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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reform der inneren Verwaltung

Zeit, als das Deutsche Reich seine Grenzen nicht mehr gegen auswärtige Feinde
verteidigen konnte. Und diese Tatsache brachte schließlich Zustände, unter welchen
der Glanz der Städte schließlich doch zum Opfer fallen mußte.

So glauben wir denn, daß es nach der Richtung, nach welcher es im
Interesse unserer Verwaltung an und für sich wünschenswert erscheinen müßte,
für das Reformwerk kaum möglich sein wird, wesentliches zu erreichen; daß
aber nach der Richtung, nach welcher es wohl möglich wäre, wesentliche Ände¬
rungen schwerlich erwünscht sein könnten.

Immerhin wird sich, wie wir bereits an anderer Stelle hervorgehoben
hatten, auch ohne durchgreifende Umbildung manches im Sinne der Vereinfachung
reformieren lassen, so daß der Wert der Reform auch unter diesem Gesichts¬
punkte nicht gerade gering eingeschätzt zu werden braucht.

Was unseres Erachtens in dieser Hinsicht möglich erscheint, soll in dem
folgenden Abschnitt besprochen werden.

I.
Behörden

Jede Behörde, soll sie für die Dauer Gutes zeitigen, muß einen aus¬
gesprochenen Charakter haben. Es ist das für die meisten Behörden so selbst¬
verständlich, daß sie ihren Charakter sozusagen mit auf die Welt bringen. Bei
den Ministerien, den obersten und leitenden Verwaltungsbehörden, ist es z. B.
ohne weiteres klar, welche Bedeutung ihnen zukommt. Ihnen wichtige Be¬
fugnisse nehmen, hieße sie zu einem Scheindasein verurteilen. Hinsichtlich der
Ministerien wird daher auch bei der Reformfrage kaum viel zu sagen sein.

Ähnlich wie mit den obersten liegt es mit den untersten Verwaltungs¬
behörden. Auch sie haben von vornherein einen ausgesprochenen Charakter --
müssen ihn wenigstens haben. Liegt den ersteren das allgemeine Anordnen ob,
so ist es Sache der letzteren, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen
und die hierbei gemachten Erfahrungen wieder den Zentralstellen zu melden.
Um dieser Aufgabe genügen zu können, müssen sie im Gegensatz zu den ihr
spezielles Fach vertretenden Ministerien möglichst vielseitig sein, da ohnedem
brauchbare Erfahrungen nicht denkbar sind. Zudem müssen die untersten Ver¬
waltungsbehörden schnell und praktisch arbeiten können. Um dies zu ermög¬
lichen, werden sie nur klein sein dürfen und von einem den ganzen Geschäfts¬
betrieb übersehenden Beamten geleitet werden müssen. Naturgemäß werden
solche Behörden nicht besonders gründlich sein, noch auch über einen weiten
Gesichtskreis verfügen können. Dies führt zur Notwendigkeit einer weiteren,
mittleren Behörde als Bindeglied nach oben und nach unten.

Was wir hier als wesentliche Merkmale für die unterste Verwaltungsstelle
hervorgehoben haben, traf ehedem für unsere preußischen Landratsämter im
großen und ganzen zu, zumal ihre Verwaltung meist als Lebensaufgabe ohne
Verlangen nach weiterer Beförderung angesehen wurde und daher sowohl unter


Reform der inneren Verwaltung

Zeit, als das Deutsche Reich seine Grenzen nicht mehr gegen auswärtige Feinde
verteidigen konnte. Und diese Tatsache brachte schließlich Zustände, unter welchen
der Glanz der Städte schließlich doch zum Opfer fallen mußte.

So glauben wir denn, daß es nach der Richtung, nach welcher es im
Interesse unserer Verwaltung an und für sich wünschenswert erscheinen müßte,
für das Reformwerk kaum möglich sein wird, wesentliches zu erreichen; daß
aber nach der Richtung, nach welcher es wohl möglich wäre, wesentliche Ände¬
rungen schwerlich erwünscht sein könnten.

Immerhin wird sich, wie wir bereits an anderer Stelle hervorgehoben
hatten, auch ohne durchgreifende Umbildung manches im Sinne der Vereinfachung
reformieren lassen, so daß der Wert der Reform auch unter diesem Gesichts¬
punkte nicht gerade gering eingeschätzt zu werden braucht.

Was unseres Erachtens in dieser Hinsicht möglich erscheint, soll in dem
folgenden Abschnitt besprochen werden.

I.
Behörden

Jede Behörde, soll sie für die Dauer Gutes zeitigen, muß einen aus¬
gesprochenen Charakter haben. Es ist das für die meisten Behörden so selbst¬
verständlich, daß sie ihren Charakter sozusagen mit auf die Welt bringen. Bei
den Ministerien, den obersten und leitenden Verwaltungsbehörden, ist es z. B.
ohne weiteres klar, welche Bedeutung ihnen zukommt. Ihnen wichtige Be¬
fugnisse nehmen, hieße sie zu einem Scheindasein verurteilen. Hinsichtlich der
Ministerien wird daher auch bei der Reformfrage kaum viel zu sagen sein.

