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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel
Präludien

Marksteine ^-- Erneuerung des Dreibundvertrages -- Der Dreibund mis Friedens¬
garantie -- Die Haltung Rußlands, -- Rückwirkung auf Deutschland -- Absage des
Zentrunis -- Die Folgen -- Petroleum-Monopol -- Versagen amtlicher Aufklärung

Die Tagesdaten der abgelaufenen Woche haben schon heute die Bedeutung
von Marksteinen für die Geschichte des deutschen Volkes sowohl wie für die
Weltgeschichte: der Waffenstillstand zwischen Türken und Balkanstaaten, die
Gründung des neuen Staatswesens Albanien, der erneute Ausbruch der griechisch¬
slawischen Gegensätze, die Verlängerung des Dreibundvertrages, die erneute
Kampfansage des Zentrums an die Reichsregierung und schließlich die Versuche
der Fraktionen (Sozialdemokraten, Liberalen und Freikonservativen!) dem
Parlamentarismus im Reichstage sowohl wie im preußischen Landtage Eingang
zu verschaffen --, das alles sind Ereignisse und Geschehnisse, von denen jedes
einzelne für sich den Ausgangspunkt zu neuen Entwicklungen und zu neuen Pro¬
blemen und somit auch zu neuen Kämpfen bildet. Welch neue Fülle von Kom¬
binationen und Möglichkeiten schließen sie nun ein, da sie fast gleichzeitig auf
uns einstürmen!

Für uns Deutsche ist aus allem das wichtigste die Erneuerung des
Dreibundvertrages. Denn damit ist die bewährte Grundlage unserer aus¬
wärtigen Politik unverändert fest geblieben; neue Orientierungen und die damit
verbundenen Treibereien und Schiebungen erübrigen sich; das Reichsschiff darf
den seit dreißig Jahren bewährten Kurs weiter steuern. So bedeutet die Erneue¬
rung des Dreibundvertrages für uns Reichsdeutsche eine gewisse Garantie im Hin¬
blick auf die Stetigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Jede
Erneuerung dieses Vertrages ist aber nicht nur ein neuer Beweis für die Sicherheit
unserer eigenen Stellung im Wettkampf der Völker; sie ist auch der beste Nachweis
dafür, was er auch den anderen Bundesgenossen bisher gewesen ist und was
diese in Zukunft von ihm erhoffen, und dies um so mehr, als der Vertrag im alten
Wortlaut erneuert wurde. Sie ist schließlich auch der glänzendste Beweis dafür,




Reichsspiegel
Präludien

Marksteine ^— Erneuerung des Dreibundvertrages — Der Dreibund mis Friedens¬
garantie — Die Haltung Rußlands, — Rückwirkung auf Deutschland — Absage des
Zentrunis — Die Folgen — Petroleum-Monopol — Versagen amtlicher Aufklärung

Die Tagesdaten der abgelaufenen Woche haben schon heute die Bedeutung
von Marksteinen für die Geschichte des deutschen Volkes sowohl wie für die
Weltgeschichte: der Waffenstillstand zwischen Türken und Balkanstaaten, die
Gründung des neuen Staatswesens Albanien, der erneute Ausbruch der griechisch¬
slawischen Gegensätze, die Verlängerung des Dreibundvertrages, die erneute
Kampfansage des Zentrums an die Reichsregierung und schließlich die Versuche
der Fraktionen (Sozialdemokraten, Liberalen und Freikonservativen!) dem
Parlamentarismus im Reichstage sowohl wie im preußischen Landtage Eingang
zu verschaffen —, das alles sind Ereignisse und Geschehnisse, von denen jedes
einzelne für sich den Ausgangspunkt zu neuen Entwicklungen und zu neuen Pro¬
blemen und somit auch zu neuen Kämpfen bildet. Welch neue Fülle von Kom¬
binationen und Möglichkeiten schließen sie nun ein, da sie fast gleichzeitig auf
uns einstürmen!

Für uns Deutsche ist aus allem das wichtigste die Erneuerung des
Dreibundvertrages. Denn damit ist die bewährte Grundlage unserer aus¬
wärtigen Politik unverändert fest geblieben; neue Orientierungen und die damit
verbundenen Treibereien und Schiebungen erübrigen sich; das Reichsschiff darf
den seit dreißig Jahren bewährten Kurs weiter steuern. So bedeutet die Erneue¬
rung des Dreibundvertrages für uns Reichsdeutsche eine gewisse Garantie im Hin¬
blick auf die Stetigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Jede
Erneuerung dieses Vertrages ist aber nicht nur ein neuer Beweis für die Sicherheit
unserer eigenen Stellung im Wettkampf der Völker; sie ist auch der beste Nachweis
dafür, was er auch den anderen Bundesgenossen bisher gewesen ist und was
diese in Zukunft von ihm erhoffen, und dies um so mehr, als der Vertrag im alten
Wortlaut erneuert wurde. Sie ist schließlich auch der glänzendste Beweis dafür,


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[0550] [Abbildung] Reichsspiegel Präludien Marksteine ^— Erneuerung des Dreibundvertrages — Der Dreibund mis Friedens¬ garantie — Die Haltung Rußlands, — Rückwirkung auf Deutschland — Absage des Zentrunis — Die Folgen — Petroleum-Monopol — Versagen amtlicher Aufklärung Die Tagesdaten der abgelaufenen Woche haben schon heute die Bedeutung von Marksteinen für die Geschichte des deutschen Volkes sowohl wie für die Weltgeschichte: der Waffenstillstand zwischen Türken und Balkanstaaten, die Gründung des neuen Staatswesens Albanien, der erneute Ausbruch der griechisch¬ slawischen Gegensätze, die Verlängerung des Dreibundvertrages, die erneute Kampfansage des Zentrums an die Reichsregierung und schließlich die Versuche der Fraktionen (Sozialdemokraten, Liberalen und Freikonservativen!) dem Parlamentarismus im Reichstage sowohl wie im preußischen Landtage Eingang zu verschaffen —, das alles sind Ereignisse und Geschehnisse, von denen jedes einzelne für sich den Ausgangspunkt zu neuen Entwicklungen und zu neuen Pro¬ blemen und somit auch zu neuen Kämpfen bildet. Welch neue Fülle von Kom¬ binationen und Möglichkeiten schließen sie nun ein, da sie fast gleichzeitig auf uns einstürmen! Für uns Deutsche ist aus allem das wichtigste die Erneuerung des Dreibundvertrages. Denn damit ist die bewährte Grundlage unserer aus¬ wärtigen Politik unverändert fest geblieben; neue Orientierungen und die damit verbundenen Treibereien und Schiebungen erübrigen sich; das Reichsschiff darf den seit dreißig Jahren bewährten Kurs weiter steuern. So bedeutet die Erneue¬ rung des Dreibundvertrages für uns Reichsdeutsche eine gewisse Garantie im Hin¬ blick auf die Stetigkeit unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Jede Erneuerung dieses Vertrages ist aber nicht nur ein neuer Beweis für die Sicherheit unserer eigenen Stellung im Wettkampf der Völker; sie ist auch der beste Nachweis dafür, was er auch den anderen Bundesgenossen bisher gewesen ist und was diese in Zukunft von ihm erhoffen, und dies um so mehr, als der Vertrag im alten Wortlaut erneuert wurde. Sie ist schließlich auch der glänzendste Beweis dafür,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/550>, abgerufen am 08.05.2024.