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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

geschickte Wondung stört den Genuß der Lek¬
türe. Die Philosophischen Fragmente haben
in Diels und Resele würdigere Interpreten
gefunden. Aus der Fülle überraschender
Schönheiten mag wenigstens einiges angeführt
werden, was auch heute noch gilt und glänzt;
kurze Sentenzen voll Ironie oder tröstender
Wahrheiten:

Des Mannes höchster Schatz ein Weib, das
(Euripides.) mit ihm fühlt.

Sterbliche sind nur Bälge gefüllt mit rich¬
,
. (Epikur.) tigen Dünkel

Du bist Philosoph? Ich danke. Die Philo¬
sophen sind,

Soviel ich weiß, in ihren Reden grundgescheit,

Doch wie es gilt, zu handeln voller Un¬
,
. (Anaxippes.) vernunft

Was für ein glückliches Volk doch die Zitaten
find!

Sie haben Weibchen ohne jedes Sprachorgan.
(Xenarchos.)

Der Gedanke bedeutet soviel wie die Tat.
(Aristophanes.) ''

Gott faßbar? -- Nein I Gesetzt, er wär eS, wär
(Unbekannter Dichter.) er Gott?

^. Er hat ja geheiratet. --

L. Was du sagst I Geheiratet!
Nicht möglich! Sah ich ihn nicht noch jüngst
gesund und frisch

(Antiphanes.)

Spazieren gehn?

Betrachte nun auch andre Satzungen; du wirst
Soviel ersehn: Kein allgemeines Gutes gibt's
Nach Böses, sondern eines und dasselbe schuf
Jeweils die Zeit in Gutes und in Böses um.

(Unbekannter Dichter).

Robert de Montesquious historische So¬
nette "Rote Perlen" haben in Franziska
Steinitz eine ausgezeichnete Nachdichterin ge¬
funden; die Übertragungen lesen sich gelegent¬
lich wie Originale. Diese Bilder aus Ver¬
sailles sind vornehm, etwas kühl, aber ihr
Wert liegt gerade darin beschlossen. Wie
Marmorstatuen in Taxushecken glänzen und
winken sie und zaubern Lust und Tod vor
unsern Augen. Der Xenienverlag in Leip¬
zig hat für eine vornehme Ausstattung Sorge
getragen und damit Dichter und Übersetzerin
nach Verdienst geehrt.

Zum Schluß will ich ein Buch loben, das
mir in mancher Beziehung bedeutend und
wichtig erscheint. Alfons Paquet gab neun

[Spaltenumbruch]

umfangreiche Gedichte unter dem Titel "Held
namenlos" heraus (Eugen Diederichs, Jena).
Es ist nicht schwer, an Walt Whitman zu
erinnern, auch an Verhaeren. Breit aus¬
ladende Verse, rhythmische Prosa wechseln ab
und geben äußerlich schon Hinweise auf die
beiden Vorbilder. Aber Paquet bleibt den¬
noch selbständig. Er ist ruhiger, sachlicher,
ihm fehlt das mitreißende Pathos. Auch er
sucht das, was man ja Wohl heute kosmische
Dichtung nennt. Es gehört innere Kraft und
Wucht dazu, den Leser immer wach und
eifrig zu halten, nicht in poetisierte Neise-
schilderung zu münden. Einzig Verhaeren
ist es bis jetzt gelungen; Paquet ist freilich der
Gefahr nicht völlig entgangen. Trotzdem
aber ist sein Buch neu, merkwürdig und
fesselnd; es berührt den Geist mehr als das
Herz. Doch niemals hat man das Gefühl
des Gewollten, Absichtlichen; dieses Buch ent¬
spricht des Dichters Wesen und ist wahr und
echt. Oft nimmt man es zur Hand, das so
köstlich gedruckt wurde, und legt es niemals
wieder fort ohne Gewinn und Nachdenken.
Ernst Ludwig Schellenberg

Justiz und Verwaltung
Strafkammern für Handelssachen!

