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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Südafrikanische Lindrücke

Vereinigung des gewaltigen südafrikanischen Reichs unter britischen Zepter
erkämpft; er hat die bedeutendsten industriellen Unternehmungen des Landes
geleitet und neugeschaffen; er hat den britischen Imperialismus gefördert, wie
kaum ein anderer; ihm schwebte eine britische Weltherrschaft im Bündnis mit
Deutschland und Amerika vor. Aber sein Herz hing an den weiten Strecken
Landes, das er allein für sein Vaterland erworben hatte und das jetzt seinen
Namen trägt. Das war seine eigenste Schöpfung; um seine Erhaltung hat er
oft genug gebangt und gekämpft. Hier in den Matoppo Hills hatte er Wochen
bangen Wartens und geduldigen Harrens verlebt, als er in: Matabeleaufstand
mit feindlichen Führern verhandelte und die Zukunft des Landes von dem
Zustandekommen einer Verständigung abhing.

So ist auch die starre, tote Einsamkeit der Matoppo Hills durchgeistigt
und belebt von dem Willen eines Menschen. Und gerade diese geistige Durch¬
dringung der Natur durch den Geist eines großen Menschen, dieses Einswerden
von Mensch und Natur, das ist der stärkste und dauerndste Eindruck, den die
Matoppo Hills hinterlassen.


4. Kimberley und Cullinan

Die Debeers-Mine in Kimberley und die Premier-Mine in Cullinan bei
Pretoria, wenige hundert Kilonieter von einander entfernt, sind die einzigen
Stellen in der Welt, wo die Diamanten im Großbetriebe des modernen
Kapitalismus gefördert und verarbeitet werden. Hier sind Tausende von weißen
Angestellten, Zehntausende von schwarzen Arbeitern, viele Millionen Kapital
ausschließlich damit beschäftigt, jene kleinen weißen Steine zu fördern, die
keinem anderen Zwecke dienen, als die Frau zu schmücken.

Beides hochentwickelte moderne Großbetriebe mit einem bis ins Feinste
entwickelten Mechanismus. Aber beide von Grund auf verschieden in Ent¬
stehung und Entwicklung. Debeers ist der Krupp, Premier der Thyssen der
Diamanten. Jenes ein Werk, das auf eine vierzigjährige Geschichte, eine stetige,
große Weiterentwicklung zurückblickt; dieses kaum zehn Jahre alt und doch
fertig, gewaltig -- wie aus der Erde gewachsen.

Auch das Verfahren -- der Produktionsprozeß bei beiden ist von Grund
auf verschieden. Die Debeers-Minen dem modernen Steinkohlenbergwerk ver¬
gleichbar: Förderanlagen, Schächte, Stollen, Gänge, ausschließlich Untertage¬
arbeit. Auf weiten Flächen wird dann das diamanthaltige Gestein, der
Blueground, ein Jahr lang gelagert und, um es zu zersetzen, den Einflüssen
der Witterung ausgesetzt. Daraus wird es gewaschen und in ein System von
immer enger werdenden Sieben gebracht, bis schließlich nur die feinkörnigen
Überreste übrig bleiben, aus denen die Diamanten gelesen werden.

Ganz anders, noch eindrucksvoller, weil noch konzentrierter, die Premier-
Mine. Hier wird nur im Tagebau gearbeitet, denn der Blueground steigt von
über tausend Meter Tiefe bis zur Oberfläche empor. Ein riesiges Loch ist


Südafrikanische Lindrücke

Vereinigung des gewaltigen südafrikanischen Reichs unter britischen Zepter
erkämpft; er hat die bedeutendsten industriellen Unternehmungen des Landes
geleitet und neugeschaffen; er hat den britischen Imperialismus gefördert, wie
kaum ein anderer; ihm schwebte eine britische Weltherrschaft im Bündnis mit
Deutschland und Amerika vor. Aber sein Herz hing an den weiten Strecken
Landes, das er allein für sein Vaterland erworben hatte und das jetzt seinen
Namen trägt. Das war seine eigenste Schöpfung; um seine Erhaltung hat er
oft genug gebangt und gekämpft. Hier in den Matoppo Hills hatte er Wochen
bangen Wartens und geduldigen Harrens verlebt, als er in: Matabeleaufstand
mit feindlichen Führern verhandelte und die Zukunft des Landes von dem
Zustandekommen einer Verständigung abhing.

So ist auch die starre, tote Einsamkeit der Matoppo Hills durchgeistigt
und belebt von dem Willen eines Menschen. Und gerade diese geistige Durch¬
dringung der Natur durch den Geist eines großen Menschen, dieses Einswerden
von Mensch und Natur, das ist der stärkste und dauerndste Eindruck, den die
Matoppo Hills hinterlassen.


4. Kimberley und Cullinan

Die Debeers-Mine in Kimberley und die Premier-Mine in Cullinan bei
Pretoria, wenige hundert Kilonieter von einander entfernt, sind die einzigen
Stellen in der Welt, wo die Diamanten im Großbetriebe des modernen
Kapitalismus gefördert und verarbeitet werden. Hier sind Tausende von weißen
Angestellten, Zehntausende von schwarzen Arbeitern, viele Millionen Kapital
ausschließlich damit beschäftigt, jene kleinen weißen Steine zu fördern, die
keinem anderen Zwecke dienen, als die Frau zu schmücken.

