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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

die Menschen fast immer in ausgetretenen
Wegen gehen nud in ihren Handlungen die
anderen nachahmen, so muß ein Mann von
Geist, auch wenn er nicht imstande ist, jenen
Vorbildern in allem gleichzukommen, noch gar
die Tugend derer, die er nachahmt, zu über¬
bieten, doch immer auf den Wegen der Großen
wandeln und die hehrsten Muster nachahmen,
damit er, wenn er das Ziel auch nicht er¬
reicht, wenigstens in ihrem Geiste handelt
Er muß es den klugen Schützen gleichtun,
welche in der Einsicht, daß das Ziel zu weit
und die Kraft ihres Bogens zu gering ist,
über den Treffpunkt hinauszielen, nicht um
mit der Kraft ihres Pfeiles so weit zu ge¬
langen, sondern um das Ziel selbst zu er¬
reichen/' "Wer da glaubt, daß neue Wohl¬
taten bei den Großen alte Beleidigungen aus¬
löschen, der irrt sich." "Das Ziel des Volkes
ist viel erhabener als das Ziel der Großen:
diese wollen unterdrücken, jenes aber unbedrückt
sein." "Es liegt in der menschlichen Natur,
sich durch das Gute, das man tut, ebenso zu
verbinden, wie durch das, welches man
empfängt." "Mit einigen Strafgerichten, die
du verhängst, bist du menschlicher, als wenn
du durch übertriebene Nachsicht Unordnungen
einreißen läßt, die zu Mord und Raub führen."
"Die Menschen scheuen sich weniger, den zu
beleidigen, der sich beliebt macht, als den,
der sich gefürchtet macht." "Die Menschen
verschmerzen leichter den Tod des Vaters als
den Verlust des Erbteils." "Es geht auf
Erden so zu, daß man nie einer Unbequem¬
lichkeit zu entgehen sucht, ohne in eine andere
zu geraten. Die Klugheit aber besteht darin,
ihre Größe richtig abzuschätzen und das ge¬
ringere Übel als Vorteil zu betrachten." "Es
gibt kein anderes Mittel, um sich gegen
Schmeichelei zu sichern, als die Menschen er¬
kennen zu lassen, daß sie dir die Wahrheit
sagen können, ohne dich zu verletzen." "Ferner
glaube ich, daß der Glück hat, dessen Hand¬
lungsweise dem Charakter der Zeit entspricht,
während der Unglück hat, der mit seiner Zeit
im Widerspruch steht." "ES ist besser, un¬
gestüm als vorsichtig zu sein, denn das Glück
ist ein Weib, und wer es bezwingen will,
muß es schlagen und stoßen; und man sieht,
daß es sich leichter von diesen besiegen läßt,
als von solchen, die kaltblütig zu Werke gehen.

[Spaltenumbruch]

Darum ist es als Weib auch den Jünglingen
gewogen, weil diese weniger bedächtig und
gewalttätiger sind und ihm dreister befehlen."