Beim
Landgericht l in Berlin sind jetzt in kurzer
Folge vor verschiedenen Strafkammern Straf¬
sachen gegen die sogenannten Bucketshops
(d. h. Animierbankiers) zur Verhandlung ge¬
kommen. Die Zeitungen berichten, daß
jedesmal im Beginn der Verhandlung viel
Zeit dadurch verloren gegangen sei, daß sich
der Vanksachverständige vor dem Gericht
ausführlich über das Wesen der Prämien¬
geschäfte, Stellagen, "In sich"-Geschäfte und
was sonst noch zum Betriebe eines richtigen
Bucketshop gehört, verbreiten mußte.

Es ist natürlich nicht zu verlangen, daß
jeder Richter mit dieser fern liegenden, mehr
banktechnischen als juristischen Materie ver¬
traut sei. Aber eS drängt sich der Gedanke
auf, ob nicht dadurch Arbeitszeit gespart und
ein besonders sachverständiges Nichterpersonal
erzielt werden könnte, daß nach dem Vorbilde
der Kammern für Handelssachen und ebenso
der Zivilkammern, denen ausschließlich Patent¬
sachen, Ehesachen, Streitigkeiten über un¬
lauteren Wettbewerb usw. überwiesen sind,

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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geschickte Wondung stört den Genuß der Lek¬
türe. Die Philosophischen Fragmente haben
in Diels und Resele würdigere Interpreten
gefunden. Aus der Fülle überraschender
Schönheiten mag wenigstens einiges angeführt
werden, was auch heute noch gilt und glänzt;
kurze Sentenzen voll Ironie oder tröstender
Wahrheiten:

Des Mannes höchster Schatz ein Weib, das
(Euripides.) mit ihm fühlt.

Sterbliche sind nur Bälge gefüllt mit rich¬
,
. (Epikur.) tigen Dünkel

Du bist Philosoph? Ich danke. Die Philo¬
sophen sind,

Soviel ich weiß, in ihren Reden grundgescheit,

Doch wie es gilt, zu handeln voller Un¬
,
. (Anaxippes.) vernunft

Was für ein glückliches Volk doch die Zitaten
find!

Sie haben Weibchen ohne jedes Sprachorgan.
(Xenarchos.)

Der Gedanke bedeutet soviel wie die Tat.
(Aristophanes.) ''

Gott faßbar? — Nein I Gesetzt, er wär eS, wär
(Unbekannter Dichter.) er Gott?

^. Er hat ja geheiratet. —

L. Was du sagst I Geheiratet!
Nicht möglich! Sah ich ihn nicht noch jüngst
gesund und frisch

(Antiphanes.)

Spazieren gehn?

Betrachte nun auch andre Satzungen; du wirst
Soviel ersehn: Kein allgemeines Gutes gibt's
Nach Böses, sondern eines und dasselbe schuf
Jeweils die Zeit in Gutes und in Böses um.

(Unbekannter Dichter).

Robert de Montesquious historische So¬
nette „Rote Perlen" haben in Franziska
Steinitz eine ausgezeichnete Nachdichterin ge¬
funden; die Übertragungen lesen sich gelegent¬
lich wie Originale. Diese Bilder aus Ver¬
sailles sind vornehm, etwas kühl, aber ihr
Wert liegt gerade darin beschlossen. Wie
Marmorstatuen in Taxushecken glänzen und
winken sie und zaubern Lust und Tod vor
unsern Augen. Der Xenienverlag in Leip¬
zig hat für eine vornehme Ausstattung Sorge
getragen und damit Dichter und Übersetzerin
nach Verdienst geehrt.

