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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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T)le Steuerfreiheit der deutschen Vundessürsten
von Dr. jur, Eduard Ljn brich, o. ö, Professor der Rechte

le Frage der Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten hat aus
neuerlichen Anlaß bereits eine ganze Reihe von Beantwortern
gefunden, ohne daß die Lösungen den vom Standtpunkt juristischer
Konsequenz zu stellenden Anforderungen wirklich genügten. Bei
der antimonarchistischen Richtung der Zeit haben namentlich im
Reichstage und in der politischen Presse manche Stimmen gern die Gelegenheit
wahrgenommen, um mit der Verneinung der seitens der Reichsregierung be¬
haupteten Steuerfreiheit der Bundesfürsten dem monarchischen Prinzip überhaupt
eins zu versetzen. Erleichtert wurde diese Arbeit allerdings durch das Ungeschick
der offiziösen Begründung des Regierungsstandpunktes in der vorliegenden Frage.
Aber auch der in Ur. 11 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Juni 1913
erschienene Aufsatz von Anschütz (Berlin): "Die Steuerfreiheit der deutschen
Fürsten", dessen Ausführungen gegenüber der offiziösen Begründung des Re-
gierungsstandpunktes manches Zutreffende enthalten, wird der Sachlage im Hin¬
blick auf den prinzipiellen Aufbau nicht vollauf gerecht, ebensowenig wie die
Aufsätze von Arndt in Ur. 127 des Tag vom 3. Juni 1913 und von Hamm
in Ur. 12 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 15. Juni 1913.

Anfechtbar ist es von vornherein, daß Anschütz in seinem erwähnten Aufsatz
ausnahmslos für die Beurteilung staatsrechtlicher Fragen der Gegenwart eine
Verwendung der Rechtsgedanken des vorkonstitutionellen deutschen Staatsrechts
ablehnt. Das mag eine gewisse Berechtigung für die Staaten Süddeutschlands
haben, welche, aus einer Reihe verschiedenartiger Länderbrocken zusammengesetzt,
erst mit dem Anschluß an das konstitutionelle System ein modernes Staats¬
wesen und eine moderne Staatsrechtsentwicklung bekamen. Anders steht es
jedoch sicher mit der Staatsrechtsentwicklung der preußischen Monarchie. Das
vorkonstitutionelle preußische Staatsrecht hat bekanntermaßen seine maßgebende
Kodifikation bereits im Allgemeinen Landrecht von 1794 erhalten, und die
Weltanschauung, auf welcher die staatsrechtliche Partie des Allgemeinen ^and-
rechls sich aufbaut, ist unleugbar in den Hauptpunkten wesensverwandt der
Weltanschauung des Konstitutionalismus, von welcher die Normen der geltenden
preußischen Verfassungsurkunde Zeugnis ablegen. Eine von schon wesentlich




T)le Steuerfreiheit der deutschen Vundessürsten
von Dr. jur, Eduard Ljn brich, o. ö, Professor der Rechte

le Frage der Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten hat aus
neuerlichen Anlaß bereits eine ganze Reihe von Beantwortern
gefunden, ohne daß die Lösungen den vom Standtpunkt juristischer
Konsequenz zu stellenden Anforderungen wirklich genügten. Bei
der antimonarchistischen Richtung der Zeit haben namentlich im
Reichstage und in der politischen Presse manche Stimmen gern die Gelegenheit
wahrgenommen, um mit der Verneinung der seitens der Reichsregierung be¬
haupteten Steuerfreiheit der Bundesfürsten dem monarchischen Prinzip überhaupt
eins zu versetzen. Erleichtert wurde diese Arbeit allerdings durch das Ungeschick
der offiziösen Begründung des Regierungsstandpunktes in der vorliegenden Frage.
Aber auch der in Ur. 11 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Juni 1913
erschienene Aufsatz von Anschütz (Berlin): „Die Steuerfreiheit der deutschen
Fürsten", dessen Ausführungen gegenüber der offiziösen Begründung des Re-
gierungsstandpunktes manches Zutreffende enthalten, wird der Sachlage im Hin¬
blick auf den prinzipiellen Aufbau nicht vollauf gerecht, ebensowenig wie die
Aufsätze von Arndt in Ur. 127 des Tag vom 3. Juni 1913 und von Hamm
in Ur. 12 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 15. Juni 1913.