R. h.
Das Fortwirken des klassischen Alter¬
tums.

In einer Zeit, wo der Bildungswert
des klassischen Altertums fortwährend bestritten
wird, hat sich die Altertumswissenschaft in
ganz ungeahnter Weise erweitert und vertieft.
Vor allem zwei Perioden sind durch die wett¬
eifernden Forschungen und Ausgrabungen der
Kulturvölker in helleres Licht getreten oder
geradezu erst entdeckt worden: die vorhellenische,
kretisch-mykenische Kultur, die den engen Zu¬
sammenhang der altgriechischen Kultur mit dem
Orient erkennen läßt, und die sog. hellenistische
Zeit seit Alexander dein Großen, die trotz der
bahnbrechenden Arbeiten Joh. Gustav Drohsens
der einseitig philologischen Auffassung der
griechischen Geschichte als eine Verfallzeit galt
und deshalb von der Forschung lange ver¬
nachlässigt wurde. Mit der wachsenden Er¬
kenntnis ist dagegen jetzt immer klarer ge¬
worden, daß erst gerade in dieser Periode die
griechische Kultur zur Weltiultur geworden,
daß sie in dieser Form die römische Kultur
befruchtet und von ihr auch über das romn-
nisierte Abendland verbreitet worden, da¬
mit aber die Grundlage auch für die gesamte
moderne Kultur geworden ist. Diese Zu¬
sammenhänge im einzelnen nachzuweisen und
für einen größeren Kreis gebildeter Leser
darzustellen, ist die Absicht des verdienstlichen
Werkes "Die hellenistisch-römische Kultur",
dargestellt von Fritz Baumgarten, Franz
Poland, Richard Wagner (Leipzig und Berlin,
B.G.Teubner, 1913, XIV und 674 S.. gr. 8°),
in dessen Bearbeitung die Verfasser sich, wie
bei dem ihm vorausgegangenen Buche die
"Hellenische Kultur" (zuerst 190S) derart geteilt
haben, daß Fritz Baumgarten die Kunst, Franz
Poland das staatliche Leben, Richard Wagner
die Literatur und das allgemeine geistige Leben
darzustellen unternommen hat. Jeder ist auf
seinem Gebiete selbständig und doch schaffen alle
drei in einem Geiste besonnener Kritik, die
jede Erscheinung aus ihrer Zeit heraus zu
verstehen sucht, gründlicher Forschung, ma߬
vollen Urteils, lebendiger, übersichtlicher Dar¬
stellung. Ein reicher Schmuck an Bildern

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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die Menschen fast immer in ausgetretenen
Wegen gehen nud in ihren Handlungen die
anderen nachahmen, so muß ein Mann von
Geist, auch wenn er nicht imstande ist, jenen
Vorbildern in allem gleichzukommen, noch gar
die Tugend derer, die er nachahmt, zu über¬
bieten, doch immer auf den Wegen der Großen
wandeln und die hehrsten Muster nachahmen,
damit er, wenn er das Ziel auch nicht er¬
reicht, wenigstens in ihrem Geiste handelt
Er muß es den klugen Schützen gleichtun,
welche in der Einsicht, daß das Ziel zu weit
und die Kraft ihres Bogens zu gering ist,
über den Treffpunkt hinauszielen, nicht um
mit der Kraft ihres Pfeiles so weit zu ge¬
langen, sondern um das Ziel selbst zu er¬
reichen/' „Wer da glaubt, daß neue Wohl¬
taten bei den Großen alte Beleidigungen aus¬
löschen, der irrt sich." „Das Ziel des Volkes
ist viel erhabener als das Ziel der Großen:
diese wollen unterdrücken, jenes aber unbedrückt
sein." „Es liegt in der menschlichen Natur,
sich durch das Gute, das man tut, ebenso zu
verbinden, wie durch das, welches man
empfängt." „Mit einigen Strafgerichten, die
du verhängst, bist du menschlicher, als wenn
du durch übertriebene Nachsicht Unordnungen
einreißen läßt, die zu Mord und Raub führen."
„Die Menschen scheuen sich weniger, den zu
beleidigen, der sich beliebt macht, als den,
der sich gefürchtet macht." „Die Menschen
verschmerzen leichter den Tod des Vaters als
den Verlust des Erbteils." „Es geht auf
Erden so zu, daß man nie einer Unbequem¬
lichkeit zu entgehen sucht, ohne in eine andere
zu geraten. Die Klugheit aber besteht darin,
ihre Größe richtig abzuschätzen und das ge¬
ringere Übel als Vorteil zu betrachten." „Es
gibt kein anderes Mittel, um sich gegen
Schmeichelei zu sichern, als die Menschen er¬
kennen zu lassen, daß sie dir die Wahrheit
sagen können, ohne dich zu verletzen." „Ferner
glaube ich, daß der Glück hat, dessen Hand¬
lungsweise dem Charakter der Zeit entspricht,
während der Unglück hat, der mit seiner Zeit
im Widerspruch steht." „ES ist besser, un¬
gestüm als vorsichtig zu sein, denn das Glück
ist ein Weib, und wer es bezwingen will,
muß es schlagen und stoßen; und man sieht,
daß es sich leichter von diesen besiegen läßt,
als von solchen, die kaltblütig zu Werke gehen.

