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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Heeresvermehrung oder Heeresverstärkung?

n den letzten Wochen ist wieder mehr als es gut ist von der
deutschen Armee die Rede gewesen. Unsere Neider und Feinde
außerhalb haben versucht die Prinzipien, die die deutsche Armee
beherrschen, für den Zusammenbruch des türkischen Heeres ver¬
antwortlich zu machen und haben damit natürlich auch jene
deutschen Offiziere treffen wollen, die im Osmanenreich als Instrukteure tätig sind
und waren. Die Tagespresse hat die Nichtswürdigkeiten mit gebührender
Schärfe zurückgewiesen. Was hat, in der Tat, unser ehrliches Mühen mit dem
politischen Geiste zu tun, der das ehedem so ruhmreiche Heer der Osmanen
vernichtete?! Wenn man uns durchaus tadeln will, so könnte man es doch
nur dafür, das wir dem Nimbus des Islam noch soviel vertrauten, um an
eine Erneuerung der Türkei ernsthaft glauben zu können.

Nun gibt es eine nicht geringe Zahl von guten Patrioten, die sich von
der Agitation unserer Gegner gegen die deutsche Armee eine Wirkung ver¬
sprechen, die den europäischen Frieden bedroht; die Furcht vor Deutschland sei
hin, und um so größer sei die Neigung es herauszufordern. Wir wollen darüber
nicht rechten, ob die Beobachtung zutrifft oder nicht, es erscheint uns vielmehr
natürlich, wenn die unverbesserlichen i-evanLkÄl-ä8 kein Mittel unversucht lassen,
um die bei den Franzosen hier und da einziehende Friedensliebe gegen
Deutschland zurückzudrängen und den kriegerischen Sinn jenseits der Vogesen
von neuem anzufachen und sei es selbst auf Kosten der Wahrheit. Die Besorgnis
unserer Vaterlandsfreunde läßt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Die
Gefahr, daß die leicht entzündlichen Franzosen glauben könnten, die deutsche Armee
sei nicht mehr auf der Höhe, ist vorhanden, und somit ist auch die Notwendigkeit
gegeben, ihr zu begegnen.

Unsere Aufwendungen für Heer und Flotte stellen eine Versicherungs¬
prämie auf den Frieden dar. Diese Prämie ist naturgemäß um so höher, je
höher der Wert der zu verhindernden Güter steigt und je größer die Gefahren
sind, denen jene ausgesetzt werden. Die deutschen Patrioten, die eine Erhöhung
der Versicherungsprämie fordern, sind somit im Recht, sie passen sich lediglich
einer neuen Situation an, für deren Zustandekommen niemand die Armee wird
verantwortlich machen dürfen. Die Frage ist nur, wie die Prämiensumme im
einzelnen angelegt werden soll.




Heeresvermehrung oder Heeresverstärkung?

n den letzten Wochen ist wieder mehr als es gut ist von der
deutschen Armee die Rede gewesen. Unsere Neider und Feinde
außerhalb haben versucht die Prinzipien, die die deutsche Armee
beherrschen, für den Zusammenbruch des türkischen Heeres ver¬
antwortlich zu machen und haben damit natürlich auch jene
deutschen Offiziere treffen wollen, die im Osmanenreich als Instrukteure tätig sind
und waren. Die Tagespresse hat die Nichtswürdigkeiten mit gebührender
Schärfe zurückgewiesen. Was hat, in der Tat, unser ehrliches Mühen mit dem
politischen Geiste zu tun, der das ehedem so ruhmreiche Heer der Osmanen
vernichtete?! Wenn man uns durchaus tadeln will, so könnte man es doch
nur dafür, das wir dem Nimbus des Islam noch soviel vertrauten, um an
eine Erneuerung der Türkei ernsthaft glauben zu können.

