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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Aoloniale Fortschritte
Randbemerkungen zu I)r. Solfs Afrikafahrt
Rudolf ZVagner Von

le Reise eines leitenden Staatsmannes, wie die des Staats¬
sekretärs Sols nach Afrika, bringt mancherlei Gutes mit sich.
Nicht nur für die Kolonien selbst und deren deutsche Bevölkerung,
sondern auch für die heimische öffentliche Meinung. Der Staats¬
sekretär mußte in Afrika wohl oder übel in zahlreichen Ansprachen,
Festreden und Interviews sein Herz soweit öffnen, daß der aufmerksame
Beobachter einen ziemlich guten Einblick in seine Absichten und Anschauungen
gewinnen konnte.

So erfährt man auf diese Weise auch daheim weit mehr über die Ziele
der Regierung als bei den Reichstagsverhandlungen, deren wichtigster Teil sich
in neuerer Zeit auffälligerweise mit besonderer Vorliebe hinter den verschlossenen
Türen der Budgetkommisston abzuspielen pflegt.

Wenn an dieser Stelle seinerzeit die Ernennung Svlfs als ein gewisser
Wendepunkt begrüßt wurde, so hatte es damit seine Nichtigkeit. Wir wissen
jetzt, daß Sols volkstümliche Kolonialpolitik treiben will, und zwar in aus¬
gesprochenem Gegensatz zu Dernburg, der für reinliche Nassenscheidung, Besied¬
lung, Selbstverwaltung, kurz alles, was man unter dem Begriff "volkstümliche
Kolonialpolitik" zusammenzufassen pflegt, wenig Sinn bekundete. Erst vor kurzer
Zeit hat dies Herr Dernburg selbst ausgesprochen bzw. sich nachweisen lassen
müssen. Er hatte der Zeitschrift Kolonie und Heimat, die seine Politik in
der Rassen- und Besiedlungsfrage kritisierte, eine Zuschrift gesandt, in der er
u. a. die Behauptung aufstellte, seine Auffassung in der Mischehenfrage unter¬
scheide sich in keiner Weise von der des Staatssekretärs Sols. Mit Recht bat
die erwähnte Zeitschrift um Auskunft, warum er dann nicht, wie dies Dr. Sols
sofort nach seinem Amtsantritt tat, die Ärgernis erregenden Zustände auf Samoa
im Sinne der reinlichen Rassenscheidung zu sanieren versucht habe. Man


Grenzboten IV 1912 32


Aoloniale Fortschritte
Randbemerkungen zu I)r. Solfs Afrikafahrt
Rudolf ZVagner Von

le Reise eines leitenden Staatsmannes, wie die des Staats¬
sekretärs Sols nach Afrika, bringt mancherlei Gutes mit sich.
Nicht nur für die Kolonien selbst und deren deutsche Bevölkerung,
sondern auch für die heimische öffentliche Meinung. Der Staats¬
sekretär mußte in Afrika wohl oder übel in zahlreichen Ansprachen,
Festreden und Interviews sein Herz soweit öffnen, daß der aufmerksame
Beobachter einen ziemlich guten Einblick in seine Absichten und Anschauungen
gewinnen konnte.

So erfährt man auf diese Weise auch daheim weit mehr über die Ziele
der Regierung als bei den Reichstagsverhandlungen, deren wichtigster Teil sich
in neuerer Zeit auffälligerweise mit besonderer Vorliebe hinter den verschlossenen
Türen der Budgetkommisston abzuspielen pflegt.

Wenn an dieser Stelle seinerzeit die Ernennung Svlfs als ein gewisser
Wendepunkt begrüßt wurde, so hatte es damit seine Nichtigkeit. Wir wissen
jetzt, daß Sols volkstümliche Kolonialpolitik treiben will, und zwar in aus¬
gesprochenem Gegensatz zu Dernburg, der für reinliche Nassenscheidung, Besied¬
lung, Selbstverwaltung, kurz alles, was man unter dem Begriff „volkstümliche
Kolonialpolitik" zusammenzufassen pflegt, wenig Sinn bekundete. Erst vor kurzer
Zeit hat dies Herr Dernburg selbst ausgesprochen bzw. sich nachweisen lassen
müssen. Er hatte der Zeitschrift Kolonie und Heimat, die seine Politik in
der Rassen- und Besiedlungsfrage kritisierte, eine Zuschrift gesandt, in der er
u. a. die Behauptung aufstellte, seine Auffassung in der Mischehenfrage unter¬
scheide sich in keiner Weise von der des Staatssekretärs Sols. Mit Recht bat
die erwähnte Zeitschrift um Auskunft, warum er dann nicht, wie dies Dr. Sols
sofort nach seinem Amtsantritt tat, die Ärgernis erregenden Zustände auf Samoa
im Sinne der reinlichen Rassenscheidung zu sanieren versucht habe. Man


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[0256] [Abbildung] Aoloniale Fortschritte Randbemerkungen zu I)r. Solfs Afrikafahrt Rudolf ZVagner Von le Reise eines leitenden Staatsmannes, wie die des Staats¬ sekretärs Sols nach Afrika, bringt mancherlei Gutes mit sich. Nicht nur für die Kolonien selbst und deren deutsche Bevölkerung, sondern auch für die heimische öffentliche Meinung. Der Staats¬ sekretär mußte in Afrika wohl oder übel in zahlreichen Ansprachen, Festreden und Interviews sein Herz soweit öffnen, daß der aufmerksame Beobachter einen ziemlich guten Einblick in seine Absichten und Anschauungen gewinnen konnte. So erfährt man auf diese Weise auch daheim weit mehr über die Ziele der Regierung als bei den Reichstagsverhandlungen, deren wichtigster Teil sich in neuerer Zeit auffälligerweise mit besonderer Vorliebe hinter den verschlossenen Türen der Budgetkommisston abzuspielen pflegt. Wenn an dieser Stelle seinerzeit die Ernennung Svlfs als ein gewisser Wendepunkt begrüßt wurde, so hatte es damit seine Nichtigkeit. Wir wissen jetzt, daß Sols volkstümliche Kolonialpolitik treiben will, und zwar in aus¬ gesprochenem Gegensatz zu Dernburg, der für reinliche Nassenscheidung, Besied¬ lung, Selbstverwaltung, kurz alles, was man unter dem Begriff „volkstümliche Kolonialpolitik" zusammenzufassen pflegt, wenig Sinn bekundete. Erst vor kurzer Zeit hat dies Herr Dernburg selbst ausgesprochen bzw. sich nachweisen lassen müssen. Er hatte der Zeitschrift Kolonie und Heimat, die seine Politik in der Rassen- und Besiedlungsfrage kritisierte, eine Zuschrift gesandt, in der er u. a. die Behauptung aufstellte, seine Auffassung in der Mischehenfrage unter¬ scheide sich in keiner Weise von der des Staatssekretärs Sols. Mit Recht bat die erwähnte Zeitschrift um Auskunft, warum er dann nicht, wie dies Dr. Sols sofort nach seinem Amtsantritt tat, die Ärgernis erregenden Zustände auf Samoa im Sinne der reinlichen Rassenscheidung zu sanieren versucht habe. Man Grenzboten IV 1912 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/256>, abgerufen am 08.05.2024.