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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Arles von
(Vierzehnte Fortsetzung)
14.

Auf der Straße ist schon ein lebhaftes Treiben. Die Wormser sind schon
in Scharen da. Sie machen zuerst einen Spaziergang durch den Park, ehe sie
zum Tanze gehen.

Bauernmädchen in weißen Kleidern haben sich am Arme und gehen in breiten
Reihen. Kinder drängen sich an die Verkaufsbuden, um ihre Pfennige los zu
werden, lutschen farbiges Zuckerzeug, das sie hin und wieder aus dem Munde
hervorholen, um zu sehen, wieviel davon schon abgezuckelt sei, und jedes rühmt:
"meins schmeckt besser wie deinsl" Trompetchen, Mundharmonikas und Gummi¬
blasen lärmen. Zurufe von hüben und drüben.

Karl kauft sich an einem Stande ein Dütchen Zigarren, steckt eine an und
geht hinter dem Zuge der Kerweburschen her, der gerade aus der Roßgasse
herauskommt und in die Pfaugasse einbiegt. Es sind die vom Wirte "Zum
grünen Baum".

Vorüber ein Bursche, der eine große Fahne schwingt, hinter ihm drein die
beiden, die den Kerwebaum tragen; es ist ein mit goldenen und buntfarbigen
Bändern geschmücktes kleines Tannenstämmchen. An dem dahinter folgenden, aus
Laubzweigen gewundenen Kerwekranz hängen Trauben und Äpfel neuer Ernte.
Hinter Kerwebaum und Kerwekranz schmettern die Musikanten. Auch ein Krug
mit Wein wird mitgetragen; der Kerwebursch Schänke ihn aus. Die Leute sollen
selbst versuchen, wie gut der Wein ist, den die Wirte auf Kerb verzapfen.

Um den ganzen Zug herum hüpft ein Bajazz, der einen Reiserbesen über
seinem Kopfe Wirbeln läßt, da und dort auch auf die Fensterbrüstungen springt,
um sich ein Küßchen zu stehlen, oder er marschiert auf einige zwanzig Schritte vor
der Musikkapelle einher, seinen Besen im Takte auf und nieder hebend, als wäre
es der Stab eines Tambourmajors.

Zu Karls großem Erstaunen und auch zur Verwunderung der zuschauenden
Bauern kommt der Kerwebursch mit dem Weinkrug auf ihn zu, Schänke ihm das
Glas voll und bietet's ihm an:

"Prost, Karl, trink und laß alles drin versaufen, was dir Sorgen machen
könnt!"

Karl nimmt die Zigarre aus dem Munde und trinkt.

"Bekomms, Willeml"




Aarl Walzer
Lin Roman
Richard Arles von
(Vierzehnte Fortsetzung)
14.

Auf der Straße ist schon ein lebhaftes Treiben. Die Wormser sind schon
in Scharen da. Sie machen zuerst einen Spaziergang durch den Park, ehe sie
zum Tanze gehen.

Bauernmädchen in weißen Kleidern haben sich am Arme und gehen in breiten
Reihen. Kinder drängen sich an die Verkaufsbuden, um ihre Pfennige los zu
werden, lutschen farbiges Zuckerzeug, das sie hin und wieder aus dem Munde
hervorholen, um zu sehen, wieviel davon schon abgezuckelt sei, und jedes rühmt:
„meins schmeckt besser wie deinsl" Trompetchen, Mundharmonikas und Gummi¬
blasen lärmen. Zurufe von hüben und drüben.

Karl kauft sich an einem Stande ein Dütchen Zigarren, steckt eine an und
geht hinter dem Zuge der Kerweburschen her, der gerade aus der Roßgasse
herauskommt und in die Pfaugasse einbiegt. Es sind die vom Wirte „Zum
grünen Baum".

