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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

zu denen auch die reifere Jugend ohne weiteres
sah, zu rechnen ist, einen erlesenen Genuß.

Aulturgeschichte

Vom lustigen Alt-England. Umgibt das
Stuartsche Königshaus in der Geschichte ein
seltsames Flimmern, oft wie echter Glanz
aufleuchtend und doch, genauer besehen, immer
ein zehrendes Schwalm, so bringt dieser
Umstand vor allen? die Schwierigkeit mit sich,
jene Reihe auffallender Herrschergestalten zu
charakterisieren. Gewiß ist, daß sich kein Fürst
und keine Fürstin von wirklicher Größe unter
ihnen befand, Wohl aber neben plumpen und
gemütlosen Narren ein Schlag geborener
Bühnenhelden. Zwei davon, Maria Stuart
und ihr Enkel Karl der Erste, haben ihr in
eine Tragödie auslaufendes Lebensschauspiel
unter dem Henkerbeil tapfer beschlossen. Der
älteste Urenkel Marias, Karl der Zweite, war
nach W. M. Thackeray ein Halunke, aber kein
Snob, -- was völlig zutrifft, den > Fall jedoch
keineswegs erschöpft. Mit der Hinrichtung
seines Vaters erstand England als Republik,
von bibelfesten Spartanern in Harnisch und
Sporenstiefeln regiert. Zehn Jahre politischer
Machtentfaltung nach außen und innen
folgten, dann starb der Zauberer, der dies
vermocht hatte, und für seinen Sohn Richard
Cromwell war "die Hand des Herrn" offen¬
bar zu schwer. Er lief davon, die frommen
Puritaner haderten und ein neuer Bürgerkrieg
drohte, als etliche Aristokraten in Befehls¬
haberstellen kurzerhand den Verbannten Stuart
zurückholten. Karl der Zweite wurde wie
der Messias empfangen, und er allein von
allen Königen seines Geschlechts hat, notdürftig
aber in beinahe origineller Weise, verstanden,
was man von ihm wollte. Eine gute und
gerechte oder gar starke Regierung konnte er
nicht bieten, dafür war er ein Stuart, aber
harte Schicksalsstöße hatten ihm den Hochmut
ausgetrieben, der die Gesinnungslosigkeit
seiner Vorfahren so unerträglich machte.
England, der puritanischen Betstunden unter
Kürassierbewachung müde, wollte einmal aus
Herzensgrunde dem "ehrt" ein Schnippchen
schlagen und dazu war der restaurierte Monarch
wie geschaffen. Seine, durch lässige Gut¬
mütigkeit gemilderte Menschenverachtung, seine
durch Geist und Witz verdeckte Würdelosigkeit,

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seine Kunst, den Mangel an Ehrgefühl und
Gewissen durch beinahe heroische Liederlichkeit
nach jeder Richtung in den Schatten zu stellen,
sie haben gleichsam elektrisierend gewirkt und
den fünfundzwanzig Jahren dieser Regierung
ein Parfüm verliehen, gegen daS ihre Schäden,
düsteren Kehrseiten und Verderbnisse niemals
recht zur Geltung gelangt sind. Das lustige
Alt-England hieß nachmals die Zeit, in der
bei Hofe zwar bisweilen das Bargeld emp¬
findlich ausging und im Lande noch öfter,
Wo aber das Paradies Mohammeds sein
kräftiges Abbild erreichte. Unter den auf
solches Hofleben gestimmten Seelen befand sich
Graf Anthony Hamilton; er hat dann in
höherem Alter, als die Stuarts und er mit
ihnen wieder im Exil saßen, unter Benutzung
von Erinnerungen eines Genossen jenes
rasenden Treibens, des Chevaliers Philibert
von Gramont, sein berühmt gewordenes Buch
verfaßt: "Der englische Hof unter König
Karl dem Zweiten." Die wohlgefällige
Schilderung von unstreitig pikanten Scandalosis
wurde schon mehrfach ins Deutsche übertragen,
jetzt durch Paul Friedrich als "Die Memoiren
des Grafen von Gramont" (Wilh. Born-
grüber, Verlag Neues Leben, Berlin W.j.
Vier Illustrationen von F. von Bayros stellen
gewagte Situationen aus Hnmiltons Berichten
dar, doch mag die Auffassung des Künstlers
im ganzen hingehen. Ein Dutzend Porträts
wäre natürlich instruktiver gewesen. Allein
diese Ausgabe ist von Gramonts kühner
Behendigkeit eigentümlich beeinflußt worden.
Ihr Bearbeiter hat nach Regeln eigenen
Geschmacks, über die er auf Seite 7 in wenig
gewinnendem Tone Rechenschaft gibt, darin
herumgewirtschaftet. Mag sein, daß die
Flüssigkeit der Erzählung -- die Verdeutschung
ist nicht schlecht -- Vorteil davon hatte. Nur
bewundert man hier eben ein neues Beispiel
des emporwuchernden literarischen in b H¬
...
<L. N. Systems.

