Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit und ohne Waffen

einer behördlichen Einmischung in die Freiheit des Anwaltsstandes zu vermeiden,
zu empfehlen sein, daß die Höchstzahl einzig von dem Vorstande der Anwalts¬
kammern festgesetzt werde.

Die vorstehenden Ausführungen dürften gezeigt haben, daß die Beschränkung
der Zahl zuzulassender Anwälte keineswegs ein Attentat auf die Freiheit und
Selbständigkeit des Anwaltsstandes bedeutet, daß kein Grund vorliegt, die
Schlagworte "freie Advokatur" und "numsrus clau8U8", die schon längst nicht
mehr den Kern der Sache treffen, zum politischen Feldgeschrei zu erheben. Es
handelt sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Die deutsche Anwaltschaft,
die sittlich und wissenschaftlich auf einer von keiner Nation übertroffenen Höhe
steht, hat selbst das größte Interesse daran, daß der ungesunde und übermäßige
Zudrang mit all seinen bedauernswerten Nebenerscheinungen eingedämmt wird.
Man kann gewiß über die Art des einzuschlagenden Weges streiten. Sicher
aber ist es, daß etwas geschehen muß.




Line russische Bilanz der Balkanwirren
Dr. Ernst Sokolowski von in Mit und ohne Waffen

Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus der Feder eines
Russen. Infolgedessen bieten sie dem deutschen Politiker nicht nur inter¬
essante Einblicke und Anhaltspunkte für die Beurteilung dessen, was die
Russen glauben während der Balkanwirren seit dem Herbst 1912 für
sich herausgeholt zu haben, sondern auch dafür, was die anderen be¬
teiligten Mächte mit Einschluß Deutschlands gewonnen oder verloren
haben. In diesem Zusammenhange sei auch auf den Leitartikel des
vorigen Heftes (Ur. 3ö) "Die englische Orientpolitik" hingewiesen; er
G. Li. bietet eine interessante Ergänzung.

nläßlich eines jüngst von mir veröffentlichten Aufsatzes*) über
Richtlinien in der Außenpolitik -- habe ich wiederholt die Be¬
deutung des Einflusses der russischen Politik bei der jüngsten
Balkansache anzweifeln und die Behauptung aussprechen hören,
es sei doch schließlich nichts von Rußland erreicht worden.

Gegenüber einer derartigen Auffassung sei es vor allem gestattet, an die
Bauernfrau zu erinnern, die als ihr Geld, d. h. als ihren sicheren Besitz,



*) Lackmus, Rigasche Rundschau Ur. 120 und 121, 1913.
Mit und ohne Waffen

einer behördlichen Einmischung in die Freiheit des Anwaltsstandes zu vermeiden,
zu empfehlen sein, daß die Höchstzahl einzig von dem Vorstande der Anwalts¬
kammern festgesetzt werde.

Die vorstehenden Ausführungen dürften gezeigt haben, daß die Beschränkung
der Zahl zuzulassender Anwälte keineswegs ein Attentat auf die Freiheit und
Selbständigkeit des Anwaltsstandes bedeutet, daß kein Grund vorliegt, die
Schlagworte „freie Advokatur" und „numsrus clau8U8", die schon längst nicht
mehr den Kern der Sache treffen, zum politischen Feldgeschrei zu erheben. Es
handelt sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Die deutsche Anwaltschaft,
die sittlich und wissenschaftlich auf einer von keiner Nation übertroffenen Höhe
steht, hat selbst das größte Interesse daran, daß der ungesunde und übermäßige
Zudrang mit all seinen bedauernswerten Nebenerscheinungen eingedämmt wird.
Man kann gewiß über die Art des einzuschlagenden Weges streiten. Sicher
aber ist es, daß etwas geschehen muß.




Line russische Bilanz der Balkanwirren
Dr. Ernst Sokolowski von in Mit und ohne Waffen

Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus der Feder eines
Russen. Infolgedessen bieten sie dem deutschen Politiker nicht nur inter¬
essante Einblicke und Anhaltspunkte für die Beurteilung dessen, was die
Russen glauben während der Balkanwirren seit dem Herbst 1912 für
sich herausgeholt zu haben, sondern auch dafür, was die anderen be¬
teiligten Mächte mit Einschluß Deutschlands gewonnen oder verloren
haben. In diesem Zusammenhange sei auch auf den Leitartikel des
vorigen Heftes (Ur. 3ö) „Die englische Orientpolitik" hingewiesen; er
G. Li. bietet eine interessante Ergänzung.

nläßlich eines jüngst von mir veröffentlichten Aufsatzes*) über
Richtlinien in der Außenpolitik — habe ich wiederholt die Be¬
deutung des Einflusses der russischen Politik bei der jüngsten
Balkansache anzweifeln und die Behauptung aussprechen hören,
es sei doch schließlich nichts von Rußland erreicht worden.