Vorüber ein Bursche, der eine große Fahne schwingt, hinter ihm drein die
beiden, die den Kerwebaum tragen; es ist ein mit goldenen und buntfarbigen
Bändern geschmücktes kleines Tannenstämmchen. An dem dahinter folgenden, aus
Laubzweigen gewundenen Kerwekranz hängen Trauben und Äpfel neuer Ernte.
Hinter Kerwebaum und Kerwekranz schmettern die Musikanten. Auch ein Krug
mit Wein wird mitgetragen; der Kerwebursch Schänke ihn aus. Die Leute sollen
selbst versuchen, wie gut der Wein ist, den die Wirte auf Kerb verzapfen.

Um den ganzen Zug herum hüpft ein Bajazz, der einen Reiserbesen über
seinem Kopfe Wirbeln läßt, da und dort auch auf die Fensterbrüstungen springt,
um sich ein Küßchen zu stehlen, oder er marschiert auf einige zwanzig Schritte vor
der Musikkapelle einher, seinen Besen im Takte auf und nieder hebend, als wäre
es der Stab eines Tambourmajors.

Zu Karls großem Erstaunen und auch zur Verwunderung der zuschauenden
Bauern kommt der Kerwebursch mit dem Weinkrug auf ihn zu, Schänke ihm das
Glas voll und bietet's ihm an:

„Prost, Karl, trink und laß alles drin versaufen, was dir Sorgen machen
könnt!"

Karl nimmt die Zigarre aus dem Munde und trinkt.

„Bekomms, Willeml"


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[0472] [Abbildung] Aarl Walzer Lin Roman Richard Arles von (Vierzehnte Fortsetzung) 14. Auf der Straße ist schon ein lebhaftes Treiben. Die Wormser sind schon in Scharen da. Sie machen zuerst einen Spaziergang durch den Park, ehe sie zum Tanze gehen. Bauernmädchen in weißen Kleidern haben sich am Arme und gehen in breiten Reihen. Kinder drängen sich an die Verkaufsbuden, um ihre Pfennige los zu werden, lutschen farbiges Zuckerzeug, das sie hin und wieder aus dem Munde hervorholen, um zu sehen, wieviel davon schon abgezuckelt sei, und jedes rühmt: „meins schmeckt besser wie deinsl" Trompetchen, Mundharmonikas und Gummi¬ blasen lärmen. Zurufe von hüben und drüben. Karl kauft sich an einem Stande ein Dütchen Zigarren, steckt eine an und geht hinter dem Zuge der Kerweburschen her, der gerade aus der Roßgasse herauskommt und in die Pfaugasse einbiegt. Es sind die vom Wirte „Zum grünen Baum". Vorüber ein Bursche, der eine große Fahne schwingt, hinter ihm drein die beiden, die den Kerwebaum tragen; es ist ein mit goldenen und buntfarbigen Bändern geschmücktes kleines Tannenstämmchen. An dem dahinter folgenden, aus Laubzweigen gewundenen Kerwekranz hängen Trauben und Äpfel neuer Ernte. Hinter Kerwebaum und Kerwekranz schmettern die Musikanten. Auch ein Krug mit Wein wird mitgetragen; der Kerwebursch Schänke ihn aus. Die Leute sollen selbst versuchen, wie gut der Wein ist, den die Wirte auf Kerb verzapfen. Um den ganzen Zug herum hüpft ein Bajazz, der einen Reiserbesen über seinem Kopfe Wirbeln läßt, da und dort auch auf die Fensterbrüstungen springt, um sich ein Küßchen zu stehlen, oder er marschiert auf einige zwanzig Schritte vor der Musikkapelle einher, seinen Besen im Takte auf und nieder hebend, als wäre es der Stab eines Tambourmajors. Zu Karls großem Erstaunen und auch zur Verwunderung der zuschauenden Bauern kommt der Kerwebursch mit dem Weinkrug auf ihn zu, Schänke ihm das Glas voll und bietet's ihm an: „Prost, Karl, trink und laß alles drin versaufen, was dir Sorgen machen könnt!" Karl nimmt die Zigarre aus dem Munde und trinkt. „Bekomms, Willeml"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/472>, abgerufen am 08.05.2024.