Aunst

Ein nordischer Bildner. 1902 -- die
Ausstellung bei Keller u. Reiner, in der zum
erstenmal sein Lebenswerk umfassend in
Berlin vorgeführt wird -- und Stephan
Sinding, der Norweger, ist nicht nur in aller
Munde (das will nicht viel sagen in unserer

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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zu denen auch die reifere Jugend ohne weiteres
sah, zu rechnen ist, einen erlesenen Genuß.

Aulturgeschichte

Vom lustigen Alt-England. Umgibt das
Stuartsche Königshaus in der Geschichte ein
seltsames Flimmern, oft wie echter Glanz
aufleuchtend und doch, genauer besehen, immer
ein zehrendes Schwalm, so bringt dieser
Umstand vor allen? die Schwierigkeit mit sich,
jene Reihe auffallender Herrschergestalten zu
charakterisieren. Gewiß ist, daß sich kein Fürst
und keine Fürstin von wirklicher Größe unter
ihnen befand, Wohl aber neben plumpen und
gemütlosen Narren ein Schlag geborener
Bühnenhelden. Zwei davon, Maria Stuart
und ihr Enkel Karl der Erste, haben ihr in
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unter dem Henkerbeil tapfer beschlossen. Der
älteste Urenkel Marias, Karl der Zweite, war
nach W. M. Thackeray ein Halunke, aber kein
Snob, — was völlig zutrifft, den > Fall jedoch
keineswegs erschöpft. Mit der Hinrichtung
seines Vaters erstand England als Republik,
von bibelfesten Spartanern in Harnisch und
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der Messias empfangen, und er allein von
allen Königen seines Geschlechts hat, notdürftig
aber in beinahe origineller Weise, verstanden,
was man von ihm wollte. Eine gute und
gerechte oder gar starke Regierung konnte er
nicht bieten, dafür war er ein Stuart, aber
harte Schicksalsstöße hatten ihm den Hochmut
ausgetrieben, der die Gesinnungslosigkeit
seiner Vorfahren so unerträglich machte.
England, der puritanischen Betstunden unter
Kürassierbewachung müde, wollte einmal aus
Herzensgrunde dem „ehrt" ein Schnippchen
schlagen und dazu war der restaurierte Monarch
wie geschaffen. Seine, durch lässige Gut¬
mütigkeit gemilderte Menschenverachtung, seine
durch Geist und Witz verdeckte Würdelosigkeit,

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seine Kunst, den Mangel an Ehrgefühl und
Gewissen durch beinahe heroische Liederlichkeit
nach jeder Richtung in den Schatten zu stellen,
sie haben gleichsam elektrisierend gewirkt und
den fünfundzwanzig Jahren dieser Regierung
ein Parfüm verliehen, gegen daS ihre Schäden,
düsteren Kehrseiten und Verderbnisse niemals
recht zur Geltung gelangt sind. Das lustige
Alt-England hieß nachmals die Zeit, in der
bei Hofe zwar bisweilen das Bargeld emp¬
findlich ausging und im Lande noch öfter,
Wo aber das Paradies Mohammeds sein
kräftiges Abbild erreichte. Unter den auf
solches Hofleben gestimmten Seelen befand sich
Graf Anthony Hamilton; er hat dann in
höherem Alter, als die Stuarts und er mit
ihnen wieder im Exil saßen, unter Benutzung
von Erinnerungen eines Genossen jenes
rasenden Treibens, des Chevaliers Philibert
von Gramont, sein berühmt gewordenes Buch
verfaßt: „Der englische Hof unter König
Karl dem Zweiten." Die wohlgefällige
Schilderung von unstreitig pikanten Scandalosis
wurde schon mehrfach ins Deutsche übertragen,
jetzt durch Paul Friedrich als „Die Memoiren
des Grafen von Gramont" (Wilh. Born-
grüber, Verlag Neues Leben, Berlin W.j.
Vier Illustrationen von F. von Bayros stellen
gewagte Situationen aus Hnmiltons Berichten
dar, doch mag die Auffassung des Künstlers
im ganzen hingehen. Ein Dutzend Porträts
wäre natürlich instruktiver gewesen. Allein
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Munde (das will nicht viel sagen in unserer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/490>, abgerufen am 08.05.2024.