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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lichen Fügung während längerer Abwesenheit
des Gesandten durch glänzende Proben der
Umsicht und Tüchtigkeit abschließen durfte.
Es waren jene Jahre, in denen sich die
nationale Einigung Italiens und das Ende
der weltlichen Herrschaft des Papstes vor¬
bereitete. Interessante Streiflichter fallen auf
die hinterhältige Politik Louis Napoleons, und
der eiserne Kanzler, damals noch nicht nach
der vollen Bedeutung seiner genialen Per¬
sönlichkeit gewürdigt, erscheint in einer leise
humoristischen Beleuchtung, in der doch der
Unterton des instinktiven Respekts nicht fehlt.
Bor diesem geschichtlichen Hintergrund bewegt
sich der Neigen der führenden Geister in Rom,
mit denen allen Schlözers liebenswürdige
Persönlichkeit Fühlung gewann -- manche
von jenen, wie Fanny Lewald, die Baronin
Stieglitz, schon hinabgetaucht in Vergessenheit,
andere, wie die imponierende Gestalt Franz
Liszts, hinüberragend in unsere Tage. Die
Würdenträger des Vatikans wie das diplo¬
matische Korps spiegeln ihre Persönlichkeit ebenso
in zopfigen Etikettefragen wie in vertraulichen
Gesprächen. Und inmitten erscheint wiederum der
schlichte Autor der "Wanderjahre", die damals
schon zum Teil hinter ihm lagen, Gregoro-
viuS, als Führer und Gefährte ans welt¬
geschichtlichen Pfaden, der in Persönlicher
Zwiesprache Schlözer das nämliche spenden
mochte, das der Jtalienfahrer noch heut aus
seinen Werken empfängt. GregoroviuS' Be¬
deutung ruhte damals wie jetzt in jener aus
feinfühligen Beobachten des Nahen und
weitblickendem Erkennen des Fernen zu¬
sammengesetzten Fähigkeit, in den Forma¬
tionen der Landschaft wie der Architektur, in
Sprache und Sitte und rassiger Gestalt der
Bevölkerung die mächtigen Rhythmen zu er¬
kennen, aus denen sich von der Schwelle des
Altertums her das Lied der Menschheit fügt.
Er sieht -- und sucht sogleich zu ergründen,
wie das ward. Sein wissenschaftlicher Fleiß
reicht ihm oft den Schlüssel. Den hat er
dann so manchesmal weitergegeben an den
weltfreudigen, tatkräftigen Schlözer, der bei
seinen Streifereien durch Roms Ruinen so
gern die Gesellschaft des Älteren suchte.

L. P.

In den Erinnerungs- und Begrüßungswor¬
ten für Carl Jcntsch in Ur. 6 d. Jhg. der Grenz¬

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boten findet sich der Satz: "daß Schulknaben
sich wegen Strafen oder wegen Sitzenbleibens
erhängen könnten, wäre der damaligen Ge¬
neration einfach fabelhaft vorgekommen," der
in Anlehnung um Angaben von Carl Jentsch'
Memoiren niedergeschrieben war. Hierzu
erhalten wir folgende Zuschrift:

"So gerne wir auch zu der älteren Ge¬
neration näheren oder ferneren Abstandes in
Ehrfurcht und Dankbarkeit aufblicken, so
wenig erlaubt es die Gerechtigkeit unserer
Zeit -- sei sie auch eine Zeit der Zielarmut
und Jnnenleerheit -- mehr aufzubürden, als
historisch berechtigt ist. Darum sei hier kurz
festgestellt, daß bereits in der zweiten Hälfte
des achtzehnten Jahrhunderts der Selbstmord
Jugendlicher und speziell der Schülerselbst¬
mord statistisch verfolgt wurde (Montaigne),
in Preußen seit 1749; in derselben Zeit ist
der Selbstmord Jugendlicher auch schon
Gegenstand lebhafter allgemeiner Erörterungen
gewesen.

Daß in unseren Tagen derartige Fälle
weiteren Kreisen öfter bekannt werden, ist
sicher nur zum Teil der Ausdruck zunehmender
Häufigkeit; in demselben Maße sind rein
äußerliche Momente anderer Art wirksam.

Sie zu analysieren ist hier nicht der Ort;
es soll nur davor gewarnt werden, das Leben
von heute und die Jugend von heute in
einem allzuungünstigen Vergleich mit denen
zu setzen, denen sie alles verdankt, den Ver¬
tretern der vorigen Generation und ihrer
B. I. H. Schultz Vorgänger. in

Geschichte

Die Emanzipation der Juden in Preußen
unter besonderer Berücksichtigung des Ge¬
setzes vom II. März 1812. Ein Beitrag
zur Rechtsgeschichte der Juden in Preußen
von Dr. Jsmar Freund. 1. Band: Dar¬
stellung (geb. S,60 M); 2. Band: Urkunden
(geb. 14 M.). Berlin 1912, bei M. Pop-
Pelauer.

