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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Unterbringung in eine Erziehungsanstalt zu
erkennen haben. Es ist ein großer Vorzug
unseres Entwurfes, daß der Richter nicht
gleich zu der schwersten Maßregel zu greifen
gezwungen ist.

Ist nun aber einmal ein regelrechtes
Strafverfahren eröffnet, so gehört es in den
meisten Fällen bor die Jugendgerichte. Nur
die schwereren Verbrechen und Vergehen sind
den Strafkammern vorbehalten. Das Jugend¬
gericht soll von der Landesjustizverwaltung
je nach Bedürfnis bei dem Amtsgericht er¬
richtet werden. Als Schöffen sind dabei nur
Personen zu berufen, die in der Jugend¬
erziehung besonders erfahren sind. Auch
Volksschullehrer, die sonst nicht zu Schöffen
bestellt werden, können hier zugezogen werden.

Eine Reihe von Bestimmungen regeln
dann die Verteidigung des Jugendlichen, die
Zuziehung eines Beistandes, die Ersetzung
der Untersuchungshaft 'durch Unterbringung
in einer Erziehungsanstalt sowie die Befugnis
des Gerichtes, jederzeit im Interesse des
Jugendlichen die Öffentlichkeit auszuschließen.

An den Vorschriften des Strafgesetzbuches
ist zwar nichts geändert. Immer noch be¬
ginnt die Strafmündigkeit mit dem zwölften
Lebensjahr und die Bestrafung hängt ab von
der Einsicht des Jugendlichen in die Straf¬
barkeit seines Tuns. Jedoch durch die Mög¬
lichkeit, statt eines Urteils Einstellung des
Verfahrens und Abgabe an die Vormund-
schaflsbehörde auszusprechen, werden diese
Mängel des Strafrechts überwunden werden
können.

So radikal wie das belgische Kinderschutz-
gesetz vom Is. Mai 1912 ist der deutsche
Entwurf freilich nicht.") In Belgien kommt
jeder Jugendliche unter 16 Jahren vor den
Jugendrichter und an die Stelle der Strafe,
welches auch die juristische Qualifikation der
Straftat sei, tritt eine Erziehungs- oder Be-
hütungsmaßregel. Indessen ist es vielleicht
nicht angebracht, in allen Fällen auf die all-

[Spaltenumbruch]

gemein abschreckende Kraft der Strafe auch
gegenüber Jugendlichen zu verzichten; hier
muß eine verständige Praxis die Interessen
der Gesamtheit und die des Jugendlichen zu
vereinen wissen. Jedenfalls entspricht der
Entwurf einem von der Jugendbewegung
lange geforderten Wunsche und dürfte bald
zum Gesetz werden.

Dr. zur. et rer. pol. Rurt Peschke
Schöne Literatur
Die jungen Schweizer.

Die herbe Ab¬
sonderung und innere Vornehmheit, die Ber¬
nard Bouvier, der rühmlich bekannte Ro¬
manist der Genfer Universität seinem Buche:
"Jean Jacques Rousseau"") zu verleihen
verstand, beruht Wohl letzten Endes aus
der ungewöhnlichen Höhe der Anforde¬
rung, die er an sich stellt. Mit der Geste des
gelehrten Aristokraten hat er vieles, was wir
sonst gewohnt sind als Ziel, als Erfüllung
anzusehen, zur Voraussetzung herabgemindert
und mit der eigentlichen Arbeit dort an¬
gesetzt, wo die meisten aufhören. Wir müssen,
seinem gebietenden Willen folgend, die bis
ins einzelnste gehende Kenntnis, ja was noch
mehr: die unbedingte Herrschaft über den
weitverzweigten, verwickelten und wenig durch¬
gearbeiteten Stoff, die kristallene Klarheit und
Schärfe der Darstellung, die Vornehmheit
seiner warmen Sprache, -- das alles müssen
wir als gegeben hinnehmen und darüber
hinausgehen, wenn wir zum eigentlichen Ver¬
dienst dieses seltenen Werkes Vordringen wollen.

Schon als Gattung bezeichnen die in einem
Bande vereinigten zehn "Lonköreiiees" in ihrer
Einheitlichkeit etwas Seltenes und sehr Neues,
wenn nicht als ideale Forderung oder als
literarhistorische Theorie und Methodik, so doch
als Tat, mis Verwirklichung. Sie bedeuten
eine innere Biographie, die die äußere, die
anekdotische nicht etwa ignoriert, sondern ab¬
sorbiert, restlos in ihre geistige Bedeutung
auflöst und von aller Zufälligkeit reinigt.
Sowohl die individuelle, wie die phyloge-
netische Entstehungsgeschichte der folgenreichen
Psyche Rousseaus erschließt sich wie von selbst
aus seinen Werken, aus seinein Leben, oder

[Ende Spaltensatz]
Dieses Gesetz ist unter dem Titel "Ein
modernes Jugendgesetz" von Dr. Hans von
tzentig ins Deutsche übersetzt und eingeleitet
worden. (Säemann - Schriften für Erziehung
und Unterricht, B. G. Teubner, Leipzig und
Berlin. 1912. M. 0.80.)
") (Zenvve 1912, me? ^V. .lutum.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Unterbringung in eine Erziehungsanstalt zu
erkennen haben. Es ist ein großer Vorzug
unseres Entwurfes, daß der Richter nicht
gleich zu der schwersten Maßregel zu greifen
gezwungen ist.

