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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Iubilciumsliteratur

Blech er und Zeitschriften. Die fünfundzw ein¬
zigste Wiederkehr des Thronbesteigungstages
Kaiser Wilhelms des Zweiten hat naturgemäß
eine gewaltige Buch-, Broschüren- und Zeit¬
schriftenliteratur erzeugt und auf den Markt
werfen lassen. Es ist heute noch nicht möglich,
ihren ganzen Umfang zu übersehen und den
Wert der einzelnen Werke richtig zu würdigen,
weil die meisten Veröffentlichungen erst in
den allerletzten Tagen in die Hände der
Kritiker gelangt sind. Was ich somit im
folgenden sage, soll lediglich der Anzeigepflicht
gegenüber den mir zugegangenen Werken ge¬
nügen.

Am längsten ist in unseren Händen ein
Buch des Grafen E. Reventlow: "Der
Kaiser und die Monarchisten" (Verlag von
Reimar Hobbing in Berlin, 1913). Es ist
die Auseinandersetzung eines tiefkonservativen
und deutschvölkischen Mannes mit sich selbst.
Reventlow hat in früheren Jahren der Per¬
sönlichkeit des Kaisers und seiner Art, die
Regierungsgeschäfte zu leiten, recht kritisch
gegenübergestanden ("Kaiser Wilhelm und die
Byzantiner" bei I. F. Lehmann, München 1806)
und führt nun den Nachweis, wie sich Monarch,
Monarchie, nationale Anschauung und Welt¬
anschauung auf dem Boden der Monarchie
vereinigen lassen, mit anderen Worten: wie
er sich zum überzeugten Monarchisten durch¬
gerungen hat. Ich empfehle dies Buch, das
zweifellos in der Fachliteratur größere Be¬

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achtung finden wird, allen denen, die, mögen
sie konservativ oder liberal sein, ein Bedürfnis
fühlen, sich über Bedeutung und Wesen der
Monarchie für das Deutsche Reich und die
Deutschen ein eigenes Urteil zu bilden. Sie
werden manchen Widerspruch gegen Revent-
lows Ausführungen erheben, sie werden aber
eine Fülle von Anregungen finden.

Die Persönlichkeit des Kaisers findet eine
zum Teil neue Beleuchtung und Würdi¬
gung in dem Prachtvoll ausgestatteten Jubi¬
läumswerk, das das Deutsche Verlagshaus
Borg 6- Co. der Kaiserin zugeeignet hat:
"Unser Kaiser, Fünfundzwanzig Jahre der
Regierung Kaiser Wilhelms 1888 bis
1913", mit 9 Kunsttafeln und 449 Ab¬
bildungen im Text. Am wertvollsten erscheinen
mirin der besonders hervorgehobenen Beziehung
die Aufsätze von Friedrich Freiherrn von Dinck-
lage "Des Prinzen Jugendzeit" und von
Theodor Schiemann "Kaiser und König
Wilhelm II". Sie zeigen uns Werden
und Sein der Persönlichkeit des Kaisers mit
solcher Feinheit und solchem Verständnis,
wie ich ihnen noch nirgends begegnet bin.
Höchst wertvoll sind in diesem Zusammen¬
hange die Streiflichter, die auf die Lehrer,
besonders auf Hinzpeter, aber auch auf die
Eltern und den Großvater des Jubilars ge¬
worfen werden. Schiemann, der sich durch
seine Schilderung der Persönlichkeiten des
Kaisers Alexander des Ersten von Rußland und
dessen Nachfolgers, Nikolaus des Ersten,
einen besonderen hohen Platz unter den

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Iubilciumsliteratur

Blech er und Zeitschriften. Die fünfundzw ein¬
zigste Wiederkehr des Thronbesteigungstages
Kaiser Wilhelms des Zweiten hat naturgemäß
eine gewaltige Buch-, Broschüren- und Zeit¬
schriftenliteratur erzeugt und auf den Markt
werfen lassen. Es ist heute noch nicht möglich,
ihren ganzen Umfang zu übersehen und den
Wert der einzelnen Werke richtig zu würdigen,
weil die meisten Veröffentlichungen erst in
den allerletzten Tagen in die Hände der
Kritiker gelangt sind. Was ich somit im
folgenden sage, soll lediglich der Anzeigepflicht
gegenüber den mir zugegangenen Werken ge¬
nügen.

Am längsten ist in unseren Händen ein
Buch des Grafen E. Reventlow: „Der
Kaiser und die Monarchisten" (Verlag von
Reimar Hobbing in Berlin, 1913). Es ist
die Auseinandersetzung eines tiefkonservativen
und deutschvölkischen Mannes mit sich selbst.
Reventlow hat in früheren Jahren der Per¬
sönlichkeit des Kaisers und seiner Art, die
Regierungsgeschäfte zu leiten, recht kritisch
gegenübergestanden („Kaiser Wilhelm und die
Byzantiner" bei I. F. Lehmann, München 1806)
und führt nun den Nachweis, wie sich Monarch,
Monarchie, nationale Anschauung und Welt¬
anschauung auf dem Boden der Monarchie
vereinigen lassen, mit anderen Worten: wie
er sich zum überzeugten Monarchisten durch¬
gerungen hat. Ich empfehle dies Buch, das
zweifellos in der Fachliteratur größere Be¬

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achtung finden wird, allen denen, die, mögen
sie konservativ oder liberal sein, ein Bedürfnis
fühlen, sich über Bedeutung und Wesen der
Monarchie für das Deutsche Reich und die
Deutschen ein eigenes Urteil zu bilden. Sie
werden manchen Widerspruch gegen Revent-
lows Ausführungen erheben, sie werden aber
eine Fülle von Anregungen finden.