Anfechtbar ist es von vornherein, daß Anschütz in seinem erwähnten Aufsatz
ausnahmslos für die Beurteilung staatsrechtlicher Fragen der Gegenwart eine
Verwendung der Rechtsgedanken des vorkonstitutionellen deutschen Staatsrechts
ablehnt. Das mag eine gewisse Berechtigung für die Staaten Süddeutschlands
haben, welche, aus einer Reihe verschiedenartiger Länderbrocken zusammengesetzt,
erst mit dem Anschluß an das konstitutionelle System ein modernes Staats¬
wesen und eine moderne Staatsrechtsentwicklung bekamen. Anders steht es
jedoch sicher mit der Staatsrechtsentwicklung der preußischen Monarchie. Das
vorkonstitutionelle preußische Staatsrecht hat bekanntermaßen seine maßgebende
Kodifikation bereits im Allgemeinen Landrecht von 1794 erhalten, und die
Weltanschauung, auf welcher die staatsrechtliche Partie des Allgemeinen ^and-
rechls sich aufbaut, ist unleugbar in den Hauptpunkten wesensverwandt der
Weltanschauung des Konstitutionalismus, von welcher die Normen der geltenden
preußischen Verfassungsurkunde Zeugnis ablegen. Eine von schon wesentlich


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[0118] [Abbildung] T)le Steuerfreiheit der deutschen Vundessürsten von Dr. jur, Eduard Ljn brich, o. ö, Professor der Rechte le Frage der Steuerfreiheit der deutschen Bundesfürsten hat aus neuerlichen Anlaß bereits eine ganze Reihe von Beantwortern gefunden, ohne daß die Lösungen den vom Standtpunkt juristischer Konsequenz zu stellenden Anforderungen wirklich genügten. Bei der antimonarchistischen Richtung der Zeit haben namentlich im Reichstage und in der politischen Presse manche Stimmen gern die Gelegenheit wahrgenommen, um mit der Verneinung der seitens der Reichsregierung be¬ haupteten Steuerfreiheit der Bundesfürsten dem monarchischen Prinzip überhaupt eins zu versetzen. Erleichtert wurde diese Arbeit allerdings durch das Ungeschick der offiziösen Begründung des Regierungsstandpunktes in der vorliegenden Frage. Aber auch der in Ur. 11 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 1. Juni 1913 erschienene Aufsatz von Anschütz (Berlin): „Die Steuerfreiheit der deutschen Fürsten", dessen Ausführungen gegenüber der offiziösen Begründung des Re- gierungsstandpunktes manches Zutreffende enthalten, wird der Sachlage im Hin¬ blick auf den prinzipiellen Aufbau nicht vollauf gerecht, ebensowenig wie die Aufsätze von Arndt in Ur. 127 des Tag vom 3. Juni 1913 und von Hamm in Ur. 12 der Deutschen Juristen-Zeitung vom 15. Juni 1913. Anfechtbar ist es von vornherein, daß Anschütz in seinem erwähnten Aufsatz ausnahmslos für die Beurteilung staatsrechtlicher Fragen der Gegenwart eine Verwendung der Rechtsgedanken des vorkonstitutionellen deutschen Staatsrechts ablehnt. Das mag eine gewisse Berechtigung für die Staaten Süddeutschlands haben, welche, aus einer Reihe verschiedenartiger Länderbrocken zusammengesetzt, erst mit dem Anschluß an das konstitutionelle System ein modernes Staats¬ wesen und eine moderne Staatsrechtsentwicklung bekamen. Anders steht es jedoch sicher mit der Staatsrechtsentwicklung der preußischen Monarchie. Das vorkonstitutionelle preußische Staatsrecht hat bekanntermaßen seine maßgebende Kodifikation bereits im Allgemeinen Landrecht von 1794 erhalten, und die Weltanschauung, auf welcher die staatsrechtliche Partie des Allgemeinen ^and- rechls sich aufbaut, ist unleugbar in den Hauptpunkten wesensverwandt der Weltanschauung des Konstitutionalismus, von welcher die Normen der geltenden preußischen Verfassungsurkunde Zeugnis ablegen. Eine von schon wesentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/118>, abgerufen am 27.04.2024.