Die Zeit der Gedenkfeiern an die große
Zeit vor hundert Jahren hat eine Flut von
Jubiläumswerken hervorgerufen, die zum Teil
reine Gelegenheitsschriften sind und keinerlei
wissenschaftlichen Wert besitzen. Zu diesen
Büchern dürfen wir das vorliegende nicht

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lichen Fügung während längerer Abwesenheit
des Gesandten durch glänzende Proben der
Umsicht und Tüchtigkeit abschließen durfte.
Es waren jene Jahre, in denen sich die
nationale Einigung Italiens und das Ende
der weltlichen Herrschaft des Papstes vor¬
bereitete. Interessante Streiflichter fallen auf
die hinterhältige Politik Louis Napoleons, und
der eiserne Kanzler, damals noch nicht nach
der vollen Bedeutung seiner genialen Per¬
sönlichkeit gewürdigt, erscheint in einer leise
humoristischen Beleuchtung, in der doch der
Unterton des instinktiven Respekts nicht fehlt.
Bor diesem geschichtlichen Hintergrund bewegt
sich der Neigen der führenden Geister in Rom,
mit denen allen Schlözers liebenswürdige
Persönlichkeit Fühlung gewann — manche
von jenen, wie Fanny Lewald, die Baronin
Stieglitz, schon hinabgetaucht in Vergessenheit,
andere, wie die imponierende Gestalt Franz
Liszts, hinüberragend in unsere Tage. Die
Würdenträger des Vatikans wie das diplo¬
matische Korps spiegeln ihre Persönlichkeit ebenso
in zopfigen Etikettefragen wie in vertraulichen
Gesprächen. Und inmitten erscheint wiederum der
schlichte Autor der „Wanderjahre", die damals
schon zum Teil hinter ihm lagen, Gregoro-
viuS, als Führer und Gefährte ans welt¬
geschichtlichen Pfaden, der in Persönlicher
Zwiesprache Schlözer das nämliche spenden
mochte, das der Jtalienfahrer noch heut aus
seinen Werken empfängt. GregoroviuS' Be¬
deutung ruhte damals wie jetzt in jener aus
feinfühligen Beobachten des Nahen und
weitblickendem Erkennen des Fernen zu¬
sammengesetzten Fähigkeit, in den Forma¬
tionen der Landschaft wie der Architektur, in
Sprache und Sitte und rassiger Gestalt der
Bevölkerung die mächtigen Rhythmen zu er¬
kennen, aus denen sich von der Schwelle des
Altertums her das Lied der Menschheit fügt.
Er sieht — und sucht sogleich zu ergründen,
wie das ward. Sein wissenschaftlicher Fleiß
reicht ihm oft den Schlüssel. Den hat er
dann so manchesmal weitergegeben an den
weltfreudigen, tatkräftigen Schlözer, der bei
seinen Streifereien durch Roms Ruinen so
gern die Gesellschaft des Älteren suchte.

L. P.

In den Erinnerungs- und Begrüßungswor¬
ten für Carl Jcntsch in Ur. 6 d. Jhg. der Grenz¬

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boten findet sich der Satz: „daß Schulknaben
sich wegen Strafen oder wegen Sitzenbleibens
erhängen könnten, wäre der damaligen Ge¬
neration einfach fabelhaft vorgekommen," der
in Anlehnung um Angaben von Carl Jentsch'
Memoiren niedergeschrieben war. Hierzu
erhalten wir folgende Zuschrift:

„So gerne wir auch zu der älteren Ge¬
neration näheren oder ferneren Abstandes in
Ehrfurcht und Dankbarkeit aufblicken, so
wenig erlaubt es die Gerechtigkeit unserer
Zeit — sei sie auch eine Zeit der Zielarmut
und Jnnenleerheit — mehr aufzubürden, als
historisch berechtigt ist. Darum sei hier kurz
festgestellt, daß bereits in der zweiten Hälfte
des achtzehnten Jahrhunderts der Selbstmord
Jugendlicher und speziell der Schülerselbst¬
mord statistisch verfolgt wurde (Montaigne),
in Preußen seit 1749; in derselben Zeit ist
der Selbstmord Jugendlicher auch schon
Gegenstand lebhafter allgemeiner Erörterungen
gewesen.

Daß in unseren Tagen derartige Fälle
weiteren Kreisen öfter bekannt werden, ist
sicher nur zum Teil der Ausdruck zunehmender
Häufigkeit; in demselben Maße sind rein
äußerliche Momente anderer Art wirksam.

Sie zu analysieren ist hier nicht der Ort;
es soll nur davor gewarnt werden, das Leben
von heute und die Jugend von heute in
einem allzuungünstigen Vergleich mit denen
zu setzen, denen sie alles verdankt, den Ver¬
tretern der vorigen Generation und ihrer
B. I. H. Schultz Vorgänger. in

Geschichte

Die Emanzipation der Juden in Preußen
unter besonderer Berücksichtigung des Ge¬
setzes vom II. März 1812. Ein Beitrag
zur Rechtsgeschichte der Juden in Preußen
von Dr. Jsmar Freund. 1. Band: Dar¬
stellung (geb. S,60 M); 2. Band: Urkunden
(geb. 14 M.). Berlin 1912, bei M. Pop-
Pelauer.

Die Zeit der Gedenkfeiern an die große
Zeit vor hundert Jahren hat eine Flut von
Jubiläumswerken hervorgerufen, die zum Teil
reine Gelegenheitsschriften sind und keinerlei
wissenschaftlichen Wert besitzen. Zu diesen
Büchern dürfen wir das vorliegende nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/257>, abgerufen am 08.05.2024.