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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel
Prinz Luitpold von Bayern f

Die Nachricht von dem Heimgang des greisen Prinzregenten von Bayern
ist überall mit tiefer Bewegung und aufrichtiger Anteilnahme aufgenommen
worden. Zwar war es ein Ereignis, das nicht überraschend gekommen ist.
Denn der ehrwürdige Herr stand längst an der äußersten Grenze, die demi
menschlichen Leben nun einmal durch das Naturgesetz gesteckt ist, und Unter¬
richtete wußten längst von dem Verfall der Kräfte, der bei der geringsten
Störung auch ohne eine an sich gefährliche Erkrankung zur Katastrophe führen
konnte. Ungewöhnlich lange hatte sich Prinz Luitpold die körperliche Frische
bewahrt; der alte Weidmann und Soldat war immer noch auf dem Posten,
als sich auf seinem Scheitel schon mehr Jahre gehäuft hatten, als auch den
lebenskräftigsten Menschen beschieden zu sein pflegen. Es wird Aufgabe einer
späteren ausführlichen Betrachtung sein, den Prinzen Luitpold als Menschen
und Regenten zu würdigen. Hier mag nur auf einiges wenige hingewiesen
werden.

Erst im Greisenalter ist Prinz Luitpold dazu gelangt, die Zügel der
Regierung seines Landes zu ergreifen. Er war bereits in das reife Mannes¬
alter eingetreten, als er zum ersten Male mit der Wahrscheinlichkeit rechnen
mußte, daß die Krone von Bauern einmal an seine Familie fallen werde.
Aber auch dann hat er wohl nicht geglaubt, daß es ihm selbst noch beschieden
sein würde, die Negierung zu führen. AIs dritter Sohn des Königs Ludwig des
Ersten wurde er, der Tradition seines Hauses und seiner eigenen frühzeitig hervor¬
tretenden Neigung entsprechend, vorwiegend zum Soldaten erzogen. Den
Pflichten des militärischen Dienstes widmete er sich allezeit mit großer Hingebung,
und besonders für die Artilleriewaffe hegte er eine große Vorliebe und ein
bemerkenswertes Interesse. Der Vater hatte von Anfang an bei der Erziehung
des Prinzen sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, daß der junge Luitpold zu
einem "teutschen Mann" erzogen werde. Die Hoffnung des Königs hat sich


Greiizboten IV 1912 75


Reichsspiegel
Prinz Luitpold von Bayern f

Die Nachricht von dem Heimgang des greisen Prinzregenten von Bayern
ist überall mit tiefer Bewegung und aufrichtiger Anteilnahme aufgenommen
worden. Zwar war es ein Ereignis, das nicht überraschend gekommen ist.
Denn der ehrwürdige Herr stand längst an der äußersten Grenze, die demi
menschlichen Leben nun einmal durch das Naturgesetz gesteckt ist, und Unter¬
richtete wußten längst von dem Verfall der Kräfte, der bei der geringsten
Störung auch ohne eine an sich gefährliche Erkrankung zur Katastrophe führen
konnte. Ungewöhnlich lange hatte sich Prinz Luitpold die körperliche Frische
bewahrt; der alte Weidmann und Soldat war immer noch auf dem Posten,
als sich auf seinem Scheitel schon mehr Jahre gehäuft hatten, als auch den
lebenskräftigsten Menschen beschieden zu sein pflegen. Es wird Aufgabe einer
späteren ausführlichen Betrachtung sein, den Prinzen Luitpold als Menschen
und Regenten zu würdigen. Hier mag nur auf einiges wenige hingewiesen
werden.

Erst im Greisenalter ist Prinz Luitpold dazu gelangt, die Zügel der
Regierung seines Landes zu ergreifen. Er war bereits in das reife Mannes¬
alter eingetreten, als er zum ersten Male mit der Wahrscheinlichkeit rechnen
mußte, daß die Krone von Bauern einmal an seine Familie fallen werde.
Aber auch dann hat er wohl nicht geglaubt, daß es ihm selbst noch beschieden
sein würde, die Negierung zu führen. AIs dritter Sohn des Königs Ludwig des
Ersten wurde er, der Tradition seines Hauses und seiner eigenen frühzeitig hervor¬
tretenden Neigung entsprechend, vorwiegend zum Soldaten erzogen. Den
Pflichten des militärischen Dienstes widmete er sich allezeit mit großer Hingebung,
und besonders für die Artilleriewaffe hegte er eine große Vorliebe und ein
bemerkenswertes Interesse. Der Vater hatte von Anfang an bei der Erziehung
des Prinzen sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, daß der junge Luitpold zu
einem „teutschen Mann" erzogen werde. Die Hoffnung des Königs hat sich


Greiizboten IV 1912 75
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[0596] [Abbildung] Reichsspiegel Prinz Luitpold von Bayern f Die Nachricht von dem Heimgang des greisen Prinzregenten von Bayern ist überall mit tiefer Bewegung und aufrichtiger Anteilnahme aufgenommen worden. Zwar war es ein Ereignis, das nicht überraschend gekommen ist. Denn der ehrwürdige Herr stand längst an der äußersten Grenze, die demi menschlichen Leben nun einmal durch das Naturgesetz gesteckt ist, und Unter¬ richtete wußten längst von dem Verfall der Kräfte, der bei der geringsten Störung auch ohne eine an sich gefährliche Erkrankung zur Katastrophe führen konnte. Ungewöhnlich lange hatte sich Prinz Luitpold die körperliche Frische bewahrt; der alte Weidmann und Soldat war immer noch auf dem Posten, als sich auf seinem Scheitel schon mehr Jahre gehäuft hatten, als auch den lebenskräftigsten Menschen beschieden zu sein pflegen. Es wird Aufgabe einer späteren ausführlichen Betrachtung sein, den Prinzen Luitpold als Menschen und Regenten zu würdigen. Hier mag nur auf einiges wenige hingewiesen werden. Erst im Greisenalter ist Prinz Luitpold dazu gelangt, die Zügel der Regierung seines Landes zu ergreifen. Er war bereits in das reife Mannes¬ alter eingetreten, als er zum ersten Male mit der Wahrscheinlichkeit rechnen mußte, daß die Krone von Bauern einmal an seine Familie fallen werde. Aber auch dann hat er wohl nicht geglaubt, daß es ihm selbst noch beschieden sein würde, die Negierung zu führen. AIs dritter Sohn des Königs Ludwig des Ersten wurde er, der Tradition seines Hauses und seiner eigenen frühzeitig hervor¬ tretenden Neigung entsprechend, vorwiegend zum Soldaten erzogen. Den Pflichten des militärischen Dienstes widmete er sich allezeit mit großer Hingebung, und besonders für die Artilleriewaffe hegte er eine große Vorliebe und ein bemerkenswertes Interesse. Der Vater hatte von Anfang an bei der Erziehung des Prinzen sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, daß der junge Luitpold zu einem „teutschen Mann" erzogen werde. Die Hoffnung des Königs hat sich Greiizboten IV 1912 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/596>, abgerufen am 08.05.2024.