aatholizismus und Aultur Aarl Icntsch von r. Hans Rost hat von seinem vor vier Jahren erschienenen viel¬ besprochenen Buche „Die Katholiken im Kultur- und Wirtschafts¬ leben der Gegenwart" eine Neubearbeitung, der besonders die Berufszählung von 1907 zugute gekommen ist, herausgegeben unter dem Titel: „Die wirtschaftliche und kulturelle Lage der deutschen Katholiken" (Köln, I. P. Bachem, 1911). Daß die Juden reicher sind als die Protestanten, diese die Katholiken in der Wohlhabenheit übertreffen, weiß seit beinahe hundert Jahren jedes Kind in Deutschland. Aber es ist natürlich nicht bloß interessant, sondern auch von Wichtigkeit, den genauen statistischen Nachweis der allgemein bekannten Tatsache zu kennen, wie ihn dieses Buch erbringt. Die genauesten Nachweise liefern die Steuerlisten Badens, aus denen sich ergibt, daß im Jahre 1907 bei den Katholiken 511, bei den Protestanten 1278, bei den Juden 6784 Mark Vermögen auf den Kops fielen; der durch¬ schnittliche Protestant ist also mehr als doppelt, der Jude dreizehnmal so reich wie der Katholik. Natürlich hängt der Vermögensstand mit dem Beruf und der sozialen Lage zusammen. Die Katholiken betreiben vorherrschend das am wenigsten einträgliche, landwirtschaftliche Gewerbe (wenn der Großgrund¬ besitz hie und da ein verhältnismäßig hohes Einkommen abwirft, so entstammt dieses nicht der Landwirtschaft im engeren Sinne, sondern den landwirtschaft¬ lichen Industrien oder dem Bergbau), die Protestanten die einträglichere Fabri¬ kation und die Juden das einträglichste: den Handel — namentlich den Geld- Handel und die Spekulation. Da die Katholiken in der Landwirtschaft ein Plus haben, so muß ihre Zahl in Gewerbe und Handel hinter der zurückbleiben, die ihnen nach ihrem prozentualen Anteil an der Bevölkerung gebühren würde. Wenn sie in manchen Industrien der Normalzahl nahekommen, sie erreichen oder gar überschreiten, so ist das lediglich der größeren Zahl von Lohnarbeitern zu danken. Die amtliche Statistik teilt die Gewerbeangehörigen in die drei sozialen Stufen: s) Selbständige (Eigentümer, wozu Mitinhaber, Pächter, Direktoren, Administratoren kommen); b) nichtleitende Beamte (wissenschaftlich, technisch und kaufmännisch gebildetes Verwaltnngs- und Aufstchtspersonal); c) sonstige Ge¬ hilfen, Lehrlinge und Lohnarbeiter. Wo also die Katholiken in einem der ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/218>, abgerufen am 08.05.2024.