Ist nun aber einmal ein regelrechtes
Strafverfahren eröffnet, so gehört es in den
meisten Fällen bor die Jugendgerichte. Nur
die schwereren Verbrechen und Vergehen sind
den Strafkammern vorbehalten. Das Jugend¬
gericht soll von der Landesjustizverwaltung
je nach Bedürfnis bei dem Amtsgericht er¬
richtet werden. Als Schöffen sind dabei nur
Personen zu berufen, die in der Jugend¬
erziehung besonders erfahren sind. Auch
Volksschullehrer, die sonst nicht zu Schöffen
bestellt werden, können hier zugezogen werden.

Eine Reihe von Bestimmungen regeln
dann die Verteidigung des Jugendlichen, die
Zuziehung eines Beistandes, die Ersetzung
der Untersuchungshaft 'durch Unterbringung
in einer Erziehungsanstalt sowie die Befugnis
des Gerichtes, jederzeit im Interesse des
Jugendlichen die Öffentlichkeit auszuschließen.

An den Vorschriften des Strafgesetzbuches
ist zwar nichts geändert. Immer noch be¬
ginnt die Strafmündigkeit mit dem zwölften
Lebensjahr und die Bestrafung hängt ab von
der Einsicht des Jugendlichen in die Straf¬
barkeit seines Tuns. Jedoch durch die Mög¬
lichkeit, statt eines Urteils Einstellung des
Verfahrens und Abgabe an die Vormund-
schaflsbehörde auszusprechen, werden diese
Mängel des Strafrechts überwunden werden
können.

So radikal wie das belgische Kinderschutz-
gesetz vom Is. Mai 1912 ist der deutsche
Entwurf freilich nicht.") In Belgien kommt
jeder Jugendliche unter 16 Jahren vor den
Jugendrichter und an die Stelle der Strafe,
welches auch die juristische Qualifikation der
Straftat sei, tritt eine Erziehungs- oder Be-
hütungsmaßregel. Indessen ist es vielleicht
nicht angebracht, in allen Fällen auf die all-

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gemein abschreckende Kraft der Strafe auch
gegenüber Jugendlichen zu verzichten; hier
muß eine verständige Praxis die Interessen
der Gesamtheit und die des Jugendlichen zu
vereinen wissen. Jedenfalls entspricht der
Entwurf einem von der Jugendbewegung
lange geforderten Wunsche und dürfte bald
zum Gesetz werden.

Dr. zur. et rer. pol. Rurt Peschke
Schöne Literatur
Die jungen Schweizer.

Die herbe Ab¬
sonderung und innere Vornehmheit, die Ber¬
nard Bouvier, der rühmlich bekannte Ro¬
manist der Genfer Universität seinem Buche:
„Jean Jacques Rousseau"") zu verleihen
verstand, beruht Wohl letzten Endes aus
der ungewöhnlichen Höhe der Anforde¬
rung, die er an sich stellt. Mit der Geste des
gelehrten Aristokraten hat er vieles, was wir
sonst gewohnt sind als Ziel, als Erfüllung
anzusehen, zur Voraussetzung herabgemindert
und mit der eigentlichen Arbeit dort an¬
gesetzt, wo die meisten aufhören. Wir müssen,
seinem gebietenden Willen folgend, die bis
ins einzelnste gehende Kenntnis, ja was noch
mehr: die unbedingte Herrschaft über den
weitverzweigten, verwickelten und wenig durch¬
gearbeiteten Stoff, die kristallene Klarheit und
Schärfe der Darstellung, die Vornehmheit
seiner warmen Sprache, — das alles müssen
wir als gegeben hinnehmen und darüber
hinausgehen, wenn wir zum eigentlichen Ver¬
dienst dieses seltenen Werkes Vordringen wollen.

Schon als Gattung bezeichnen die in einem
Bande vereinigten zehn „Lonköreiiees" in ihrer
Einheitlichkeit etwas Seltenes und sehr Neues,
wenn nicht als ideale Forderung oder als
literarhistorische Theorie und Methodik, so doch
als Tat, mis Verwirklichung. Sie bedeuten
eine innere Biographie, die die äußere, die
anekdotische nicht etwa ignoriert, sondern ab¬
sorbiert, restlos in ihre geistige Bedeutung
auflöst und von aller Zufälligkeit reinigt.
Sowohl die individuelle, wie die phyloge-
netische Entstehungsgeschichte der folgenreichen
Psyche Rousseaus erschließt sich wie von selbst
aus seinen Werken, aus seinein Leben, oder

