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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aufschlich und ermöglicht ein schnelles Auf¬
finden des Gesuchten. Schon ein flüchtiges
Blättern in dem Werke gewährt hohen ästheti¬
schen Genuß, bis wir bei einem besonders inter¬
essanten Thema gefangen sind und bei tieferer
Versenkung immer wieder staunend vor dem
ungemessenen Reichtum der Natur an Wundern
stehen, von denen das Borghese Sammelwerk
einen so großen Schatz vor uns ausbreitet.

Wie in den Bibliotheken, so sollte auch in
den Familien dieses Werk besonders der rei¬
feren Jugend zugänglich sein, an der es seine
beste Kraft erweisen wird: Freude zu ge¬
winnen an den Schönheiten und Seltsamkeiten
der Natur, und trotz immer tieferen Ein¬
dringens in ihr Wesen demütig vor ihren
"Wundern" zu stehen. Nicht allen wird die
Anschaffung der drei Bände leicht werden, da
die stattlichen Leinenbände je 16 Mark kosten.
Doch ist -- neben dem Einzelbezug der
Bände -- durch die Lieferungsausgabe zu je
"0 Pfennig die Möglichkeit geVoten, nach
und nach, ohne die Kosten viel zu merken,
in den Besitz des Werkes zu kommen, das
die aufgewendete Summe reichlich lohnt.

Dr. Sergel
Literaturgeschichte

Die zweite Auflage der "Geschichte der
französischen Literatur von den älteste"
Zeiten bis zur Gegenwart" (Leipzig und
Wien, Bibliographisches Institut) ist jetzt mit
dem von Birch - Hirschfeld verfaßten zweiten
Bande vollständig geworden. Hinzugefügt
sind nun dreißig Seiten Literaturnachweise,
die, ohne vollständig zu sein, doch die we¬
sentlichsten Hilfsmittel in wissenschaftlich ein¬
wandfreier Auswahl bringen. Obwohl da¬
mit die fachwissenschaftliche Benutzung des
Buches ermöglicht ist, wird es doch seinem
eigentlichen Zwecke nicht untreu: auch dem,
der keine Fachkenntnisse besitzt, ein anschau¬
liches Bild französischer literarischer Kultur
zu geben. Dazu dienen die zahlreichen
Illustrationen und Faksimiles (leider fehlen
noch immer dazu die Quellenangaben) und
die leichtverständliche DarstellungSart. Bei¬
behalten ist in der zweiten Auflage auch das
Einteilungsprinzip: Überschriften, die sich

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scheinbar an äußerliche geschichtliche Daten
halten, umgrenzen das literarische Leben der
Nation "innerhalb der Wirkungsdauer eines
Menschenalters", das heißt ungefähr inner¬
halb einer Spanne von dreißig Jahren; ein
Prinzip, das, von Ranke für die geschichtliche
Forschung entdeckt, in der literarischen Kritik
noch allzu selten die Gliederung nach Jahr¬
hunderten und Schlagworten verdrängt hat.
(Für die moderne deutsche Literatur hat
der Journalist Friedrich Kummer in seiner
"Deutschen Literaturgeschichte des neunzehnten
Fahrhunderts" den Versuch gemacht, über¬
kommene, apriorische Gesichtspunkte durch
eine mehr experimentelle Methode zu ersetzen.)
Bei solchem Verfahren, die generationsweise
fortschreitende Entwicklung aufzuspüren und
zur Darstellung zu bringen, kann man einen
Hintergrund schaffen, auf dem die politischen
und wirtschaftlichen Zustände mit den lite¬
rarischen und künstlerischen Erscheinungen sich
zu einem geschlossenen und klaren Bilde ver¬
einigen. Mir scheint allerdings, daß wirt¬
schaftliche Verhältnisse (die z. B. die Demo¬
kratisierung und Kapitalisierung der Literatur
zur Folge hatten) in dem Buch nicht genügend
berücksichtigt werden; ebenso wie die Parallel¬
erscheinungen auf künstlerischem Gebiet ganz
zurücktreten: charakteristische VertrcterihrerZeit
wie Watteau, David, Delcicroix, Manet werden
überhaupt nicht gewürdigt, höchstens mit
Namen genannt. Gerade die deutsche Wissen¬
schaft könnte hier der größtenteils ästhetischen
Kritik der Franzosen eine Aufdeckung und
Begründung geschichtlicher Zusammenhänge
gegenüberstellen.

