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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Englische Marinepolitik

empfiehlt. Das Hauptziel der englischen Orientpolitik aber ist, Gegengewichte
gegen diesen russischen Drang nach dem Süden zu schaffen, und als solche
Gegenwichte kann nur die Stärkung der Türkei und die Begünstigung auch
der wirtschaftlichen Ausbreitung dritter Mächte, in diesem Fall vor allem
Deutschlands und Frankreichs in Frage kommen.




Englische Marinepolitik
v Kondor-Admiral z. D. ZVitschel onin

le kanadische Marinevorlage, welche die Schenkung von drei Gro߬
kampfschiffen an das Mutterland vorsieht und die im Unterhause
mit 99 gegen 66 Stimmen angenommen war, ist im Senat mit
51 Stimmen der Anhänger Sir Wilfrid Lauriers, des früheren
Ministerpräsidenten, gegen 27 Stimmen der Regierungspartei ab¬
gelehnt worden. Wie der jetzige Premierminister Mr. Borden sich auch aus
dieser Affäre ziehen -- und schließlich doch das Flottengeschenk gegen die liberale
Partei aufrecht erhalten mag, Tatsache ist, daß jetzt die drei Großkampfschiffe aus
kanadischen Mitteln nicht gebaut werden -- eine sehr unangenehme Störung des
großbritischen Weltreich-Gedankensund der"Reichsgeschwader"°Jdee Churchills.--
Als Borden damals nach seiner Ernennung zum Premierminister nach England
eilte und mit der Admiralität über die von ihm gedachte "Flottengabe" unter¬
handelte, wurde ihm die unumgängliche Notwendigkeit klargelegt, daß es an¬
gesichts des wachsenden Wettrüstens der seegeltenden Staaten und der Schwierigkeit
für Großbritannien, den erforderlichen "Sicherheitsüberschuß" von Schiffen auf¬
recht zu erhalten, für Kanada gegeben sei, eine Zahl von "Überschiffen" für
England vorzusehen. Daraufhin entstand die kanadische Marinevorlage über
den Ban von drei Großkampfschiffen, welche "Sr. Majestät dem englischen
König zur allgemeinen Reichsverteidigung zur Verfügung gestellt werden sollten".
Zunächst wurde die Absicht, diese Schiffe in Kanada selbst bauen zu lassen, durch
ein längeres Memorandum Churchills widerlegt, in dem die Unmöglichkeit aus¬
einandergesetzt wird, die für den Bau solcher Schiffe nötigen Anlagen, Werk¬
zeugmaschinen und Spezialarbeiter so schnell dort zu beschaffen. Folgerichtig
sollten sie also in England auf Kosten Kanadas gebaut werden. -- Churchill
rechnete aus, daß nach Aufrechterhaltung von 50 Prozent Überlegenheit an
Schiffen in heimischen Gewässern gegen Deutschland für den Schutz der Welt-
interessen Großbritanniens verfügbar sein werden: im Anfang des Jahres
1915 7. Frühjahr 4, Sommer 5, Herbst 7 Schiffe; im Anfang 1916 10.


Englische Marinepolitik

empfiehlt. Das Hauptziel der englischen Orientpolitik aber ist, Gegengewichte
gegen diesen russischen Drang nach dem Süden zu schaffen, und als solche
Gegenwichte kann nur die Stärkung der Türkei und die Begünstigung auch
der wirtschaftlichen Ausbreitung dritter Mächte, in diesem Fall vor allem
Deutschlands und Frankreichs in Frage kommen.