Zum Schluß will ich ein Buch loben, das
mir in mancher Beziehung bedeutend und
wichtig erscheint. Alfons Paquet gab neun

[Spaltenumbruch]

umfangreiche Gedichte unter dem Titel „Held
namenlos" heraus (Eugen Diederichs, Jena).
Es ist nicht schwer, an Walt Whitman zu
erinnern, auch an Verhaeren. Breit aus¬
ladende Verse, rhythmische Prosa wechseln ab
und geben äußerlich schon Hinweise auf die
beiden Vorbilder. Aber Paquet bleibt den¬
noch selbständig. Er ist ruhiger, sachlicher,
ihm fehlt das mitreißende Pathos. Auch er
sucht das, was man ja Wohl heute kosmische
Dichtung nennt. Es gehört innere Kraft und
Wucht dazu, den Leser immer wach und
eifrig zu halten, nicht in poetisierte Neise-
schilderung zu münden. Einzig Verhaeren
ist es bis jetzt gelungen; Paquet ist freilich der
Gefahr nicht völlig entgangen. Trotzdem
aber ist sein Buch neu, merkwürdig und
fesselnd; es berührt den Geist mehr als das
Herz. Doch niemals hat man das Gefühl
des Gewollten, Absichtlichen; dieses Buch ent¬
spricht des Dichters Wesen und ist wahr und
echt. Oft nimmt man es zur Hand, das so
köstlich gedruckt wurde, und legt es niemals
wieder fort ohne Gewinn und Nachdenken.
Ernst Ludwig Schellenberg

Justiz und Verwaltung
Strafkammern für Handelssachen!

Beim
Landgericht l in Berlin sind jetzt in kurzer
Folge vor verschiedenen Strafkammern Straf¬
sachen gegen die sogenannten Bucketshops
(d. h. Animierbankiers) zur Verhandlung ge¬
kommen. Die Zeitungen berichten, daß
jedesmal im Beginn der Verhandlung viel
Zeit dadurch verloren gegangen sei, daß sich
der Vanksachverständige vor dem Gericht
ausführlich über das Wesen der Prämien¬
geschäfte, Stellagen, „In sich"-Geschäfte und
was sonst noch zum Betriebe eines richtigen
Bucketshop gehört, verbreiten mußte.

Es ist natürlich nicht zu verlangen, daß
jeder Richter mit dieser fern liegenden, mehr
banktechnischen als juristischen Materie ver¬
traut sei. Aber eS drängt sich der Gedanke
auf, ob nicht dadurch Arbeitszeit gespart und
ein besonders sachverständiges Nichterpersonal
erzielt werden könnte, daß nach dem Vorbilde
der Kammern für Handelssachen und ebenso
der Zivilkammern, denen ausschließlich Patent¬
sachen, Ehesachen, Streitigkeiten über un¬
lauteren Wettbewerb usw. überwiesen sind,

