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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

much nur die Voraussetzungen für die erträumte
Einheitskunstaufzubriugen. DerBegeisterungS-
taumel, in den die Reinhardtschen ZirkuS-
nussührungen und die Obercnnmergnuer Spiele
einen sonst klaren Kopf wie Georg Fuchs gestürzt
Haien, ist begreiflich und entschuldbar, hält
aber einer kritischen Nachprüfung keinesfalls
Stand. Fuchs erhebt das, was als einmaliges
Experiment Passieren mochte, voreilig zum
System. Er läßt seinen -- und unser aller --
sehnsüchtigen Wunsch zum Vater seines Ge¬
dankens werden. Er fordert als Gesetz, was
zufällig in zwei oder drei Ausnahmefällen
sich bewährt hat. Er vergißt, daß die Di¬
mensionen der Arena, wenn sie auch dem
"König Ödipus" und vielleicht fünf oder sechs
anderen antiken Tragödien gewisse Monu¬
mentalwirkungen abnötigen können, der großen
Gesamtheit unserer klassischen Dramatik ge¬
radezu mörderisch werden müssen. Er ver¬
gißt weiter, daß die Verwirklichung des Volks¬
festspiels mit großer Wahrscheinlichkeit -- eS
sind heute schon Anzeichen dafür dal -- sehr
bald zur völligen Verflachung und Bana¬
lisierung aller Theaterkunst führen würde,
schon deshalb, weil die auf sechs- bis zehn¬
tausend Zuhörer berechnete Riesenarena jede
Intimität, jede Nuance erbarmungslos mordet
und von der Stimme, der Geste und der
Gesichtsmimik des Schauspielers eine ins
grob Brutale und banal Sinnfällige gesteigerte
Theatralik verlangt. Und er jubelt im ersten
Rausche über dieWiedergeburt unseresTheaters
und vergißt dabei, daß er mit seiner Taktik
den halben Shakespeare, Goethe und Schiller
und den ganzen Hebbel und Ibsen und Haupt¬
mann kurzerhand totschlägt.

Die Sehnsucht, deren Herold Fuchs ist,
teilen wir. Die Folgerungen aber, zu denen
er kommt, müssen wir ablehnen. Immer¬
hin bleibt die Feststellung von Interesse, daß
Georg Fuchs, der ehemalige Reinhardtgegner
und erfolglose Erfinder der Reliefbühne, jetzt
mit fliegenden Fahnen ins andere Lager über¬
gegangen ist. So schnell können Welt¬
anschauungen sich wandeln.

Dr. Arthur Westpha
Literatur für Jagd- und Hundeliebhaber

Die Erkenntnis, daß eine vernünftige Hege
der bessere Teil des Weidwerks sei, bricht sich

[Spaltenumbruch]

erfreulicherweise in den Kreisen der Berufs¬
jäger wie der wirklichen Jagdfreunde immer
mehr Bahn, und kein Jäger, dem an einem
gutbesetzten Revier gelegen ist, wird heute
die Sorge für den Fortbestand seines Wildes
lediglich der Natur überlassen. Wer sich des
Rechtes erfreut, das edle Weidwerk auszu¬
üben, hat auch die Pflicht, sich des Wildes
in guten wie in bösen Zeiten anzunehmen,
durch sinngemäßer Abschuß kümmernder und
schlecht veranlagter Individuen die "Rasse"
zu heben und vor allem durch geeignete
Fütterungseinrichtungen dem Wilde über die
Not des Winters hinwegzuhelfen. Denn das
wird Wohl niemand, der in Wald und Feld
zu Hause ist, leugnen: die Daseinsbedin-
gungen für die jagdbaren Tiere unserer
deutschen Heimat werden von Jahr zu Jahr
ungünstiger. Die modernen "rationellen"
Methoden des Ackerbaues und der Forstwirt¬
schaft machen dem Wilde, wenigstens dem
Schalenwilde und dem Wildgeflügel, das
Leben immer schwerer. Feldgehölze, Erlen-
und Weidenheger, Dornenhecken, Odland-
flächen und Brüche verschwinden immer mehr
aus dem Landschaftsbilde, und auch die ein¬
förmigen geschlossenen Forstbestände, die noch
dazu meist aus Radelholz bestehen, bieten
nur als junge Kulturen dem Wilde Deckung.
Schlimmer noch sieht eS mit den Asungs-
verhältnissen aus. Kiefern-, Fichten- und
Buchenbestände entbehren des Unterholzes
und der Kräuterflora vollständig, Brachacker,
auf denen sich bis tief in den Winter hinein
immer etwas Genießbares erhielt, gibt es
nicht mehr, Holzarten, deren Rinde das Wild
und Vorliebe annahm, hat man als "nutzlos"
gerötet. Es bleibt dem armen Wilde zur
Befriedigung seines ÄsungsbedürfnisseS, vulgo
Hungers, nur die Wintersaat, vorausgesetzt
natürlich, daß auch diese ihm nicht durch
Stacheldrahtzäune oder hohen Schnee ver¬
sperrt ist.