Englische Marinepolitik
v Kondor-Admiral z. D. ZVitschel onin

le kanadische Marinevorlage, welche die Schenkung von drei Gro߬
kampfschiffen an das Mutterland vorsieht und die im Unterhause
mit 99 gegen 66 Stimmen angenommen war, ist im Senat mit
51 Stimmen der Anhänger Sir Wilfrid Lauriers, des früheren
Ministerpräsidenten, gegen 27 Stimmen der Regierungspartei ab¬
gelehnt worden. Wie der jetzige Premierminister Mr. Borden sich auch aus
dieser Affäre ziehen — und schließlich doch das Flottengeschenk gegen die liberale
Partei aufrecht erhalten mag, Tatsache ist, daß jetzt die drei Großkampfschiffe aus
kanadischen Mitteln nicht gebaut werden — eine sehr unangenehme Störung des
großbritischen Weltreich-Gedankensund der„Reichsgeschwader"°Jdee Churchills.—
Als Borden damals nach seiner Ernennung zum Premierminister nach England
eilte und mit der Admiralität über die von ihm gedachte „Flottengabe" unter¬
handelte, wurde ihm die unumgängliche Notwendigkeit klargelegt, daß es an¬
gesichts des wachsenden Wettrüstens der seegeltenden Staaten und der Schwierigkeit
für Großbritannien, den erforderlichen „Sicherheitsüberschuß" von Schiffen auf¬
recht zu erhalten, für Kanada gegeben sei, eine Zahl von „Überschiffen" für
England vorzusehen. Daraufhin entstand die kanadische Marinevorlage über
den Ban von drei Großkampfschiffen, welche „Sr. Majestät dem englischen
König zur allgemeinen Reichsverteidigung zur Verfügung gestellt werden sollten".
Zunächst wurde die Absicht, diese Schiffe in Kanada selbst bauen zu lassen, durch
ein längeres Memorandum Churchills widerlegt, in dem die Unmöglichkeit aus¬
einandergesetzt wird, die für den Bau solcher Schiffe nötigen Anlagen, Werk¬
zeugmaschinen und Spezialarbeiter so schnell dort zu beschaffen. Folgerichtig
sollten sie also in England auf Kosten Kanadas gebaut werden. — Churchill
rechnete aus, daß nach Aufrechterhaltung von 50 Prozent Überlegenheit an
Schiffen in heimischen Gewässern gegen Deutschland für den Schutz der Welt-
interessen Großbritanniens verfügbar sein werden: im Anfang des Jahres
1915 7. Frühjahr 4, Sommer 5, Herbst 7 Schiffe; im Anfang 1916 10.


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[0401] Englische Marinepolitik empfiehlt. Das Hauptziel der englischen Orientpolitik aber ist, Gegengewichte gegen diesen russischen Drang nach dem Süden zu schaffen, und als solche Gegenwichte kann nur die Stärkung der Türkei und die Begünstigung auch der wirtschaftlichen Ausbreitung dritter Mächte, in diesem Fall vor allem Deutschlands und Frankreichs in Frage kommen. Englische Marinepolitik v Kondor-Admiral z. D. ZVitschel onin le kanadische Marinevorlage, welche die Schenkung von drei Gro߬ kampfschiffen an das Mutterland vorsieht und die im Unterhause mit 99 gegen 66 Stimmen angenommen war, ist im Senat mit 51 Stimmen der Anhänger Sir Wilfrid Lauriers, des früheren Ministerpräsidenten, gegen 27 Stimmen der Regierungspartei ab¬ gelehnt worden. Wie der jetzige Premierminister Mr. Borden sich auch aus dieser Affäre ziehen — und schließlich doch das Flottengeschenk gegen die liberale Partei aufrecht erhalten mag, Tatsache ist, daß jetzt die drei Großkampfschiffe aus kanadischen Mitteln nicht gebaut werden — eine sehr unangenehme Störung des großbritischen Weltreich-Gedankensund der„Reichsgeschwader"°Jdee Churchills.— Als Borden damals nach seiner Ernennung zum Premierminister nach England eilte und mit der Admiralität über die von ihm gedachte „Flottengabe" unter¬ handelte, wurde ihm die unumgängliche Notwendigkeit klargelegt, daß es an¬ gesichts des wachsenden Wettrüstens der seegeltenden Staaten und der Schwierigkeit für Großbritannien, den erforderlichen „Sicherheitsüberschuß" von Schiffen auf¬ recht zu erhalten, für Kanada gegeben sei, eine Zahl von „Überschiffen" für England vorzusehen. Daraufhin entstand die kanadische Marinevorlage über den Ban von drei Großkampfschiffen, welche „Sr. Majestät dem englischen König zur allgemeinen Reichsverteidigung zur Verfügung gestellt werden sollten". Zunächst wurde die Absicht, diese Schiffe in Kanada selbst bauen zu lassen, durch ein längeres Memorandum Churchills widerlegt, in dem die Unmöglichkeit aus¬ einandergesetzt wird, die für den Bau solcher Schiffe nötigen Anlagen, Werk¬ zeugmaschinen und Spezialarbeiter so schnell dort zu beschaffen. Folgerichtig sollten sie also in England auf Kosten Kanadas gebaut werden. — Churchill rechnete aus, daß nach Aufrechterhaltung von 50 Prozent Überlegenheit an Schiffen in heimischen Gewässern gegen Deutschland für den Schutz der Welt- interessen Großbritanniens verfügbar sein werden: im Anfang des Jahres 1915 7. Frühjahr 4, Sommer 5, Herbst 7 Schiffe; im Anfang 1916 10.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/401>, abgerufen am 08.05.2024.