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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Südafrikanische Eindrücke

anderes Bild zu bieten, als eine unendliche Ebene, meist dürftig mit grauem
Dornengestrüpp und einigen Grasbüschen bestanden, teils auch von Felsblöcken
und Steinen bedeckt.

Doch auch in dieser toten, gleichmäßigen Einförmigkeit hat die Natur ihre
Laune walten lassen. Auch diesen Gegenden hat sie ihre Schönheiten nicht
versagt. Sie gab diesen Steppen nicht nur die eigenartige Schönheit, die der
unendlichen Fläche stets eigen ist, nicht nur das wundervolle Farbenspiel des
Sonnenaufgangs und Untergangs, die klare und durchsichtige Luft der Hoch¬
steppe. Sie unterbrach die Einsamkeit durch Schönheiten und Schauspiele, die
keinen in der Welt nachstehen; sie überhäufte dieses äußerlich so arme Land
mit den wertvollsten und seltensten Gütern, die sie überhaupt besitzt: mit Gold
und Diamanten, Kohle, Kupfer und anderen Erzen. Sie bot dem Menschen
jede Möglichkeit der Entwicklung. Je nach seinen Anlagen konnte er ein ein¬
samer Viehzüchter, hartarbeitender Goldsucher, ein rücksichtsloser Spekulant werden,
oder seine Gaben im Dienste seines Landes verwerten und seinen Blick schärfen,
um Fragen zu erfassen und lösen zu helfen, die die ganze Menschheit angehen.
Und -- die letzte, aber nicht die geringste Gabe -- sie verlieh dem Lande die
Eigenschaft, daß weiße Menschen dauernd in ihm leben und sich heimisch fühlen
können.


2. Die Victoriafälle

Drei Tage und drei Nächte fährt man von der Ostküste, sast die doppelte
Zeit vom Süden, um die Zambesifälle zu erreichen. Keine Veränderung der
Natur kündet ihre Nähe, keine üppigere Vegetation; bis dicht heran reicht die
ewige, graue Steppe. Nur das Donnern der Wasser, das Aufsteigen einer
weißen Säule von Wasserstaub -- der tönende Rauch, wie die Eingeborenen
sagen --, weithin sichtbar und hörbar, deutet auf ihr Vorhandensein hin. Doch
auch wenn man, wenige hundert Meter von ihnen entfernt, die kühne Eisen¬
bahnbrücke überschreitet, die den Zug über den Zambesi und dann hinein in
den Kongo führt, gewahrt man nicht mehr von ihnen, als einen dünnen
Streifen. Eine hohe vorgeschobene Felskulisse versperrt die Aussicht. Es ist,
als ob die Natur ein so wertvolles Gut besonders sorgsam versteckt hätte.
Ganz dicht muß man an das Wasser herantreten, bald von dieser, bald von
jener Seite vorpirschend, um allmählich einen Gesamteindruck von der Größe und
Mächtigkeit dieses Weltwunders zu gewinnen. Dann erst begreift man, welch
prachtvolle Verbindung die Natur hier geschaffen hat: einer der drei größten
Fälle der Welt -- denn 2 Kilometer ist der Zambesi breit, von Inseln und
Klippen in viele Arme geteilt, und 150 Meter tief stürzt er sich hinab --,
und ein gewaltiger, tiefer Canon sind hier zu einem Ganzen verschmolzen. In
einer engen, kaum 60 Meter breiten Schlucht werden die herabstürzenden Wasser
des Flusses aufgefangen und senkrecht steigen auf der anderen Seite die Felsen
wieder 150 Meter empor. Und unten im Canon donnert und brodelt das
Wasser und wirft Wolken feuchten Wasserstandes empor, in den die Sonne


Südafrikanische Eindrücke

anderes Bild zu bieten, als eine unendliche Ebene, meist dürftig mit grauem
Dornengestrüpp und einigen Grasbüschen bestanden, teils auch von Felsblöcken
und Steinen bedeckt.

Doch auch in dieser toten, gleichmäßigen Einförmigkeit hat die Natur ihre
Laune walten lassen. Auch diesen Gegenden hat sie ihre Schönheiten nicht
versagt. Sie gab diesen Steppen nicht nur die eigenartige Schönheit, die der
unendlichen Fläche stets eigen ist, nicht nur das wundervolle Farbenspiel des
Sonnenaufgangs und Untergangs, die klare und durchsichtige Luft der Hoch¬
steppe. Sie unterbrach die Einsamkeit durch Schönheiten und Schauspiele, die
keinen in der Welt nachstehen; sie überhäufte dieses äußerlich so arme Land
mit den wertvollsten und seltensten Gütern, die sie überhaupt besitzt: mit Gold
und Diamanten, Kohle, Kupfer und anderen Erzen. Sie bot dem Menschen
jede Möglichkeit der Entwicklung. Je nach seinen Anlagen konnte er ein ein¬
samer Viehzüchter, hartarbeitender Goldsucher, ein rücksichtsloser Spekulant werden,
oder seine Gaben im Dienste seines Landes verwerten und seinen Blick schärfen,
um Fragen zu erfassen und lösen zu helfen, die die ganze Menschheit angehen.
Und — die letzte, aber nicht die geringste Gabe — sie verlieh dem Lande die
Eigenschaft, daß weiße Menschen dauernd in ihm leben und sich heimisch fühlen
können.