Dem Grundsatz, die Literatur als den
geistigen Ausdruck einer Generation zu ver¬
anschaulichen, traten bei der Kritik der Gegen¬
wart unüberwindliche Schwierigkeiten ent¬
gegen. Wir können Wohl die äußere Wir¬
kung eines Werkes der Gegenwart einiger¬
maßen sicher abschätzen, aber am Bewerten
hindert uns die Unmöglichkeit, einen tieferen
Einblick in den Ablauf unseres jetzigen künst¬
lerischen Lebens zu tun. So hat sich denn
auch Birch - Hirschfeld wie fast alle Verfasser
von modernen Literaturgeschichten hier mit
bloßer Aneinanderreihung beholfen und in¬
nerhalb der einzelnen Gattungen die Persön¬
lichkeiten eingeordnet. Hier muß natürlich

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aufschlich und ermöglicht ein schnelles Auf¬
finden des Gesuchten. Schon ein flüchtiges
Blättern in dem Werke gewährt hohen ästheti¬
schen Genuß, bis wir bei einem besonders inter¬
essanten Thema gefangen sind und bei tieferer
Versenkung immer wieder staunend vor dem
ungemessenen Reichtum der Natur an Wundern
stehen, von denen das Borghese Sammelwerk
einen so großen Schatz vor uns ausbreitet.

Wie in den Bibliotheken, so sollte auch in
den Familien dieses Werk besonders der rei¬
feren Jugend zugänglich sein, an der es seine
beste Kraft erweisen wird: Freude zu ge¬
winnen an den Schönheiten und Seltsamkeiten
der Natur, und trotz immer tieferen Ein¬
dringens in ihr Wesen demütig vor ihren
„Wundern" zu stehen. Nicht allen wird die
Anschaffung der drei Bände leicht werden, da
die stattlichen Leinenbände je 16 Mark kosten.
Doch ist — neben dem Einzelbezug der
Bände — durch die Lieferungsausgabe zu je
«0 Pfennig die Möglichkeit geVoten, nach
und nach, ohne die Kosten viel zu merken,
in den Besitz des Werkes zu kommen, das
die aufgewendete Summe reichlich lohnt.

Dr. Sergel
Literaturgeschichte

Die zweite Auflage der „Geschichte der
französischen Literatur von den älteste»
Zeiten bis zur Gegenwart" (Leipzig und
Wien, Bibliographisches Institut) ist jetzt mit
dem von Birch - Hirschfeld verfaßten zweiten
Bande vollständig geworden. Hinzugefügt
sind nun dreißig Seiten Literaturnachweise,
die, ohne vollständig zu sein, doch die we¬
sentlichsten Hilfsmittel in wissenschaftlich ein¬
wandfreier Auswahl bringen. Obwohl da¬
mit die fachwissenschaftliche Benutzung des
Buches ermöglicht ist, wird es doch seinem
eigentlichen Zwecke nicht untreu: auch dem,
der keine Fachkenntnisse besitzt, ein anschau¬
liches Bild französischer literarischer Kultur
zu geben. Dazu dienen die zahlreichen
Illustrationen und Faksimiles (leider fehlen
noch immer dazu die Quellenangaben) und
die leichtverständliche DarstellungSart. Bei¬
behalten ist in der zweiten Auflage auch das
Einteilungsprinzip: Überschriften, die sich

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scheinbar an äußerliche geschichtliche Daten
halten, umgrenzen das literarische Leben der
Nation „innerhalb der Wirkungsdauer eines
Menschenalters", das heißt ungefähr inner¬
halb einer Spanne von dreißig Jahren; ein
Prinzip, das, von Ranke für die geschichtliche
Forschung entdeckt, in der literarischen Kritik
noch allzu selten die Gliederung nach Jahr¬
hunderten und Schlagworten verdrängt hat.
(Für die moderne deutsche Literatur hat
der Journalist Friedrich Kummer in seiner
„Deutschen Literaturgeschichte des neunzehnten
Fahrhunderts" den Versuch gemacht, über¬
kommene, apriorische Gesichtspunkte durch
eine mehr experimentelle Methode zu ersetzen.)
Bei solchem Verfahren, die generationsweise
fortschreitende Entwicklung aufzuspüren und
zur Darstellung zu bringen, kann man einen
Hintergrund schaffen, auf dem die politischen
und wirtschaftlichen Zustände mit den lite¬
rarischen und künstlerischen Erscheinungen sich
zu einem geschlossenen und klaren Bilde ver¬
einigen. Mir scheint allerdings, daß wirt¬
schaftliche Verhältnisse (die z. B. die Demo¬
kratisierung und Kapitalisierung der Literatur
zur Folge hatten) in dem Buch nicht genügend
berücksichtigt werden; ebenso wie die Parallel¬
erscheinungen auf künstlerischem Gebiet ganz
zurücktreten: charakteristische VertrcterihrerZeit
wie Watteau, David, Delcicroix, Manet werden
überhaupt nicht gewürdigt, höchstens mit
Namen genannt. Gerade die deutsche Wissen¬
schaft könnte hier der größtenteils ästhetischen
Kritik der Franzosen eine Aufdeckung und
Begründung geschichtlicher Zusammenhänge
gegenüberstellen.

