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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Briefe aus Trcbeldorf

kaiserlicher Resident in Moskau zu werden. Mit den anderen Gesandten siedelte
er dann nach Se. Petersburg über, das sich Zar Peter zur ständigen Residenz
erwählt hatte. Hier ereilte ihn sein Mißgeschick. Pieper knüpfte unvorsichtiger
Weise Verbindungen mit dem unglücklichen Kronprinzen Alexis an, der mit
Kaiser Karl dem Sechsten verschwägert war. Nach dem Tode Alexis sah sich
der Kaiser vom Zaren genötigt, Pieper im Jahre 1719 abzuberufen. Er
ernannte an seine Stelle keinen neuen Residenten, sondern befahl, daß der
russische Resident zu Wien und der russische Agent zu Breslau stehenden Fußes
das Land räumen sollten. Nun griff Zar Peter zu Repressalien. Auf Empfehlung
des kaiserlichen Hofes hielten sich Jesuiten in Se. Petersburg, in Moskau und in
Archangelsk auf. Durch öffentlichen Anschlag wurde nun im Mai 1719 von
Seiner Zarischen Majestät "den Jesuiten innerhalb vier Tagen nach geschehener
Insinuation das Russische Reich zu quittieren, ernstlich anbefohlen, indem der¬
selben gefährliche Machinationes und wie gerne sie sich in politische Händel
mischen, der Welt sattsam bekannt wären."




Briefe aus Trebeldorf
Karl Arickeberg von
(sechste Fortsetzung)

Trebeldorf, den 3. Januar 19 . .


Lieber Cunz,

das ist wider die Abrede. Alles Konventionelle sollte zwischen uns unter¬
bleiben; und nun schickst Du mir einen Neujahrswunsch, der in seinen geraden,
korrekten Buchstaben und wohlgesetzten Worten so feierlich dasteht, als gelte er
einem Deiner hohen Vorgesetzten.

Ich vergebe Dir diese Sünde nur um deswillen, weil sie weiter nichts ist
als der Anfang eines im übrigen langen, beredten und warmen Briefes von
Dir. Und wie mich das stolz macht, daß auch Deine Braut ein paar so herz¬
erfreuende Zeilen drangehängt hat, daß sie an allen meinen kleinen Leiden und
Freuden einen so lebhaften Anteil nimmt, daß sie beteuert, ich werde auch ihr
Freund sein, und daß sie den Wunsch ausspricht, mich möglichst bald von
Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen.

Und nun erst Euer BildI -- Das war noch eine besondere große Freude.
Da habe ich Dich vor mir in dem ganzen treuen äußeren Abdruck Deines
inneren Menschen. Du wirst aber nicht eifersüchtig sein, wenn ich Dir offen


Briefe aus Trcbeldorf

kaiserlicher Resident in Moskau zu werden. Mit den anderen Gesandten siedelte
er dann nach Se. Petersburg über, das sich Zar Peter zur ständigen Residenz
erwählt hatte. Hier ereilte ihn sein Mißgeschick. Pieper knüpfte unvorsichtiger
Weise Verbindungen mit dem unglücklichen Kronprinzen Alexis an, der mit
Kaiser Karl dem Sechsten verschwägert war. Nach dem Tode Alexis sah sich
der Kaiser vom Zaren genötigt, Pieper im Jahre 1719 abzuberufen. Er
ernannte an seine Stelle keinen neuen Residenten, sondern befahl, daß der
russische Resident zu Wien und der russische Agent zu Breslau stehenden Fußes
das Land räumen sollten. Nun griff Zar Peter zu Repressalien. Auf Empfehlung
des kaiserlichen Hofes hielten sich Jesuiten in Se. Petersburg, in Moskau und in
Archangelsk auf. Durch öffentlichen Anschlag wurde nun im Mai 1719 von
Seiner Zarischen Majestät „den Jesuiten innerhalb vier Tagen nach geschehener
Insinuation das Russische Reich zu quittieren, ernstlich anbefohlen, indem der¬
selben gefährliche Machinationes und wie gerne sie sich in politische Händel
mischen, der Welt sattsam bekannt wären."