An Vorschlägen, wie die natürliche Äsung
im Winter durch künstliche Fütterung zu er¬
setzen sei, hat es in der Fachliteratur nie
gefehlt. Aber die meisten Versuche in dieser
Richtung haben nur mäßige Erfolge gezeitigt,
zuweilen sogar geradezu ungünstig auf den
Gesundheitszustand des Wildes eingewirkt,
und dadurch ist mancher Weidmann von

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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much nur die Voraussetzungen für die erträumte
Einheitskunstaufzubriugen. DerBegeisterungS-
taumel, in den die Reinhardtschen ZirkuS-
nussührungen und die Obercnnmergnuer Spiele
einen sonst klaren Kopf wie Georg Fuchs gestürzt
Haien, ist begreiflich und entschuldbar, hält
aber einer kritischen Nachprüfung keinesfalls
Stand. Fuchs erhebt das, was als einmaliges
Experiment Passieren mochte, voreilig zum
System. Er läßt seinen — und unser aller —
sehnsüchtigen Wunsch zum Vater seines Ge¬
dankens werden. Er fordert als Gesetz, was
zufällig in zwei oder drei Ausnahmefällen
sich bewährt hat. Er vergißt, daß die Di¬
mensionen der Arena, wenn sie auch dem
„König Ödipus" und vielleicht fünf oder sechs
anderen antiken Tragödien gewisse Monu¬
mentalwirkungen abnötigen können, der großen
Gesamtheit unserer klassischen Dramatik ge¬
radezu mörderisch werden müssen. Er ver¬
gißt weiter, daß die Verwirklichung des Volks¬
festspiels mit großer Wahrscheinlichkeit — eS
sind heute schon Anzeichen dafür dal — sehr
bald zur völligen Verflachung und Bana¬
lisierung aller Theaterkunst führen würde,
schon deshalb, weil die auf sechs- bis zehn¬
tausend Zuhörer berechnete Riesenarena jede
Intimität, jede Nuance erbarmungslos mordet
und von der Stimme, der Geste und der
Gesichtsmimik des Schauspielers eine ins
grob Brutale und banal Sinnfällige gesteigerte
Theatralik verlangt. Und er jubelt im ersten
Rausche über dieWiedergeburt unseresTheaters
und vergißt dabei, daß er mit seiner Taktik
den halben Shakespeare, Goethe und Schiller
und den ganzen Hebbel und Ibsen und Haupt¬
mann kurzerhand totschlägt.

Die Sehnsucht, deren Herold Fuchs ist,
teilen wir. Die Folgerungen aber, zu denen
er kommt, müssen wir ablehnen. Immer¬
hin bleibt die Feststellung von Interesse, daß
Georg Fuchs, der ehemalige Reinhardtgegner
und erfolglose Erfinder der Reliefbühne, jetzt
mit fliegenden Fahnen ins andere Lager über¬
gegangen ist. So schnell können Welt¬
anschauungen sich wandeln.

Dr. Arthur Westpha
Literatur für Jagd- und Hundeliebhaber

Die Erkenntnis, daß eine vernünftige Hege
der bessere Teil des Weidwerks sei, bricht sich

[Spaltenumbruch]

erfreulicherweise in den Kreisen der Berufs¬
jäger wie der wirklichen Jagdfreunde immer
mehr Bahn, und kein Jäger, dem an einem
gutbesetzten Revier gelegen ist, wird heute
die Sorge für den Fortbestand seines Wildes
lediglich der Natur überlassen. Wer sich des
Rechtes erfreut, das edle Weidwerk auszu¬
üben, hat auch die Pflicht, sich des Wildes
in guten wie in bösen Zeiten anzunehmen,
durch sinngemäßer Abschuß kümmernder und
schlecht veranlagter Individuen die „Rasse"
zu heben und vor allem durch geeignete
Fütterungseinrichtungen dem Wilde über die
Not des Winters hinwegzuhelfen. Denn das
wird Wohl niemand, der in Wald und Feld
zu Hause ist, leugnen: die Daseinsbedin-
gungen für die jagdbaren Tiere unserer
deutschen Heimat werden von Jahr zu Jahr
ungünstiger. Die modernen „rationellen"
Methoden des Ackerbaues und der Forstwirt¬
schaft machen dem Wilde, wenigstens dem
Schalenwilde und dem Wildgeflügel, das
Leben immer schwerer. Feldgehölze, Erlen-
und Weidenheger, Dornenhecken, Odland-
flächen und Brüche verschwinden immer mehr
aus dem Landschaftsbilde, und auch die ein¬
förmigen geschlossenen Forstbestände, die noch
dazu meist aus Radelholz bestehen, bieten
nur als junge Kulturen dem Wilde Deckung.
Schlimmer noch sieht eS mit den Asungs-
verhältnissen aus. Kiefern-, Fichten- und
Buchenbestände entbehren des Unterholzes
und der Kräuterflora vollständig, Brachacker,
auf denen sich bis tief in den Winter hinein
immer etwas Genießbares erhielt, gibt es
nicht mehr, Holzarten, deren Rinde das Wild
und Vorliebe annahm, hat man als „nutzlos"
gerötet. Es bleibt dem armen Wilde zur
Befriedigung seines ÄsungsbedürfnisseS, vulgo
Hungers, nur die Wintersaat, vorausgesetzt
natürlich, daß auch diese ihm nicht durch
Stacheldrahtzäune oder hohen Schnee ver¬
sperrt ist.

An Vorschlägen, wie die natürliche Äsung
im Winter durch künstliche Fütterung zu er¬
setzen sei, hat es in der Fachliteratur nie
gefehlt. Aber die meisten Versuche in dieser
Richtung haben nur mäßige Erfolge gezeitigt,
zuweilen sogar geradezu ungünstig auf den
Gesundheitszustand des Wildes eingewirkt,
und dadurch ist mancher Weidmann von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/592>, abgerufen am 08.05.2024.