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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Volkswirtschaft
Zur Frage der Deckung der neuen Heeres¬

vorlage.

Der Gedanke der Aufbringung der für
die Heeresvorlage erforderlichen Gelder durch
eine den: Steuerwesen des Mittelalters ent¬
nommene, seither nicht mehr übliche außer¬
ordentliche Vermögenssteuer, eine "Schätzung"
oder "Beede", legt dem Wirtschaftshistoriker
den Gedanken nahe, warum unsere Regierung,
wenn sie nun schon einmal zum steuerlichen
Rüstzeuge des Mittelalters greifen will, nicht
auch auf den Gedanken gekommen ist, weitere
Mittel zur Deckung der Heeresvorlage durch
die im Mittelalter so gerne geübte Maßregel
einer außerordentlichen Münzprägung auf¬
zubringen.


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silberne Markstücke zuzüglich der PrSgekosten
von etwa 3 Mark auf höchstens 44 Mark zu
stehen kommen, also an 100 Mark Silber¬
geld ein Münzgewinn von nicht weniger als
56 Mark entstehen. Eine Neuprägung von
1800 Millionen Mark Silbergeld würde also
einen Münzgewinn von 1008 Millionen Mark
oder rund einer Milliarde bringen.

Daß der deutsche Binnenverkehr recht Wohl
in der Lage wäre, diese vermehrte Silber¬
menge zu verdauen, steht außer allem Zweifel;
fehlt es doch namentlich auf dem Lande fort¬
während an Kleingeld. Die Goldwährung
wäre durch diese Münzmaßregel in keiner
Weise beeinträchtigt; ihrem Grundsatze wäre
mit dieser Änderung des bestehenden Münz¬
gesetzes in keiner Weise zunahe getreten, viel¬
mehr wären die für den kleinen Binnen¬
verkehr dadurch weiter zur Verfügung ge¬
stellten 1,8 Milliarden kleiner Zahlungsmittel
in hohtzm Grade geeignet, den Geldmarkt zu
erleichtern und der Reichsbank und den übrigen
Zettelbanken des Reichs die Deckung ihrer
Noten mit Gold weiter zu ermöglichen. Wohl
aber wären die 40 Millionen Mark, welche
diese Milliarde zur Tilgung unserer Reichs¬
schuld mittelst freihändigen Auflaufs der den
Markt überschwemmenden Reichsschuldtitel
verwendet jährlich an Zinsersparnis bedeuten
Würde, ein sehr brauchbares Mittel nicht nur
zur Deckung eines Teils der für die neue
Heeresvorlage nötigen laufenden Mittel, son¬
dern auch zur Erleichterung unseres über¬
lasteten Anlehensmarktes und Verbesserung
der Kurse unserer Staatsfonds.

Vielleicht wäre dabei auch -- um auch auf
diese Seite der Sache noch hinzuweisen --
der Gedanke zu erwägen, ob nicht ein Teil
des MünzgewinnS -- vielleicht 120 Millionen,
entsprechend der Goldreserve im Juliusturm --
für Zwecke der Heeresverwaltung für den
Mobilmachungsfall zur Verdopplung des
Kriegsschatzes zurückzulegen wäre.

Man sieht, der Gedanke verdient jedenfalls,
in nähere Erwägung gezogen zu werden.

Dr. Nübling, Landtagsabgeordncter, [Ende Spaltensatz]


Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Volkswirtschaft
Zur Frage der Deckung der neuen Heeres¬

vorlage.

Der Gedanke der Aufbringung der für
die Heeresvorlage erforderlichen Gelder durch
eine den: Steuerwesen des Mittelalters ent¬
nommene, seither nicht mehr übliche außer¬
ordentliche Vermögenssteuer, eine „Schätzung"
oder „Beede", legt dem Wirtschaftshistoriker
den Gedanken nahe, warum unsere Regierung,
wenn sie nun schon einmal zum steuerlichen
Rüstzeuge des Mittelalters greifen will, nicht
auch auf den Gedanken gekommen ist, weitere
Mittel zur Deckung der Heeresvorlage durch
die im Mittelalter so gerne geübte Maßregel
einer außerordentlichen Münzprägung auf¬
zubringen.


[Spaltenumbruch]

silberne Markstücke zuzüglich der PrSgekosten
von etwa 3 Mark auf höchstens 44 Mark zu
stehen kommen, also an 100 Mark Silber¬
geld ein Münzgewinn von nicht weniger als
56 Mark entstehen. Eine Neuprägung von
1800 Millionen Mark Silbergeld würde also
einen Münzgewinn von 1008 Millionen Mark
oder rund einer Milliarde bringen.

