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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Römische Aaiserinnen
Dr. ZV. Ianell von in

in ersten Buch seiner "Aeneis" läßt Vergil die Königin Dido bei
dem Festmahl zu Ehren der Trojaner den Trinkspruch auf die
Gäste ausbringen; an einer späteren Stelle nimmt Dido persönlich
an einer großen Jagd teil. Ist dies öffentliche Auftreten einer
Frau auch zum Teil aus Didvs Stellung als Herrscherin er¬
klärlich, so konnte doch nur ein Römer es wagen, eine vornehme Frau so auf¬
treten zu lassen. Derselbe Dichter weist der Gemahlin des Königs Lakmus, Amada,
als Führerin der fremdenfeindlichen Partei am Hofe eine besondere Rolle
zu, eine Rolle, die sie so ausfüllt und die für sie soviel bedeutet, daß sie
sich den Tod gibt, als sie die Niederlage ihrer Partei und sich als Ursache
alles Unglücks erkennen muß. Während also Vergil Frauen solche Stellung
zuweisen konnte, weil gerade zu seiner Zeit in Rom, wenigstens in den höheren
Kreisen, die Frau sich der größten gesellschaftlichen Freiheit und der größten
Selbständigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht erfreuen durfte, wäre das im Bereich
der griechischen Kultur unmöglich gewesen: wir sehen das recht deutlich bei
Homer, wo selbst Helena und Penelope nur unter männlichem Schutz in der
Öffentlichkeit auftreten und gewissermaßen nur Objekte des männlichen Willens
sind. Freilich war es einstmals auch auf griechischem Boden anders gewesen:
die kretisch-mykenische Kultur kennt hohe Stellung und Geltung der Frau, eine
Tatsache, die nicht nur unmittelbar aus den Bildwerken jener Zeit, sondern
auch durch die Vermittlung der Atalantesage -- hierauf hat meines Wissens
zuerst G. Rodenwaldt in seinem grundlegenden Werke über die "mnkenische"
Wandmalerei hingewiesen -- uns bekannt ist. Ein Nachhall der Anschauungen
dieser Zeit betreffs der Stellung des weiblichen Geschlechtes klingt aus der
Schilderung Homers von der Bedeutung der Phaiakenkönigin Arete hindurch,
die geehrt wird von ihrem Gatten, "wie auf Erden sonst keine Frau geehrt
wird", und auch selber in die Verhandlungen der Männer ratend eingreift.
Was so vor mehr denn drei Jahrtausenden auf griechischem Boden einmal




Römische Aaiserinnen
Dr. ZV. Ianell von in

in ersten Buch seiner „Aeneis" läßt Vergil die Königin Dido bei
dem Festmahl zu Ehren der Trojaner den Trinkspruch auf die
Gäste ausbringen; an einer späteren Stelle nimmt Dido persönlich
an einer großen Jagd teil. Ist dies öffentliche Auftreten einer
Frau auch zum Teil aus Didvs Stellung als Herrscherin er¬
klärlich, so konnte doch nur ein Römer es wagen, eine vornehme Frau so auf¬
treten zu lassen. Derselbe Dichter weist der Gemahlin des Königs Lakmus, Amada,
als Führerin der fremdenfeindlichen Partei am Hofe eine besondere Rolle
zu, eine Rolle, die sie so ausfüllt und die für sie soviel bedeutet, daß sie
sich den Tod gibt, als sie die Niederlage ihrer Partei und sich als Ursache
alles Unglücks erkennen muß. Während also Vergil Frauen solche Stellung
zuweisen konnte, weil gerade zu seiner Zeit in Rom, wenigstens in den höheren
Kreisen, die Frau sich der größten gesellschaftlichen Freiheit und der größten
Selbständigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht erfreuen durfte, wäre das im Bereich
der griechischen Kultur unmöglich gewesen: wir sehen das recht deutlich bei
Homer, wo selbst Helena und Penelope nur unter männlichem Schutz in der
Öffentlichkeit auftreten und gewissermaßen nur Objekte des männlichen Willens
sind. Freilich war es einstmals auch auf griechischem Boden anders gewesen:
die kretisch-mykenische Kultur kennt hohe Stellung und Geltung der Frau, eine
Tatsache, die nicht nur unmittelbar aus den Bildwerken jener Zeit, sondern
auch durch die Vermittlung der Atalantesage — hierauf hat meines Wissens
zuerst G. Rodenwaldt in seinem grundlegenden Werke über die „mnkenische"
Wandmalerei hingewiesen — uns bekannt ist. Ein Nachhall der Anschauungen
dieser Zeit betreffs der Stellung des weiblichen Geschlechtes klingt aus der
Schilderung Homers von der Bedeutung der Phaiakenkönigin Arete hindurch,
die geehrt wird von ihrem Gatten, „wie auf Erden sonst keine Frau geehrt
wird", und auch selber in die Verhandlungen der Männer ratend eingreift.
Was so vor mehr denn drei Jahrtausenden auf griechischem Boden einmal


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[0588] [Abbildung] Römische Aaiserinnen Dr. ZV. Ianell von in in ersten Buch seiner „Aeneis" läßt Vergil die Königin Dido bei dem Festmahl zu Ehren der Trojaner den Trinkspruch auf die Gäste ausbringen; an einer späteren Stelle nimmt Dido persönlich an einer großen Jagd teil. Ist dies öffentliche Auftreten einer Frau auch zum Teil aus Didvs Stellung als Herrscherin er¬ klärlich, so konnte doch nur ein Römer es wagen, eine vornehme Frau so auf¬ treten zu lassen. Derselbe Dichter weist der Gemahlin des Königs Lakmus, Amada, als Führerin der fremdenfeindlichen Partei am Hofe eine besondere Rolle zu, eine Rolle, die sie so ausfüllt und die für sie soviel bedeutet, daß sie sich den Tod gibt, als sie die Niederlage ihrer Partei und sich als Ursache alles Unglücks erkennen muß. Während also Vergil Frauen solche Stellung zuweisen konnte, weil gerade zu seiner Zeit in Rom, wenigstens in den höheren Kreisen, die Frau sich der größten gesellschaftlichen Freiheit und der größten Selbständigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht erfreuen durfte, wäre das im Bereich der griechischen Kultur unmöglich gewesen: wir sehen das recht deutlich bei Homer, wo selbst Helena und Penelope nur unter männlichem Schutz in der Öffentlichkeit auftreten und gewissermaßen nur Objekte des männlichen Willens sind. Freilich war es einstmals auch auf griechischem Boden anders gewesen: die kretisch-mykenische Kultur kennt hohe Stellung und Geltung der Frau, eine Tatsache, die nicht nur unmittelbar aus den Bildwerken jener Zeit, sondern auch durch die Vermittlung der Atalantesage — hierauf hat meines Wissens zuerst G. Rodenwaldt in seinem grundlegenden Werke über die „mnkenische" Wandmalerei hingewiesen — uns bekannt ist. Ein Nachhall der Anschauungen dieser Zeit betreffs der Stellung des weiblichen Geschlechtes klingt aus der Schilderung Homers von der Bedeutung der Phaiakenkönigin Arete hindurch, die geehrt wird von ihrem Gatten, „wie auf Erden sonst keine Frau geehrt wird", und auch selber in die Verhandlungen der Männer ratend eingreift. Was so vor mehr denn drei Jahrtausenden auf griechischem Boden einmal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/588>, abgerufen am 08.05.2024.