2. Die Victoriafälle

Drei Tage und drei Nächte fährt man von der Ostküste, sast die doppelte
Zeit vom Süden, um die Zambesifälle zu erreichen. Keine Veränderung der
Natur kündet ihre Nähe, keine üppigere Vegetation; bis dicht heran reicht die
ewige, graue Steppe. Nur das Donnern der Wasser, das Aufsteigen einer
weißen Säule von Wasserstaub — der tönende Rauch, wie die Eingeborenen
sagen —, weithin sichtbar und hörbar, deutet auf ihr Vorhandensein hin. Doch
auch wenn man, wenige hundert Meter von ihnen entfernt, die kühne Eisen¬
bahnbrücke überschreitet, die den Zug über den Zambesi und dann hinein in
den Kongo führt, gewahrt man nicht mehr von ihnen, als einen dünnen
Streifen. Eine hohe vorgeschobene Felskulisse versperrt die Aussicht. Es ist,
als ob die Natur ein so wertvolles Gut besonders sorgsam versteckt hätte.
Ganz dicht muß man an das Wasser herantreten, bald von dieser, bald von
jener Seite vorpirschend, um allmählich einen Gesamteindruck von der Größe und
Mächtigkeit dieses Weltwunders zu gewinnen. Dann erst begreift man, welch
prachtvolle Verbindung die Natur hier geschaffen hat: einer der drei größten
Fälle der Welt — denn 2 Kilometer ist der Zambesi breit, von Inseln und
Klippen in viele Arme geteilt, und 150 Meter tief stürzt er sich hinab —,
und ein gewaltiger, tiefer Canon sind hier zu einem Ganzen verschmolzen. In
einer engen, kaum 60 Meter breiten Schlucht werden die herabstürzenden Wasser
des Flusses aufgefangen und senkrecht steigen auf der anderen Seite die Felsen
wieder 150 Meter empor. Und unten im Canon donnert und brodelt das
Wasser und wirft Wolken feuchten Wasserstandes empor, in den die Sonne


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[0375] Südafrikanische Eindrücke anderes Bild zu bieten, als eine unendliche Ebene, meist dürftig mit grauem Dornengestrüpp und einigen Grasbüschen bestanden, teils auch von Felsblöcken und Steinen bedeckt. Doch auch in dieser toten, gleichmäßigen Einförmigkeit hat die Natur ihre Laune walten lassen. Auch diesen Gegenden hat sie ihre Schönheiten nicht versagt. Sie gab diesen Steppen nicht nur die eigenartige Schönheit, die der unendlichen Fläche stets eigen ist, nicht nur das wundervolle Farbenspiel des Sonnenaufgangs und Untergangs, die klare und durchsichtige Luft der Hoch¬ steppe. Sie unterbrach die Einsamkeit durch Schönheiten und Schauspiele, die keinen in der Welt nachstehen; sie überhäufte dieses äußerlich so arme Land mit den wertvollsten und seltensten Gütern, die sie überhaupt besitzt: mit Gold und Diamanten, Kohle, Kupfer und anderen Erzen. Sie bot dem Menschen jede Möglichkeit der Entwicklung. Je nach seinen Anlagen konnte er ein ein¬ samer Viehzüchter, hartarbeitender Goldsucher, ein rücksichtsloser Spekulant werden, oder seine Gaben im Dienste seines Landes verwerten und seinen Blick schärfen, um Fragen zu erfassen und lösen zu helfen, die die ganze Menschheit angehen. Und — die letzte, aber nicht die geringste Gabe — sie verlieh dem Lande die Eigenschaft, daß weiße Menschen dauernd in ihm leben und sich heimisch fühlen können. 2. Die Victoriafälle Drei Tage und drei Nächte fährt man von der Ostküste, sast die doppelte Zeit vom Süden, um die Zambesifälle zu erreichen. Keine Veränderung der Natur kündet ihre Nähe, keine üppigere Vegetation; bis dicht heran reicht die ewige, graue Steppe. Nur das Donnern der Wasser, das Aufsteigen einer weißen Säule von Wasserstaub — der tönende Rauch, wie die Eingeborenen sagen —, weithin sichtbar und hörbar, deutet auf ihr Vorhandensein hin. Doch auch wenn man, wenige hundert Meter von ihnen entfernt, die kühne Eisen¬ bahnbrücke überschreitet, die den Zug über den Zambesi und dann hinein in den Kongo führt, gewahrt man nicht mehr von ihnen, als einen dünnen Streifen. Eine hohe vorgeschobene Felskulisse versperrt die Aussicht. Es ist, als ob die Natur ein so wertvolles Gut besonders sorgsam versteckt hätte. Ganz dicht muß man an das Wasser herantreten, bald von dieser, bald von jener Seite vorpirschend, um allmählich einen Gesamteindruck von der Größe und Mächtigkeit dieses Weltwunders zu gewinnen. Dann erst begreift man, welch prachtvolle Verbindung die Natur hier geschaffen hat: einer der drei größten Fälle der Welt — denn 2 Kilometer ist der Zambesi breit, von Inseln und Klippen in viele Arme geteilt, und 150 Meter tief stürzt er sich hinab —, und ein gewaltiger, tiefer Canon sind hier zu einem Ganzen verschmolzen. In einer engen, kaum 60 Meter breiten Schlucht werden die herabstürzenden Wasser des Flusses aufgefangen und senkrecht steigen auf der anderen Seite die Felsen wieder 150 Meter empor. Und unten im Canon donnert und brodelt das Wasser und wirft Wolken feuchten Wasserstandes empor, in den die Sonne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/375>, abgerufen am 08.05.2024.