Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


An der Wiege des Königreichs Rumänien
Berichte des preußischen Sxezialgescindtcn Freiherrn von Richthofen
an Friedrich Wilhelm den vierten

Wir verließen den Freiherrn am 25. Januar 18S7 in Konstantinopel
(vgl. Heft 3 der Grenzboten d, I,), Heute sind wir ihm nach Jassy
gefolgt, woher er am 4. Mai 1867 den langen unten wiedergegebenen
Bericht sendet. In der Zwischenzeit hat sich Richthofen in Wien und in
der Walachei aufgehalten und dem Könige am 21. März und 7. April
berichtet. Der Brief vom 7. April fehlt uns; wir wissen aber, das; der Ge¬
sandte darin meldet, wie auch in der Walachei die allgemeine Stimmung
günstig für eine Union unter der Herrschaft eines fremden erblichen Fürsten
ist. Der Brief vom März, meldet den Versuch des englischen Vertreters,
das preußisch - französische Einvernehmen zu "neutralisieren" und die For¬
derung Rußlands an die Pforte, sie solle den Rest ihrer Truppen aus
den Fürstentümern herausziehen. -- Der heute veröffentlichte Bericht ist
von hohem Interesse, weil er Schwierigkeiten beleuchtet, die gegenwärtig
noch nicht überwunden sind und die daher die rumänische Politik im
G. Cl. innern und äußern stark beeinflussen.

Jassy, den 4. Mai 1857

uf meiner Reise von Bukarest nach Jassy habe ich überall die
unzweideutigsten Beweise des Wunsches einer Union unter einem
fremden erblichen Fürsten aus allen Ständen erhalten. Die Be¬
völkerung, der Klerus und die Bojaren an der Spitze, drängten
sich überall in den Orten, die ich passierte, zum feierlichen Empfange
zusammen uuter dem Rufe: "Es lebe der König von Preußen, von dem wir
die Union und den fremden Fürsten erwarten I" . . .

Bei meiner Ankunft in Jassy erwartete mich die Bevölkerung in dichten
Massen, sowie eine große Anzahl von Equipagen, in denen sich die Damen und
Herren aus den höchsten Ständen befanden, an der Barriere, und überschütteten
meinen Wagen mit einem Blumenregen, indem man überall den vorgedachten
Ruf erschallen ließ. Alles drängte sich an mich heran, mir die Hand zu schütteln,
und ich hatte Mühe, mich durchzudrängen nach dem Staatswagen, in den man
mich Platz zu nehmen, genötigt hatte.

Eine ganz ähnliche, warme Aufnahme war den Kommissären der Türkei,
Frankreichs und Sardiniens zuteil geworden. Nur beim Eintritt des öster¬
reichischen Kommissars war, wie ich nachmals hörte, der offizielle Empfang nnr
durch die Demonstrationen der österreichischen Schutzgenossen und einiger Neu¬
gieriger unterstützt worden.




An der Wiege des Königreichs Rumänien
Berichte des preußischen Sxezialgescindtcn Freiherrn von Richthofen
an Friedrich Wilhelm den vierten

Wir verließen den Freiherrn am 25. Januar 18S7 in Konstantinopel
(vgl. Heft 3 der Grenzboten d, I,), Heute sind wir ihm nach Jassy
gefolgt, woher er am 4. Mai 1867 den langen unten wiedergegebenen
Bericht sendet. In der Zwischenzeit hat sich Richthofen in Wien und in
der Walachei aufgehalten und dem Könige am 21. März und 7. April
berichtet. Der Brief vom 7. April fehlt uns; wir wissen aber, das; der Ge¬
sandte darin meldet, wie auch in der Walachei die allgemeine Stimmung
günstig für eine Union unter der Herrschaft eines fremden erblichen Fürsten
ist. Der Brief vom März, meldet den Versuch des englischen Vertreters,
das preußisch - französische Einvernehmen zu „neutralisieren" und die For¬
derung Rußlands an die Pforte, sie solle den Rest ihrer Truppen aus
den Fürstentümern herausziehen. — Der heute veröffentlichte Bericht ist
von hohem Interesse, weil er Schwierigkeiten beleuchtet, die gegenwärtig
noch nicht überwunden sind und die daher die rumänische Politik im
G. Cl. innern und äußern stark beeinflussen.