Ähnlich wie mit den obersten liegt es mit den untersten Verwaltungs¬
behörden. Auch sie haben von vornherein einen ausgesprochenen Charakter —
müssen ihn wenigstens haben. Liegt den ersteren das allgemeine Anordnen ob,
so ist es Sache der letzteren, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen
und die hierbei gemachten Erfahrungen wieder den Zentralstellen zu melden.
Um dieser Aufgabe genügen zu können, müssen sie im Gegensatz zu den ihr
spezielles Fach vertretenden Ministerien möglichst vielseitig sein, da ohnedem
brauchbare Erfahrungen nicht denkbar sind. Zudem müssen die untersten Ver¬
waltungsbehörden schnell und praktisch arbeiten können. Um dies zu ermög¬
lichen, werden sie nur klein sein dürfen und von einem den ganzen Geschäfts¬
betrieb übersehenden Beamten geleitet werden müssen. Naturgemäß werden
solche Behörden nicht besonders gründlich sein, noch auch über einen weiten
Gesichtskreis verfügen können. Dies führt zur Notwendigkeit einer weiteren,
mittleren Behörde als Bindeglied nach oben und nach unten.

Was wir hier als wesentliche Merkmale für die unterste Verwaltungsstelle
hervorgehoben haben, traf ehedem für unsere preußischen Landratsämter im
großen und ganzen zu, zumal ihre Verwaltung meist als Lebensaufgabe ohne
Verlangen nach weiterer Beförderung angesehen wurde und daher sowohl unter


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[0323] Reform der inneren Verwaltung Zeit, als das Deutsche Reich seine Grenzen nicht mehr gegen auswärtige Feinde verteidigen konnte. Und diese Tatsache brachte schließlich Zustände, unter welchen der Glanz der Städte schließlich doch zum Opfer fallen mußte. So glauben wir denn, daß es nach der Richtung, nach welcher es im Interesse unserer Verwaltung an und für sich wünschenswert erscheinen müßte, für das Reformwerk kaum möglich sein wird, wesentliches zu erreichen; daß aber nach der Richtung, nach welcher es wohl möglich wäre, wesentliche Ände¬ rungen schwerlich erwünscht sein könnten. Immerhin wird sich, wie wir bereits an anderer Stelle hervorgehoben hatten, auch ohne durchgreifende Umbildung manches im Sinne der Vereinfachung reformieren lassen, so daß der Wert der Reform auch unter diesem Gesichts¬ punkte nicht gerade gering eingeschätzt zu werden braucht. Was unseres Erachtens in dieser Hinsicht möglich erscheint, soll in dem folgenden Abschnitt besprochen werden. I. Behörden Jede Behörde, soll sie für die Dauer Gutes zeitigen, muß einen aus¬ gesprochenen Charakter haben. Es ist das für die meisten Behörden so selbst¬ verständlich, daß sie ihren Charakter sozusagen mit auf die Welt bringen. Bei den Ministerien, den obersten und leitenden Verwaltungsbehörden, ist es z. B. ohne weiteres klar, welche Bedeutung ihnen zukommt. Ihnen wichtige Be¬ fugnisse nehmen, hieße sie zu einem Scheindasein verurteilen. Hinsichtlich der Ministerien wird daher auch bei der Reformfrage kaum viel zu sagen sein. Ähnlich wie mit den obersten liegt es mit den untersten Verwaltungs¬ behörden. Auch sie haben von vornherein einen ausgesprochenen Charakter — müssen ihn wenigstens haben. Liegt den ersteren das allgemeine Anordnen ob, so ist es Sache der letzteren, diese Anordnungen zur Ausführung zu bringen und die hierbei gemachten Erfahrungen wieder den Zentralstellen zu melden. Um dieser Aufgabe genügen zu können, müssen sie im Gegensatz zu den ihr spezielles Fach vertretenden Ministerien möglichst vielseitig sein, da ohnedem brauchbare Erfahrungen nicht denkbar sind. Zudem müssen die untersten Ver¬ waltungsbehörden schnell und praktisch arbeiten können. Um dies zu ermög¬ lichen, werden sie nur klein sein dürfen und von einem den ganzen Geschäfts¬ betrieb übersehenden Beamten geleitet werden müssen. Naturgemäß werden solche Behörden nicht besonders gründlich sein, noch auch über einen weiten Gesichtskreis verfügen können. Dies führt zur Notwendigkeit einer weiteren, mittleren Behörde als Bindeglied nach oben und nach unten. Was wir hier als wesentliche Merkmale für die unterste Verwaltungsstelle hervorgehoben haben, traf ehedem für unsere preußischen Landratsämter im großen und ganzen zu, zumal ihre Verwaltung meist als Lebensaufgabe ohne Verlangen nach weiterer Beförderung angesehen wurde und daher sowohl unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/323>, abgerufen am 27.04.2024.