[Spaltenumbruch]

Darum ist es als Weib auch den Jünglingen
gewogen, weil diese weniger bedächtig und
gewalttätiger sind und ihm dreister befehlen."

R. h.
Das Fortwirken des klassischen Alter¬
tums.

In einer Zeit, wo der Bildungswert
des klassischen Altertums fortwährend bestritten
wird, hat sich die Altertumswissenschaft in
ganz ungeahnter Weise erweitert und vertieft.
Vor allem zwei Perioden sind durch die wett¬
eifernden Forschungen und Ausgrabungen der
Kulturvölker in helleres Licht getreten oder
geradezu erst entdeckt worden: die vorhellenische,
kretisch-mykenische Kultur, die den engen Zu¬
sammenhang der altgriechischen Kultur mit dem
Orient erkennen läßt, und die sog. hellenistische
Zeit seit Alexander dein Großen, die trotz der
bahnbrechenden Arbeiten Joh. Gustav Drohsens
der einseitig philologischen Auffassung der
griechischen Geschichte als eine Verfallzeit galt
und deshalb von der Forschung lange ver¬
nachlässigt wurde. Mit der wachsenden Er¬
kenntnis ist dagegen jetzt immer klarer ge¬
worden, daß erst gerade in dieser Periode die
griechische Kultur zur Weltiultur geworden,
daß sie in dieser Form die römische Kultur
befruchtet und von ihr auch über das romn-
nisierte Abendland verbreitet worden, da¬
mit aber die Grundlage auch für die gesamte
moderne Kultur geworden ist. Diese Zu¬
sammenhänge im einzelnen nachzuweisen und
für einen größeren Kreis gebildeter Leser
darzustellen, ist die Absicht des verdienstlichen
Werkes „Die hellenistisch-römische Kultur",
dargestellt von Fritz Baumgarten, Franz
Poland, Richard Wagner (Leipzig und Berlin,
B.G.Teubner, 1913, XIV und 674 S.. gr. 8°),
in dessen Bearbeitung die Verfasser sich, wie
bei dem ihm vorausgegangenen Buche die
„Hellenische Kultur" (zuerst 190S) derart geteilt
haben, daß Fritz Baumgarten die Kunst, Franz
Poland das staatliche Leben, Richard Wagner
die Literatur und das allgemeine geistige Leben
darzustellen unternommen hat. Jeder ist auf
seinem Gebiete selbständig und doch schaffen alle
drei in einem Geiste besonnener Kritik, die
jede Erscheinung aus ihrer Zeit heraus zu
verstehen sucht, gründlicher Forschung, ma߬
vollen Urteils, lebendiger, übersichtlicher Dar¬
stellung. Ein reicher Schmuck an Bildern