Beides hochentwickelte moderne Großbetriebe mit einem bis ins Feinste
entwickelten Mechanismus. Aber beide von Grund auf verschieden in Ent¬
stehung und Entwicklung. Debeers ist der Krupp, Premier der Thyssen der
Diamanten. Jenes ein Werk, das auf eine vierzigjährige Geschichte, eine stetige,
große Weiterentwicklung zurückblickt; dieses kaum zehn Jahre alt und doch
fertig, gewaltig — wie aus der Erde gewachsen.

Auch das Verfahren — der Produktionsprozeß bei beiden ist von Grund
auf verschieden. Die Debeers-Minen dem modernen Steinkohlenbergwerk ver¬
gleichbar: Förderanlagen, Schächte, Stollen, Gänge, ausschließlich Untertage¬
arbeit. Auf weiten Flächen wird dann das diamanthaltige Gestein, der
Blueground, ein Jahr lang gelagert und, um es zu zersetzen, den Einflüssen
der Witterung ausgesetzt. Daraus wird es gewaschen und in ein System von
immer enger werdenden Sieben gebracht, bis schließlich nur die feinkörnigen
Überreste übrig bleiben, aus denen die Diamanten gelesen werden.

Ganz anders, noch eindrucksvoller, weil noch konzentrierter, die Premier-
Mine. Hier wird nur im Tagebau gearbeitet, denn der Blueground steigt von
über tausend Meter Tiefe bis zur Oberfläche empor. Ein riesiges Loch ist


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[0377] Südafrikanische Lindrücke Vereinigung des gewaltigen südafrikanischen Reichs unter britischen Zepter erkämpft; er hat die bedeutendsten industriellen Unternehmungen des Landes geleitet und neugeschaffen; er hat den britischen Imperialismus gefördert, wie kaum ein anderer; ihm schwebte eine britische Weltherrschaft im Bündnis mit Deutschland und Amerika vor. Aber sein Herz hing an den weiten Strecken Landes, das er allein für sein Vaterland erworben hatte und das jetzt seinen Namen trägt. Das war seine eigenste Schöpfung; um seine Erhaltung hat er oft genug gebangt und gekämpft. Hier in den Matoppo Hills hatte er Wochen bangen Wartens und geduldigen Harrens verlebt, als er in: Matabeleaufstand mit feindlichen Führern verhandelte und die Zukunft des Landes von dem Zustandekommen einer Verständigung abhing. So ist auch die starre, tote Einsamkeit der Matoppo Hills durchgeistigt und belebt von dem Willen eines Menschen. Und gerade diese geistige Durch¬ dringung der Natur durch den Geist eines großen Menschen, dieses Einswerden von Mensch und Natur, das ist der stärkste und dauerndste Eindruck, den die Matoppo Hills hinterlassen. 4. Kimberley und Cullinan Die Debeers-Mine in Kimberley und die Premier-Mine in Cullinan bei Pretoria, wenige hundert Kilonieter von einander entfernt, sind die einzigen Stellen in der Welt, wo die Diamanten im Großbetriebe des modernen Kapitalismus gefördert und verarbeitet werden. Hier sind Tausende von weißen Angestellten, Zehntausende von schwarzen Arbeitern, viele Millionen Kapital ausschließlich damit beschäftigt, jene kleinen weißen Steine zu fördern, die keinem anderen Zwecke dienen, als die Frau zu schmücken. Beides hochentwickelte moderne Großbetriebe mit einem bis ins Feinste entwickelten Mechanismus. Aber beide von Grund auf verschieden in Ent¬ stehung und Entwicklung. Debeers ist der Krupp, Premier der Thyssen der Diamanten. Jenes ein Werk, das auf eine vierzigjährige Geschichte, eine stetige, große Weiterentwicklung zurückblickt; dieses kaum zehn Jahre alt und doch fertig, gewaltig — wie aus der Erde gewachsen. Auch das Verfahren — der Produktionsprozeß bei beiden ist von Grund auf verschieden. Die Debeers-Minen dem modernen Steinkohlenbergwerk ver¬ gleichbar: Förderanlagen, Schächte, Stollen, Gänge, ausschließlich Untertage¬ arbeit. Auf weiten Flächen wird dann das diamanthaltige Gestein, der Blueground, ein Jahr lang gelagert und, um es zu zersetzen, den Einflüssen der Witterung ausgesetzt. Daraus wird es gewaschen und in ein System von immer enger werdenden Sieben gebracht, bis schließlich nur die feinkörnigen Überreste übrig bleiben, aus denen die Diamanten gelesen werden. Ganz anders, noch eindrucksvoller, weil noch konzentrierter, die Premier- Mine. Hier wird nur im Tagebau gearbeitet, denn der Blueground steigt von über tausend Meter Tiefe bis zur Oberfläche empor. Ein riesiges Loch ist

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/377>, abgerufen am 08.05.2024.