Gegenüber einer derartigen Auffassung sei es vor allem gestattet, an die
Bauernfrau zu erinnern, die als ihr Geld, d. h. als ihren sicheren Besitz,



*) Lackmus, Rigasche Rundschau Ur. 120 und 121, 1913.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326625"/>
          <fw type="header" place="top"> Mit und ohne Waffen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2186" prev="#ID_2185"> einer behördlichen Einmischung in die Freiheit des Anwaltsstandes zu vermeiden,<lb/>
zu empfehlen sein, daß die Höchstzahl einzig von dem Vorstande der Anwalts¬<lb/>
kammern festgesetzt werde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2187"> Die vorstehenden Ausführungen dürften gezeigt haben, daß die Beschränkung<lb/>
der Zahl zuzulassender Anwälte keineswegs ein Attentat auf die Freiheit und<lb/>
Selbständigkeit des Anwaltsstandes bedeutet, daß kein Grund vorliegt, die<lb/>
Schlagworte &#x201E;freie Advokatur" und &#x201E;numsrus clau8U8", die schon längst nicht<lb/>
mehr den Kern der Sache treffen, zum politischen Feldgeschrei zu erheben. Es<lb/>
handelt sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Die deutsche Anwaltschaft,<lb/>
die sittlich und wissenschaftlich auf einer von keiner Nation übertroffenen Höhe<lb/>
steht, hat selbst das größte Interesse daran, daß der ungesunde und übermäßige<lb/>
Zudrang mit all seinen bedauernswerten Nebenerscheinungen eingedämmt wird.<lb/>
Man kann gewiß über die Art des einzuschlagenden Weges streiten. Sicher<lb/>
aber ist es, daß etwas geschehen muß.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Line russische Bilanz der Balkanwirren<lb/><note type="byline"> Dr. Ernst Sokolowski</note> von in Mit und ohne Waffen</head><lb/>
          <note type="argument"> Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus der Feder eines<lb/>
Russen. Infolgedessen bieten sie dem deutschen Politiker nicht nur inter¬<lb/>
essante Einblicke und Anhaltspunkte für die Beurteilung dessen, was die<lb/>
Russen glauben während der Balkanwirren seit dem Herbst 1912 für<lb/>
sich herausgeholt zu haben, sondern auch dafür, was die anderen be¬<lb/>
teiligten Mächte mit Einschluß Deutschlands gewonnen oder verloren<lb/>
haben. In diesem Zusammenhange sei auch auf den Leitartikel des<lb/>
vorigen Heftes (Ur. 3ö) &#x201E;Die englische Orientpolitik" hingewiesen; er<lb/><note type="byline"> G. Li.</note> bietet eine interessante Ergänzung. </note><lb/>
          <p xml:id="ID_2188"> nläßlich eines jüngst von mir veröffentlichten Aufsatzes*) über<lb/>
Richtlinien in der Außenpolitik &#x2014; habe ich wiederholt die Be¬<lb/>
deutung des Einflusses der russischen Politik bei der jüngsten<lb/>
Balkansache anzweifeln und die Behauptung aussprechen hören,<lb/>
es sei doch schließlich nichts von Rußland erreicht worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2189" next="#ID_2190"> Gegenüber einer derartigen Auffassung sei es vor allem gestattet, an die<lb/>
Bauernfrau zu erinnern, die als ihr Geld, d. h. als ihren sicheren Besitz,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_165" place="foot"> *) Lackmus, Rigasche Rundschau Ur. 120 und 121, 1913.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] Mit und ohne Waffen einer behördlichen Einmischung in die Freiheit des Anwaltsstandes zu vermeiden, zu empfehlen sein, daß die Höchstzahl einzig von dem Vorstande der Anwalts¬ kammern festgesetzt werde. Die vorstehenden Ausführungen dürften gezeigt haben, daß die Beschränkung der Zahl zuzulassender Anwälte keineswegs ein Attentat auf die Freiheit und Selbständigkeit des Anwaltsstandes bedeutet, daß kein Grund vorliegt, die Schlagworte „freie Advokatur" und „numsrus clau8U8", die schon längst nicht mehr den Kern der Sache treffen, zum politischen Feldgeschrei zu erheben. Es handelt sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage. Die deutsche Anwaltschaft, die sittlich und wissenschaftlich auf einer von keiner Nation übertroffenen Höhe steht, hat selbst das größte Interesse daran, daß der ungesunde und übermäßige Zudrang mit all seinen bedauernswerten Nebenerscheinungen eingedämmt wird. Man kann gewiß über die Art des einzuschlagenden Weges streiten. Sicher aber ist es, daß etwas geschehen muß. Line russische Bilanz der Balkanwirren Dr. Ernst Sokolowski von in Mit und ohne Waffen Die nachfolgenden Ausführungen stammen aus der Feder eines Russen. Infolgedessen bieten sie dem deutschen Politiker nicht nur inter¬ essante Einblicke und Anhaltspunkte für die Beurteilung dessen, was die Russen glauben während der Balkanwirren seit dem Herbst 1912 für sich herausgeholt zu haben, sondern auch dafür, was die anderen be¬ teiligten Mächte mit Einschluß Deutschlands gewonnen oder verloren haben. In diesem Zusammenhange sei auch auf den Leitartikel des vorigen Heftes (Ur. 3ö) „Die englische Orientpolitik" hingewiesen; er G. Li. bietet eine interessante Ergänzung. nläßlich eines jüngst von mir veröffentlichten Aufsatzes*) über Richtlinien in der Außenpolitik — habe ich wiederholt die Be¬ deutung des Einflusses der russischen Politik bei der jüngsten Balkansache anzweifeln und die Behauptung aussprechen hören, es sei doch schließlich nichts von Rußland erreicht worden. Gegenüber einer derartigen Auffassung sei es vor allem gestattet, an die Bauernfrau zu erinnern, die als ihr Geld, d. h. als ihren sicheren Besitz, *) Lackmus, Rigasche Rundschau Ur. 120 und 121, 1913.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/455>, abgerufen am 08.05.2024.