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[0447] Maßgebliches und Unmaßgebliches die Menschen fast immer in ausgetretenen Wegen gehen nud in ihren Handlungen die anderen nachahmen, so muß ein Mann von Geist, auch wenn er nicht imstande ist, jenen Vorbildern in allem gleichzukommen, noch gar die Tugend derer, die er nachahmt, zu über¬ bieten, doch immer auf den Wegen der Großen wandeln und die hehrsten Muster nachahmen, damit er, wenn er das Ziel auch nicht er¬ reicht, wenigstens in ihrem Geiste handelt Er muß es den klugen Schützen gleichtun, welche in der Einsicht, daß das Ziel zu weit und die Kraft ihres Bogens zu gering ist, über den Treffpunkt hinauszielen, nicht um mit der Kraft ihres Pfeiles so weit zu ge¬ langen, sondern um das Ziel selbst zu er¬ reichen/' „Wer da glaubt, daß neue Wohl¬ taten bei den Großen alte Beleidigungen aus¬ löschen, der irrt sich." „Das Ziel des Volkes ist viel erhabener als das Ziel der Großen: diese wollen unterdrücken, jenes aber unbedrückt sein." „Es liegt in der menschlichen Natur, sich durch das Gute, das man tut, ebenso zu verbinden, wie durch das, welches man empfängt." „Mit einigen Strafgerichten, die du verhängst, bist du menschlicher, als wenn du durch übertriebene Nachsicht Unordnungen einreißen läßt, die zu Mord und Raub führen." „Die Menschen scheuen sich weniger, den zu beleidigen, der sich beliebt macht, als den, der sich gefürchtet macht." „Die Menschen verschmerzen leichter den Tod des Vaters als den Verlust des Erbteils." „Es geht auf Erden so zu, daß man nie einer Unbequem¬ lichkeit zu entgehen sucht, ohne in eine andere zu geraten. Die Klugheit aber besteht darin, ihre Größe richtig abzuschätzen und das ge¬ ringere Übel als Vorteil zu betrachten." „Es gibt kein anderes Mittel, um sich gegen Schmeichelei zu sichern, als die Menschen er¬ kennen zu lassen, daß sie dir die Wahrheit sagen können, ohne dich zu verletzen." „Ferner glaube ich, daß der Glück hat, dessen Hand¬ lungsweise dem Charakter der Zeit entspricht, während der Unglück hat, der mit seiner Zeit im Widerspruch steht." „ES ist besser, un¬ gestüm als vorsichtig zu sein, denn das Glück ist ein Weib, und wer es bezwingen will, muß es schlagen und stoßen; und man sieht, daß es sich leichter von diesen besiegen läßt, als von solchen, die kaltblütig zu Werke gehen. Darum ist es als Weib auch den Jünglingen gewogen, weil diese weniger bedächtig und gewalttätiger sind und ihm dreister befehlen." R. h. Das Fortwirken des klassischen Alter¬ tums. In einer Zeit, wo der Bildungswert des klassischen Altertums fortwährend bestritten wird, hat sich die Altertumswissenschaft in ganz ungeahnter Weise erweitert und vertieft. Vor allem zwei Perioden sind durch die wett¬ eifernden Forschungen und Ausgrabungen der Kulturvölker in helleres Licht getreten oder geradezu erst entdeckt worden: die vorhellenische, kretisch-mykenische Kultur, die den engen Zu¬ sammenhang der altgriechischen Kultur mit dem Orient erkennen läßt, und die sog. hellenistische Zeit seit Alexander dein Großen, die trotz der bahnbrechenden Arbeiten Joh. Gustav Drohsens der einseitig philologischen Auffassung der griechischen Geschichte als eine Verfallzeit galt und deshalb von der Forschung lange ver¬ nachlässigt wurde. Mit der wachsenden Er¬ kenntnis ist dagegen jetzt immer klarer ge¬ worden, daß erst gerade in dieser Periode die griechische Kultur zur Weltiultur geworden, daß sie in dieser Form die römische Kultur befruchtet und von ihr auch über das romn- nisierte Abendland verbreitet worden, da¬ mit aber die Grundlage auch für die gesamte moderne Kultur geworden ist. Diese Zu¬ sammenhänge im einzelnen nachzuweisen und für einen größeren Kreis gebildeter Leser darzustellen, ist die Absicht des verdienstlichen Werkes „Die hellenistisch-römische Kultur", dargestellt von Fritz Baumgarten, Franz Poland, Richard Wagner (Leipzig und Berlin, B.G.Teubner, 1913, XIV und 674 S.. gr. 8°), in dessen Bearbeitung die Verfasser sich, wie bei dem ihm vorausgegangenen Buche die „Hellenische Kultur" (zuerst 190S) derart geteilt haben, daß Fritz Baumgarten die Kunst, Franz Poland das staatliche Leben, Richard Wagner die Literatur und das allgemeine geistige Leben darzustellen unternommen hat. Jeder ist auf seinem Gebiete selbständig und doch schaffen alle drei in einem Geiste besonnener Kritik, die jede Erscheinung aus ihrer Zeit heraus zu verstehen sucht, gründlicher Forschung, ma߬ vollen Urteils, lebendiger, übersichtlicher Dar¬ stellung. Ein reicher Schmuck an Bildern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/447>, abgerufen am 08.05.2024.