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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Die Raisermanöver von 195 Z

Die Aaisermanöver von ^9^3

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MMuf blutgetränktem Gefilde, wo preußische Soldaten schon häufig
ihr Leben für König und Vaterland dahingegeben. spielte sich das
diesjährige Kaisermanöver ab. Bei Hohenfriedberg waren die
Kolonnen der verbündeten österreichisch-sächsischen Armee sorglos
aus dem Schlesischen Gebirge herausgetreten und in der Ebene von
dem im nächtlichen Dunkel herbeigeeilten König überraschend angegriffen und ver¬
nichtend geschlagen worden. Nicht weit vapor hatte der Große König später bei
Leuthen mit seinem an Zahl geringeren Heere den Prinzen Karl von Lothringen durch
seine überlegene Feldherrnkunst besiegt. Um die Festung Schweidnitz war in
den Schlesischen Kriegen oft und erbittert gekämpft worden. An der Katzbach,
südlich Liegnitz, hatte Blücher den französischen Marschall Macdonald geschlagen
und die französische Bober-Armee durch seine rastlose Verfolgung, die ihm den
Beinamen "Marschall Vorwärts" eintrug, zersprengt. Alles das stolze Erinne¬
rungen in der preußischen Kriegsgeschichte, die jedem Teilnehmer der diesjährigen
Manöver unwillkürlich vor Augen traten, wenn er an diesen historischen Gegenden
vorbei kam. Man hatte deshalb auch vielfach angenommen, die Übungen würden
an jene Ereignisse anknüpfen. Es wäre ja auch lehrreich gewesen, auf kriegs¬
geschichtlicher Grundlage zu zeigen, wie sich die höhere und niedere Truppen¬
führung seitdem geändert haben und wie die einem Friedrich dem Großen, einem
Blücher zugefallene Aufgabe in der heutigen Zeit unter dem Einfluß der ver¬
änderten Waffeuwirkung und der Benutzung der modernen technischen Errungen¬
schaften gelöst werden kann. Diese Erwartung wurde aber nicht erfüllt. Die
Anlage und Durchführung des Kaisermanövers hielt sich von einer kriegs¬
geschichtlichen Grundlage ganz fern. Nach anderer Richtung hin aber zeigt die
Anlage des Manövers eine wesentliche Neuerung, die zu sehr verschiedenen Be¬
urteilungen geführt hat.

Welchen Zwecken sollen die Kaisermanöver dienen? Die Beantwortung
dieser Frage wird ausschlaggebend für ihre Anlage sein. Bisher wurde der
Hauptwert auf die Ausbildung der höheren Führer in operativen Sinne
gelegt. Der höchste Führer jeder Partei, mochte er nun eine Armee
oder ein Armeekorps führen, war möglichst selbständig. Ihm wurde eine
bestimmte Aufgabe gegeben, die er mit den ihm zur Verfügung gestellten Kräften,
nach freiem Ermessen lösen mußte. Wie er dies tat, war ihm vollkommen über-
lassen. Die Lage war dabei absichtlich so geschaffen, daß der Führer schwer¬
wiegende Entschlüsse operativer Natur zu fassen hatte. So waren z. B. seine
Kräfte noch nicht eng versammelt, er mußte den Ort und die Art ihrer Ver¬
einigung bestimmen, sich für den Angriff oder die Verteidigung entscheiden,
Marschstraßen und Marschziele selbständig anordnen. Um dem Führer einen
möglichst großen Spielraum zu lassen, war auch sein Truppenverband selbständig
gedacht, ohne unmittelbare Anlehnung an andere Abteilungen. Waren höhere


Die Raisermanöver von 195 Z

Die Aaisermanöver von ^9^3

F^XI
MMuf blutgetränktem Gefilde, wo preußische Soldaten schon häufig
ihr Leben für König und Vaterland dahingegeben. spielte sich das
diesjährige Kaisermanöver ab. Bei Hohenfriedberg waren die
Kolonnen der verbündeten österreichisch-sächsischen Armee sorglos
aus dem Schlesischen Gebirge herausgetreten und in der Ebene von
dem im nächtlichen Dunkel herbeigeeilten König überraschend angegriffen und ver¬
nichtend geschlagen worden. Nicht weit vapor hatte der Große König später bei
Leuthen mit seinem an Zahl geringeren Heere den Prinzen Karl von Lothringen durch
seine überlegene Feldherrnkunst besiegt. Um die Festung Schweidnitz war in
den Schlesischen Kriegen oft und erbittert gekämpft worden. An der Katzbach,
südlich Liegnitz, hatte Blücher den französischen Marschall Macdonald geschlagen
und die französische Bober-Armee durch seine rastlose Verfolgung, die ihm den
Beinamen „Marschall Vorwärts" eintrug, zersprengt. Alles das stolze Erinne¬
rungen in der preußischen Kriegsgeschichte, die jedem Teilnehmer der diesjährigen
Manöver unwillkürlich vor Augen traten, wenn er an diesen historischen Gegenden
vorbei kam. Man hatte deshalb auch vielfach angenommen, die Übungen würden
an jene Ereignisse anknüpfen. Es wäre ja auch lehrreich gewesen, auf kriegs¬
geschichtlicher Grundlage zu zeigen, wie sich die höhere und niedere Truppen¬
führung seitdem geändert haben und wie die einem Friedrich dem Großen, einem
Blücher zugefallene Aufgabe in der heutigen Zeit unter dem Einfluß der ver¬
änderten Waffeuwirkung und der Benutzung der modernen technischen Errungen¬
schaften gelöst werden kann. Diese Erwartung wurde aber nicht erfüllt. Die
Anlage und Durchführung des Kaisermanövers hielt sich von einer kriegs¬
geschichtlichen Grundlage ganz fern. Nach anderer Richtung hin aber zeigt die
Anlage des Manövers eine wesentliche Neuerung, die zu sehr verschiedenen Be¬
urteilungen geführt hat.

Welchen Zwecken sollen die Kaisermanöver dienen? Die Beantwortung
dieser Frage wird ausschlaggebend für ihre Anlage sein. Bisher wurde der
Hauptwert auf die Ausbildung der höheren Führer in operativen Sinne
gelegt. Der höchste Führer jeder Partei, mochte er nun eine Armee
oder ein Armeekorps führen, war möglichst selbständig. Ihm wurde eine
bestimmte Aufgabe gegeben, die er mit den ihm zur Verfügung gestellten Kräften,
nach freiem Ermessen lösen mußte. Wie er dies tat, war ihm vollkommen über-
lassen. Die Lage war dabei absichtlich so geschaffen, daß der Führer schwer¬
wiegende Entschlüsse operativer Natur zu fassen hatte. So waren z. B. seine
Kräfte noch nicht eng versammelt, er mußte den Ort und die Art ihrer Ver¬
einigung bestimmen, sich für den Angriff oder die Verteidigung entscheiden,
Marschstraßen und Marschziele selbständig anordnen. Um dem Führer einen
möglichst großen Spielraum zu lassen, war auch sein Truppenverband selbständig
gedacht, ohne unmittelbare Anlehnung an andere Abteilungen. Waren höhere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/15>, abgerufen am 27.04.2024.