Jassy, den 4. Mai 1857

uf meiner Reise von Bukarest nach Jassy habe ich überall die
unzweideutigsten Beweise des Wunsches einer Union unter einem
fremden erblichen Fürsten aus allen Ständen erhalten. Die Be¬
völkerung, der Klerus und die Bojaren an der Spitze, drängten
sich überall in den Orten, die ich passierte, zum feierlichen Empfange
zusammen uuter dem Rufe: „Es lebe der König von Preußen, von dem wir
die Union und den fremden Fürsten erwarten I" . . .

Bei meiner Ankunft in Jassy erwartete mich die Bevölkerung in dichten
Massen, sowie eine große Anzahl von Equipagen, in denen sich die Damen und
Herren aus den höchsten Ständen befanden, an der Barriere, und überschütteten
meinen Wagen mit einem Blumenregen, indem man überall den vorgedachten
Ruf erschallen ließ. Alles drängte sich an mich heran, mir die Hand zu schütteln,
und ich hatte Mühe, mich durchzudrängen nach dem Staatswagen, in den man
mich Platz zu nehmen, genötigt hatte.

Eine ganz ähnliche, warme Aufnahme war den Kommissären der Türkei,
Frankreichs und Sardiniens zuteil geworden. Nur beim Eintritt des öster¬
reichischen Kommissars war, wie ich nachmals hörte, der offizielle Empfang nnr
durch die Demonstrationen der österreichischen Schutzgenossen und einiger Neu¬
gieriger unterstützt worden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325708"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_325519/figures/grenzboten_341897_325519_325708_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> An der Wiege des Königreichs Rumänien<lb/>
Berichte des preußischen Sxezialgescindtcn Freiherrn von Richthofen<lb/>
an Friedrich Wilhelm den vierten</head><lb/>
          <quote type="epigraph"> Wir verließen den Freiherrn am 25. Januar 18S7 in Konstantinopel<lb/>
(vgl. Heft 3 der Grenzboten d, I,), Heute sind wir ihm nach Jassy<lb/>
gefolgt, woher er am 4. Mai 1867 den langen unten wiedergegebenen<lb/>
Bericht sendet. In der Zwischenzeit hat sich Richthofen in Wien und in<lb/>
der Walachei aufgehalten und dem Könige am 21. März und 7. April<lb/>
berichtet. Der Brief vom 7. April fehlt uns; wir wissen aber, das; der Ge¬<lb/>
sandte darin meldet, wie auch in der Walachei die allgemeine Stimmung<lb/>
günstig für eine Union unter der Herrschaft eines fremden erblichen Fürsten<lb/>
ist. Der Brief vom März, meldet den Versuch des englischen Vertreters,<lb/>
das preußisch - französische Einvernehmen zu &#x201E;neutralisieren" und die For¬<lb/>
derung Rußlands an die Pforte, sie solle den Rest ihrer Truppen aus<lb/>
den Fürstentümern herausziehen. &#x2014; Der heute veröffentlichte Bericht ist<lb/>
von hohem Interesse, weil er Schwierigkeiten beleuchtet, die gegenwärtig<lb/>
noch nicht überwunden sind und die daher die rumänische Politik im<lb/><bibl> G. Cl.</bibl> innern und äußern stark beeinflussen. </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_747"> Jassy, den 4. Mai 1857</p><lb/>
          <p xml:id="ID_748"> uf meiner Reise von Bukarest nach Jassy habe ich überall die<lb/>
unzweideutigsten Beweise des Wunsches einer Union unter einem<lb/>
fremden erblichen Fürsten aus allen Ständen erhalten. Die Be¬<lb/>
völkerung, der Klerus und die Bojaren an der Spitze, drängten<lb/>
sich überall in den Orten, die ich passierte, zum feierlichen Empfange<lb/>
zusammen uuter dem Rufe: &#x201E;Es lebe der König von Preußen, von dem wir<lb/>
die Union und den fremden Fürsten erwarten I" . . .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_749"> Bei meiner Ankunft in Jassy erwartete mich die Bevölkerung in dichten<lb/>