Die Persönlichkeit des Kaisers findet eine
zum Teil neue Beleuchtung und Würdi¬
gung in dem Prachtvoll ausgestatteten Jubi¬
läumswerk, das das Deutsche Verlagshaus
Borg 6- Co. der Kaiserin zugeeignet hat:
„Unser Kaiser, Fünfundzwanzig Jahre der
Regierung Kaiser Wilhelms 1888 bis
1913", mit 9 Kunsttafeln und 449 Ab¬
bildungen im Text. Am wertvollsten erscheinen
mirin der besonders hervorgehobenen Beziehung
die Aufsätze von Friedrich Freiherrn von Dinck-
lage „Des Prinzen Jugendzeit" und von
Theodor Schiemann „Kaiser und König
Wilhelm II". Sie zeigen uns Werden
und Sein der Persönlichkeit des Kaisers mit
solcher Feinheit und solchem Verständnis,
wie ich ihnen noch nirgends begegnet bin.
Höchst wertvoll sind in diesem Zusammen¬
hange die Streiflichter, die auf die Lehrer,
besonders auf Hinzpeter, aber auch auf die
Eltern und den Großvater des Jubilars ge¬
worfen werden. Schiemann, der sich durch
seine Schilderung der Persönlichkeiten des
Kaisers Alexander des Ersten von Rußland und
dessen Nachfolgers, Nikolaus des Ersten,
einen besonderen hohen Platz unter den

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[0543] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Iubilciumsliteratur Blech er und Zeitschriften. Die fünfundzw ein¬ zigste Wiederkehr des Thronbesteigungstages Kaiser Wilhelms des Zweiten hat naturgemäß eine gewaltige Buch-, Broschüren- und Zeit¬ schriftenliteratur erzeugt und auf den Markt werfen lassen. Es ist heute noch nicht möglich, ihren ganzen Umfang zu übersehen und den Wert der einzelnen Werke richtig zu würdigen, weil die meisten Veröffentlichungen erst in den allerletzten Tagen in die Hände der Kritiker gelangt sind. Was ich somit im folgenden sage, soll lediglich der Anzeigepflicht gegenüber den mir zugegangenen Werken ge¬ nügen. Am längsten ist in unseren Händen ein Buch des Grafen E. Reventlow: „Der Kaiser und die Monarchisten" (Verlag von Reimar Hobbing in Berlin, 1913). Es ist die Auseinandersetzung eines tiefkonservativen und deutschvölkischen Mannes mit sich selbst. Reventlow hat in früheren Jahren der Per¬ sönlichkeit des Kaisers und seiner Art, die Regierungsgeschäfte zu leiten, recht kritisch gegenübergestanden („Kaiser Wilhelm und die Byzantiner" bei I. F. Lehmann, München 1806) und führt nun den Nachweis, wie sich Monarch, Monarchie, nationale Anschauung und Welt¬ anschauung auf dem Boden der Monarchie vereinigen lassen, mit anderen Worten: wie er sich zum überzeugten Monarchisten durch¬ gerungen hat. Ich empfehle dies Buch, das zweifellos in der Fachliteratur größere Be¬ achtung finden wird, allen denen, die, mögen sie konservativ oder liberal sein, ein Bedürfnis fühlen, sich über Bedeutung und Wesen der Monarchie für das Deutsche Reich und die Deutschen ein eigenes Urteil zu bilden. Sie werden manchen Widerspruch gegen Revent- lows Ausführungen erheben, sie werden aber eine Fülle von Anregungen finden. Die Persönlichkeit des Kaisers findet eine zum Teil neue Beleuchtung und Würdi¬ gung in dem Prachtvoll ausgestatteten Jubi¬ läumswerk, das das Deutsche Verlagshaus Borg 6- Co. der Kaiserin zugeeignet hat: „Unser Kaiser, Fünfundzwanzig Jahre der Regierung Kaiser Wilhelms 1888 bis 1913", mit 9 Kunsttafeln und 449 Ab¬ bildungen im Text. Am wertvollsten erscheinen mirin der besonders hervorgehobenen Beziehung die Aufsätze von Friedrich Freiherrn von Dinck- lage „Des Prinzen Jugendzeit" und von Theodor Schiemann „Kaiser und König Wilhelm II". Sie zeigen uns Werden und Sein der Persönlichkeit des Kaisers mit solcher Feinheit und solchem Verständnis, wie ich ihnen noch nirgends begegnet bin. Höchst wertvoll sind in diesem Zusammen¬ hange die Streiflichter, die auf die Lehrer, besonders auf Hinzpeter, aber auch auf die Eltern und den Großvater des Jubilars ge¬ worfen werden. Schiemann, der sich durch seine Schilderung der Persönlichkeiten des Kaisers Alexander des Ersten von Rußland und dessen Nachfolgers, Nikolaus des Ersten, einen besonderen hohen Platz unter den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/543>, abgerufen am 08.05.2024.