Briefe aus Trebeldorf
Karl Arickeberg von
(sechste Fortsetzung)

Trebeldorf, den 3. Januar 19 . .


Lieber Cunz,

das ist wider die Abrede. Alles Konventionelle sollte zwischen uns unter¬
bleiben; und nun schickst Du mir einen Neujahrswunsch, der in seinen geraden,
korrekten Buchstaben und wohlgesetzten Worten so feierlich dasteht, als gelte er
einem Deiner hohen Vorgesetzten.

Ich vergebe Dir diese Sünde nur um deswillen, weil sie weiter nichts ist
als der Anfang eines im übrigen langen, beredten und warmen Briefes von
Dir. Und wie mich das stolz macht, daß auch Deine Braut ein paar so herz¬
erfreuende Zeilen drangehängt hat, daß sie an allen meinen kleinen Leiden und
Freuden einen so lebhaften Anteil nimmt, daß sie beteuert, ich werde auch ihr
Freund sein, und daß sie den Wunsch ausspricht, mich möglichst bald von
Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen.

Und nun erst Euer BildI — Das war noch eine besondere große Freude.
Da habe ich Dich vor mir in dem ganzen treuen äußeren Abdruck Deines
inneren Menschen. Du wirst aber nicht eifersüchtig sein, wenn ich Dir offen


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[0484] Briefe aus Trcbeldorf kaiserlicher Resident in Moskau zu werden. Mit den anderen Gesandten siedelte er dann nach Se. Petersburg über, das sich Zar Peter zur ständigen Residenz erwählt hatte. Hier ereilte ihn sein Mißgeschick. Pieper knüpfte unvorsichtiger Weise Verbindungen mit dem unglücklichen Kronprinzen Alexis an, der mit Kaiser Karl dem Sechsten verschwägert war. Nach dem Tode Alexis sah sich der Kaiser vom Zaren genötigt, Pieper im Jahre 1719 abzuberufen. Er ernannte an seine Stelle keinen neuen Residenten, sondern befahl, daß der russische Resident zu Wien und der russische Agent zu Breslau stehenden Fußes das Land räumen sollten. Nun griff Zar Peter zu Repressalien. Auf Empfehlung des kaiserlichen Hofes hielten sich Jesuiten in Se. Petersburg, in Moskau und in Archangelsk auf. Durch öffentlichen Anschlag wurde nun im Mai 1719 von Seiner Zarischen Majestät „den Jesuiten innerhalb vier Tagen nach geschehener Insinuation das Russische Reich zu quittieren, ernstlich anbefohlen, indem der¬ selben gefährliche Machinationes und wie gerne sie sich in politische Händel mischen, der Welt sattsam bekannt wären." Briefe aus Trebeldorf Karl Arickeberg von (sechste Fortsetzung) Trebeldorf, den 3. Januar 19 . . Lieber Cunz, das ist wider die Abrede. Alles Konventionelle sollte zwischen uns unter¬ bleiben; und nun schickst Du mir einen Neujahrswunsch, der in seinen geraden, korrekten Buchstaben und wohlgesetzten Worten so feierlich dasteht, als gelte er einem Deiner hohen Vorgesetzten. Ich vergebe Dir diese Sünde nur um deswillen, weil sie weiter nichts ist als der Anfang eines im übrigen langen, beredten und warmen Briefes von Dir. Und wie mich das stolz macht, daß auch Deine Braut ein paar so herz¬ erfreuende Zeilen drangehängt hat, daß sie an allen meinen kleinen Leiden und Freuden einen so lebhaften Anteil nimmt, daß sie beteuert, ich werde auch ihr Freund sein, und daß sie den Wunsch ausspricht, mich möglichst bald von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Und nun erst Euer BildI — Das war noch eine besondere große Freude. Da habe ich Dich vor mir in dem ganzen treuen äußeren Abdruck Deines inneren Menschen. Du wirst aber nicht eifersüchtig sein, wenn ich Dir offen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/484>, abgerufen am 04.05.2024.