[Ende Spaltensatz]
Dieses Gesetz ist unter dem Titel „Ein
modernes Jugendgesetz" von Dr. Hans von
tzentig ins Deutsche übersetzt und eingeleitet
worden. (Säemann - Schriften für Erziehung
und Unterricht, B. G. Teubner, Leipzig und
Berlin. 1912. M. 0.80.)
") (Zenvve 1912, me? ^V. .lutum.
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[0203] Maßgebliches und Unmaßgebliches Unterbringung in eine Erziehungsanstalt zu erkennen haben. Es ist ein großer Vorzug unseres Entwurfes, daß der Richter nicht gleich zu der schwersten Maßregel zu greifen gezwungen ist. Ist nun aber einmal ein regelrechtes Strafverfahren eröffnet, so gehört es in den meisten Fällen bor die Jugendgerichte. Nur die schwereren Verbrechen und Vergehen sind den Strafkammern vorbehalten. Das Jugend¬ gericht soll von der Landesjustizverwaltung je nach Bedürfnis bei dem Amtsgericht er¬ richtet werden. Als Schöffen sind dabei nur Personen zu berufen, die in der Jugend¬ erziehung besonders erfahren sind. Auch Volksschullehrer, die sonst nicht zu Schöffen bestellt werden, können hier zugezogen werden. Eine Reihe von Bestimmungen regeln dann die Verteidigung des Jugendlichen, die Zuziehung eines Beistandes, die Ersetzung der Untersuchungshaft 'durch Unterbringung in einer Erziehungsanstalt sowie die Befugnis des Gerichtes, jederzeit im Interesse des Jugendlichen die Öffentlichkeit auszuschließen. An den Vorschriften des Strafgesetzbuches ist zwar nichts geändert. Immer noch be¬ ginnt die Strafmündigkeit mit dem zwölften Lebensjahr und die Bestrafung hängt ab von der Einsicht des Jugendlichen in die Straf¬ barkeit seines Tuns. Jedoch durch die Mög¬ lichkeit, statt eines Urteils Einstellung des Verfahrens und Abgabe an die Vormund- schaflsbehörde auszusprechen, werden diese Mängel des Strafrechts überwunden werden können. So radikal wie das belgische Kinderschutz- gesetz vom Is. Mai 1912 ist der deutsche Entwurf freilich nicht.") In Belgien kommt jeder Jugendliche unter 16 Jahren vor den Jugendrichter und an die Stelle der Strafe, welches auch die juristische Qualifikation der Straftat sei, tritt eine Erziehungs- oder Be- hütungsmaßregel. Indessen ist es vielleicht nicht angebracht, in allen Fällen auf die all- gemein abschreckende Kraft der Strafe auch gegenüber Jugendlichen zu verzichten; hier muß eine verständige Praxis die Interessen der Gesamtheit und die des Jugendlichen zu vereinen wissen. Jedenfalls entspricht der Entwurf einem von der Jugendbewegung lange geforderten Wunsche und dürfte bald zum Gesetz werden. Dr. zur. et rer. pol. Rurt Peschke Schöne Literatur Die jungen Schweizer. Die herbe Ab¬ sonderung und innere Vornehmheit, die Ber¬ nard Bouvier, der rühmlich bekannte Ro¬ manist der Genfer Universität seinem Buche: „Jean Jacques Rousseau"") zu verleihen verstand, beruht Wohl letzten Endes aus der ungewöhnlichen Höhe der Anforde¬ rung, die er an sich stellt. Mit der Geste des gelehrten Aristokraten hat er vieles, was wir sonst gewohnt sind als Ziel, als Erfüllung anzusehen, zur Voraussetzung herabgemindert und mit der eigentlichen Arbeit dort an¬ gesetzt, wo die meisten aufhören. Wir müssen, seinem gebietenden Willen folgend, die bis ins einzelnste gehende Kenntnis, ja was noch mehr: die unbedingte Herrschaft über den weitverzweigten, verwickelten und wenig durch¬ gearbeiteten Stoff, die kristallene Klarheit und Schärfe der Darstellung, die Vornehmheit seiner warmen Sprache, — das alles müssen wir als gegeben hinnehmen und darüber hinausgehen, wenn wir zum eigentlichen Ver¬ dienst dieses seltenen Werkes Vordringen wollen. Schon als Gattung bezeichnen die in einem Bande vereinigten zehn „Lonköreiiees" in ihrer Einheitlichkeit etwas Seltenes und sehr Neues, wenn nicht als ideale Forderung oder als literarhistorische Theorie und Methodik, so doch als Tat, mis Verwirklichung. Sie bedeuten eine innere Biographie, die die äußere, die anekdotische nicht etwa ignoriert, sondern ab¬ sorbiert, restlos in ihre geistige Bedeutung auflöst und von aller Zufälligkeit reinigt. Sowohl die individuelle, wie die phyloge- netische Entstehungsgeschichte der folgenreichen Psyche Rousseaus erschließt sich wie von selbst aus seinen Werken, aus seinein Leben, oder Dieses Gesetz ist unter dem Titel „Ein modernes Jugendgesetz" von Dr. Hans von tzentig ins Deutsche übersetzt und eingeleitet worden. (Säemann - Schriften für Erziehung und Unterricht, B. G. Teubner, Leipzig und Berlin. 1912. M. 0.80.) ") (Zenvve 1912, me? ^V. .lutum.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/203>, abgerufen am 04.05.2024.