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[0343] Maßgebliches und Unmaßgebliches geschickte Wondung stört den Genuß der Lek¬ türe. Die Philosophischen Fragmente haben in Diels und Resele würdigere Interpreten gefunden. Aus der Fülle überraschender Schönheiten mag wenigstens einiges angeführt werden, was auch heute noch gilt und glänzt; kurze Sentenzen voll Ironie oder tröstender Wahrheiten: Des Mannes höchster Schatz ein Weib, das (Euripides.) mit ihm fühlt. Sterbliche sind nur Bälge gefüllt mit rich¬ , . (Epikur.) tigen Dünkel Du bist Philosoph? Ich danke. Die Philo¬ sophen sind, Soviel ich weiß, in ihren Reden grundgescheit, Doch wie es gilt, zu handeln voller Un¬ , . (Anaxippes.) vernunft Was für ein glückliches Volk doch die Zitaten find! Sie haben Weibchen ohne jedes Sprachorgan. (Xenarchos.) Der Gedanke bedeutet soviel wie die Tat. (Aristophanes.) '' Gott faßbar? — Nein I Gesetzt, er wär eS, wär (Unbekannter Dichter.) er Gott? ^. Er hat ja geheiratet. — L. Was du sagst I Geheiratet! Nicht möglich! Sah ich ihn nicht noch jüngst gesund und frisch (Antiphanes.) Spazieren gehn? Betrachte nun auch andre Satzungen; du wirst Soviel ersehn: Kein allgemeines Gutes gibt's Nach Böses, sondern eines und dasselbe schuf Jeweils die Zeit in Gutes und in Böses um. (Unbekannter Dichter). Robert de Montesquious historische So¬ nette „Rote Perlen" haben in Franziska Steinitz eine ausgezeichnete Nachdichterin ge¬ funden; die Übertragungen lesen sich gelegent¬ lich wie Originale. Diese Bilder aus Ver¬ sailles sind vornehm, etwas kühl, aber ihr Wert liegt gerade darin beschlossen. Wie Marmorstatuen in Taxushecken glänzen und winken sie und zaubern Lust und Tod vor unsern Augen. Der Xenienverlag in Leip¬ zig hat für eine vornehme Ausstattung Sorge getragen und damit Dichter und Übersetzerin nach Verdienst geehrt. Zum Schluß will ich ein Buch loben, das mir in mancher Beziehung bedeutend und wichtig erscheint. Alfons Paquet gab neun umfangreiche Gedichte unter dem Titel „Held namenlos" heraus (Eugen Diederichs, Jena). Es ist nicht schwer, an Walt Whitman zu erinnern, auch an Verhaeren. Breit aus¬ ladende Verse, rhythmische Prosa wechseln ab und geben äußerlich schon Hinweise auf die beiden Vorbilder. Aber Paquet bleibt den¬ noch selbständig. Er ist ruhiger, sachlicher, ihm fehlt das mitreißende Pathos. Auch er sucht das, was man ja Wohl heute kosmische Dichtung nennt. Es gehört innere Kraft und Wucht dazu, den Leser immer wach und eifrig zu halten, nicht in poetisierte Neise- schilderung zu münden. Einzig Verhaeren ist es bis jetzt gelungen; Paquet ist freilich der Gefahr nicht völlig entgangen. Trotzdem aber ist sein Buch neu, merkwürdig und fesselnd; es berührt den Geist mehr als das Herz. Doch niemals hat man das Gefühl des Gewollten, Absichtlichen; dieses Buch ent¬ spricht des Dichters Wesen und ist wahr und echt. Oft nimmt man es zur Hand, das so köstlich gedruckt wurde, und legt es niemals wieder fort ohne Gewinn und Nachdenken. Ernst Ludwig Schellenberg Justiz und Verwaltung Strafkammern für Handelssachen! Beim Landgericht l in Berlin sind jetzt in kurzer Folge vor verschiedenen Strafkammern Straf¬ sachen gegen die sogenannten Bucketshops (d. h. Animierbankiers) zur Verhandlung ge¬ kommen. Die Zeitungen berichten, daß jedesmal im Beginn der Verhandlung viel Zeit dadurch verloren gegangen sei, daß sich der Vanksachverständige vor dem Gericht ausführlich über das Wesen der Prämien¬ geschäfte, Stellagen, „In sich"-Geschäfte und was sonst noch zum Betriebe eines richtigen Bucketshop gehört, verbreiten mußte. Es ist natürlich nicht zu verlangen, daß jeder Richter mit dieser fern liegenden, mehr banktechnischen als juristischen Materie ver¬ traut sei. Aber eS drängt sich der Gedanke auf, ob nicht dadurch Arbeitszeit gespart und ein besonders sachverständiges Nichterpersonal erzielt werden könnte, daß nach dem Vorbilde der Kammern für Handelssachen und ebenso der Zivilkammern, denen ausschließlich Patent¬ sachen, Ehesachen, Streitigkeiten über un¬ lauteren Wettbewerb usw. überwiesen sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/343>, abgerufen am 08.05.2024.