Nun gibt es eine nicht geringe Zahl von guten Patrioten, die sich von
der Agitation unserer Gegner gegen die deutsche Armee eine Wirkung ver¬
sprechen, die den europäischen Frieden bedroht; die Furcht vor Deutschland sei
hin, und um so größer sei die Neigung es herauszufordern. Wir wollen darüber
nicht rechten, ob die Beobachtung zutrifft oder nicht, es erscheint uns vielmehr
natürlich, wenn die unverbesserlichen i-evanLkÄl-ä8 kein Mittel unversucht lassen,
um die bei den Franzosen hier und da einziehende Friedensliebe gegen
Deutschland zurückzudrängen und den kriegerischen Sinn jenseits der Vogesen
von neuem anzufachen und sei es selbst auf Kosten der Wahrheit. Die Besorgnis
unserer Vaterlandsfreunde läßt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Die
Gefahr, daß die leicht entzündlichen Franzosen glauben könnten, die deutsche Armee
sei nicht mehr auf der Höhe, ist vorhanden, und somit ist auch die Notwendigkeit
gegeben, ihr zu begegnen.

Unsere Aufwendungen für Heer und Flotte stellen eine Versicherungs¬
prämie auf den Frieden dar. Diese Prämie ist naturgemäß um so höher, je
höher der Wert der zu verhindernden Güter steigt und je größer die Gefahren
sind, denen jene ausgesetzt werden. Die deutschen Patrioten, die eine Erhöhung
der Versicherungsprämie fordern, sind somit im Recht, sie passen sich lediglich
einer neuen Situation an, für deren Zustandekommen niemand die Armee wird
verantwortlich machen dürfen. Die Frage ist nur, wie die Prämiensumme im
einzelnen angelegt werden soll.


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[0402] [Abbildung] Heeresvermehrung oder Heeresverstärkung? n den letzten Wochen ist wieder mehr als es gut ist von der deutschen Armee die Rede gewesen. Unsere Neider und Feinde außerhalb haben versucht die Prinzipien, die die deutsche Armee beherrschen, für den Zusammenbruch des türkischen Heeres ver¬ antwortlich zu machen und haben damit natürlich auch jene deutschen Offiziere treffen wollen, die im Osmanenreich als Instrukteure tätig sind und waren. Die Tagespresse hat die Nichtswürdigkeiten mit gebührender Schärfe zurückgewiesen. Was hat, in der Tat, unser ehrliches Mühen mit dem politischen Geiste zu tun, der das ehedem so ruhmreiche Heer der Osmanen vernichtete?! Wenn man uns durchaus tadeln will, so könnte man es doch nur dafür, das wir dem Nimbus des Islam noch soviel vertrauten, um an eine Erneuerung der Türkei ernsthaft glauben zu können. Nun gibt es eine nicht geringe Zahl von guten Patrioten, die sich von der Agitation unserer Gegner gegen die deutsche Armee eine Wirkung ver¬ sprechen, die den europäischen Frieden bedroht; die Furcht vor Deutschland sei hin, und um so größer sei die Neigung es herauszufordern. Wir wollen darüber nicht rechten, ob die Beobachtung zutrifft oder nicht, es erscheint uns vielmehr natürlich, wenn die unverbesserlichen i-evanLkÄl-ä8 kein Mittel unversucht lassen, um die bei den Franzosen hier und da einziehende Friedensliebe gegen Deutschland zurückzudrängen und den kriegerischen Sinn jenseits der Vogesen von neuem anzufachen und sei es selbst auf Kosten der Wahrheit. Die Besorgnis unserer Vaterlandsfreunde läßt sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Die Gefahr, daß die leicht entzündlichen Franzosen glauben könnten, die deutsche Armee sei nicht mehr auf der Höhe, ist vorhanden, und somit ist auch die Notwendigkeit gegeben, ihr zu begegnen. Unsere Aufwendungen für Heer und Flotte stellen eine Versicherungs¬ prämie auf den Frieden dar. Diese Prämie ist naturgemäß um so höher, je höher der Wert der zu verhindernden Güter steigt und je größer die Gefahren sind, denen jene ausgesetzt werden. Die deutschen Patrioten, die eine Erhöhung der Versicherungsprämie fordern, sind somit im Recht, sie passen sich lediglich einer neuen Situation an, für deren Zustandekommen niemand die Armee wird verantwortlich machen dürfen. Die Frage ist nur, wie die Prämiensumme im einzelnen angelegt werden soll.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/402>, abgerufen am 08.05.2024.