Massen, sowie eine große Anzahl von Equipagen, in denen sich die Damen und<lb/>
Herren aus den höchsten Ständen befanden, an der Barriere, und überschütteten<lb/>
meinen Wagen mit einem Blumenregen, indem man überall den vorgedachten<lb/>
Ruf erschallen ließ. Alles drängte sich an mich heran, mir die Hand zu schütteln,<lb/>
und ich hatte Mühe, mich durchzudrängen nach dem Staatswagen, in den man<lb/>
mich Platz zu nehmen, genötigt hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_750"> Eine ganz ähnliche, warme Aufnahme war den Kommissären der Türkei,<lb/>
Frankreichs und Sardiniens zuteil geworden. Nur beim Eintritt des öster¬<lb/>
reichischen Kommissars war, wie ich nachmals hörte, der offizielle Empfang nnr<lb/>
durch die Demonstrationen der österreichischen Schutzgenossen und einiger Neu¬<lb/>
gieriger unterstützt worden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] [Abbildung] An der Wiege des Königreichs Rumänien Berichte des preußischen Sxezialgescindtcn Freiherrn von Richthofen an Friedrich Wilhelm den vierten Wir verließen den Freiherrn am 25. Januar 18S7 in Konstantinopel (vgl. Heft 3 der Grenzboten d, I,), Heute sind wir ihm nach Jassy gefolgt, woher er am 4. Mai 1867 den langen unten wiedergegebenen Bericht sendet. In der Zwischenzeit hat sich Richthofen in Wien und in der Walachei aufgehalten und dem Könige am 21. März und 7. April berichtet. Der Brief vom 7. April fehlt uns; wir wissen aber, das; der Ge¬ sandte darin meldet, wie auch in der Walachei die allgemeine Stimmung günstig für eine Union unter der Herrschaft eines fremden erblichen Fürsten ist. Der Brief vom März, meldet den Versuch des englischen Vertreters, das preußisch - französische Einvernehmen zu „neutralisieren" und die For¬ derung Rußlands an die Pforte, sie solle den Rest ihrer Truppen aus den Fürstentümern herausziehen. — Der heute veröffentlichte Bericht ist von hohem Interesse, weil er Schwierigkeiten beleuchtet, die gegenwärtig noch nicht überwunden sind und die daher die rumänische Politik im G. Cl. innern und äußern stark beeinflussen. Jassy, den 4. Mai 1857 uf meiner Reise von Bukarest nach Jassy habe ich überall die unzweideutigsten Beweise des Wunsches einer Union unter einem fremden erblichen Fürsten aus allen Ständen erhalten. Die Be¬ völkerung, der Klerus und die Bojaren an der Spitze, drängten sich überall in den Orten, die ich passierte, zum feierlichen Empfange zusammen uuter dem Rufe: „Es lebe der König von Preußen, von dem wir die Union und den fremden Fürsten erwarten I" . . . Bei meiner Ankunft in Jassy erwartete mich die Bevölkerung in dichten Massen, sowie eine große Anzahl von Equipagen, in denen sich die Damen und Herren aus den höchsten Ständen befanden, an der Barriere, und überschütteten meinen Wagen mit einem Blumenregen, indem man überall den vorgedachten Ruf erschallen ließ. Alles drängte sich an mich heran, mir die Hand zu schütteln, und ich hatte Mühe, mich durchzudrängen nach dem Staatswagen, in den man mich Platz zu nehmen, genötigt hatte. Eine ganz ähnliche, warme Aufnahme war den Kommissären der Türkei, Frankreichs und Sardiniens zuteil geworden. Nur beim Eintritt des öster¬ reichischen Kommissars war, wie ich nachmals hörte, der offizielle Empfang nnr durch die Demonstrationen der österreichischen Schutzgenossen und einiger Neu¬ gieriger unterstützt worden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/188>, abgerufen am 08.05.2024.