Daß der deutsche Binnenverkehr recht Wohl
in der Lage wäre, diese vermehrte Silber¬
menge zu verdauen, steht außer allem Zweifel;
fehlt es doch namentlich auf dem Lande fort¬
während an Kleingeld. Die Goldwährung
wäre durch diese Münzmaßregel in keiner
Weise beeinträchtigt; ihrem Grundsatze wäre
mit dieser Änderung des bestehenden Münz¬
gesetzes in keiner Weise zunahe getreten, viel¬
mehr wären die für den kleinen Binnen¬
verkehr dadurch weiter zur Verfügung ge¬
stellten 1,8 Milliarden kleiner Zahlungsmittel
in hohtzm Grade geeignet, den Geldmarkt zu
erleichtern und der Reichsbank und den übrigen
Zettelbanken des Reichs die Deckung ihrer
Noten mit Gold weiter zu ermöglichen. Wohl
aber wären die 40 Millionen Mark, welche
diese Milliarde zur Tilgung unserer Reichs¬
schuld mittelst freihändigen Auflaufs der den
Markt überschwemmenden Reichsschuldtitel
verwendet jährlich an Zinsersparnis bedeuten
Würde, ein sehr brauchbares Mittel nicht nur
zur Deckung eines Teils der für die neue
Heeresvorlage nötigen laufenden Mittel, son¬
dern auch zur Erleichterung unseres über¬
lasteten Anlehensmarktes und Verbesserung
der Kurse unserer Staatsfonds.

Vielleicht wäre dabei auch — um auch auf
diese Seite der Sache noch hinzuweisen —
der Gedanke zu erwägen, ob nicht ein Teil
des MünzgewinnS — vielleicht 120 Millionen,
entsprechend der Goldreserve im Juliusturm —
für Zwecke der Heeresverwaltung für den
Mobilmachungsfall zur Verdopplung des
Kriegsschatzes zurückzulegen wäre.

Man sieht, der Gedanke verdient jedenfalls,
in nähere Erwägung gezogen zu werden.

Dr. Nübling, Landtagsabgeordncter, [Ende Spaltensatz]


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[0641] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Volkswirtschaft Zur Frage der Deckung der neuen Heeres¬ vorlage. Der Gedanke der Aufbringung der für die Heeresvorlage erforderlichen Gelder durch eine den: Steuerwesen des Mittelalters ent¬ nommene, seither nicht mehr übliche außer¬ ordentliche Vermögenssteuer, eine „Schätzung" oder „Beede", legt dem Wirtschaftshistoriker den Gedanken nahe, warum unsere Regierung, wenn sie nun schon einmal zum steuerlichen Rüstzeuge des Mittelalters greifen will, nicht auch auf den Gedanken gekommen ist, weitere Mittel zur Deckung der Heeresvorlage durch die im Mittelalter so gerne geübte Maßregel einer außerordentlichen Münzprägung auf¬ zubringen. silberne Markstücke zuzüglich der PrSgekosten von etwa 3 Mark auf höchstens 44 Mark zu stehen kommen, also an 100 Mark Silber¬ geld ein Münzgewinn von nicht weniger als 56 Mark entstehen. Eine Neuprägung von 1800 Millionen Mark Silbergeld würde also einen Münzgewinn von 1008 Millionen Mark oder rund einer Milliarde bringen. Daß der deutsche Binnenverkehr recht Wohl in der Lage wäre, diese vermehrte Silber¬ menge zu verdauen, steht außer allem Zweifel; fehlt es doch namentlich auf dem Lande fort¬ während an Kleingeld. Die Goldwährung wäre durch diese Münzmaßregel in keiner Weise beeinträchtigt; ihrem Grundsatze wäre mit dieser Änderung des bestehenden Münz¬ gesetzes in keiner Weise zunahe getreten, viel¬ mehr wären die für den kleinen Binnen¬ verkehr dadurch weiter zur Verfügung ge¬ stellten 1,8 Milliarden kleiner Zahlungsmittel in hohtzm Grade geeignet, den Geldmarkt zu erleichtern und der Reichsbank und den übrigen Zettelbanken des Reichs die Deckung ihrer Noten mit Gold weiter zu ermöglichen. Wohl aber wären die 40 Millionen Mark, welche diese Milliarde zur Tilgung unserer Reichs¬ schuld mittelst freihändigen Auflaufs der den Markt überschwemmenden Reichsschuldtitel verwendet jährlich an Zinsersparnis bedeuten Würde, ein sehr brauchbares Mittel nicht nur zur Deckung eines Teils der für die neue Heeresvorlage nötigen laufenden Mittel, son¬ dern auch zur Erleichterung unseres über¬ lasteten Anlehensmarktes und Verbesserung der Kurse unserer Staatsfonds. Vielleicht wäre dabei auch — um auch auf diese Seite der Sache noch hinzuweisen — der Gedanke zu erwägen, ob nicht ein Teil des MünzgewinnS — vielleicht 120 Millionen, entsprechend der Goldreserve im Juliusturm — für Zwecke der Heeresverwaltung für den Mobilmachungsfall zur Verdopplung des Kriegsschatzes zurückzulegen wäre. Man sieht, der Gedanke verdient jedenfalls, in nähere Erwägung gezogen zu werden. Dr. Nübling, Landtagsabgeordncter,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/641>, abgerufen am 04.05.2024.