Dem Grundsatz, die Literatur als den
geistigen Ausdruck einer Generation zu ver¬
anschaulichen, traten bei der Kritik der Gegen¬
wart unüberwindliche Schwierigkeiten ent¬
gegen. Wir können Wohl die äußere Wir¬
kung eines Werkes der Gegenwart einiger¬
maßen sicher abschätzen, aber am Bewerten
hindert uns die Unmöglichkeit, einen tieferen
Einblick in den Ablauf unseres jetzigen künst¬
lerischen Lebens zu tun. So hat sich denn
auch Birch - Hirschfeld wie fast alle Verfasser
von modernen Literaturgeschichten hier mit
bloßer Aneinanderreihung beholfen und in¬
nerhalb der einzelnen Gattungen die Persön¬
lichkeiten eingeordnet. Hier muß natürlich

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[0443] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aufschlich und ermöglicht ein schnelles Auf¬ finden des Gesuchten. Schon ein flüchtiges Blättern in dem Werke gewährt hohen ästheti¬ schen Genuß, bis wir bei einem besonders inter¬ essanten Thema gefangen sind und bei tieferer Versenkung immer wieder staunend vor dem ungemessenen Reichtum der Natur an Wundern stehen, von denen das Borghese Sammelwerk einen so großen Schatz vor uns ausbreitet. Wie in den Bibliotheken, so sollte auch in den Familien dieses Werk besonders der rei¬ feren Jugend zugänglich sein, an der es seine beste Kraft erweisen wird: Freude zu ge¬ winnen an den Schönheiten und Seltsamkeiten der Natur, und trotz immer tieferen Ein¬ dringens in ihr Wesen demütig vor ihren „Wundern" zu stehen. Nicht allen wird die Anschaffung der drei Bände leicht werden, da die stattlichen Leinenbände je 16 Mark kosten. Doch ist — neben dem Einzelbezug der Bände — durch die Lieferungsausgabe zu je «0 Pfennig die Möglichkeit geVoten, nach und nach, ohne die Kosten viel zu merken, in den Besitz des Werkes zu kommen, das die aufgewendete Summe reichlich lohnt. Dr. Sergel Literaturgeschichte Die zweite Auflage der „Geschichte der französischen Literatur von den älteste» Zeiten bis zur Gegenwart" (Leipzig und Wien, Bibliographisches Institut) ist jetzt mit dem von Birch - Hirschfeld verfaßten zweiten Bande vollständig geworden. Hinzugefügt sind nun dreißig Seiten Literaturnachweise, die, ohne vollständig zu sein, doch die we¬ sentlichsten Hilfsmittel in wissenschaftlich ein¬ wandfreier Auswahl bringen. Obwohl da¬ mit die fachwissenschaftliche Benutzung des Buches ermöglicht ist, wird es doch seinem eigentlichen Zwecke nicht untreu: auch dem, der keine Fachkenntnisse besitzt, ein anschau¬ liches Bild französischer literarischer Kultur zu geben. Dazu dienen die zahlreichen Illustrationen und Faksimiles (leider fehlen noch immer dazu die Quellenangaben) und die leichtverständliche DarstellungSart. Bei¬ behalten ist in der zweiten Auflage auch das Einteilungsprinzip: Überschriften, die sich scheinbar an äußerliche geschichtliche Daten halten, umgrenzen das literarische Leben der Nation „innerhalb der Wirkungsdauer eines Menschenalters", das heißt ungefähr inner¬ halb einer Spanne von dreißig Jahren; ein Prinzip, das, von Ranke für die geschichtliche Forschung entdeckt, in der literarischen Kritik noch allzu selten die Gliederung nach Jahr¬ hunderten und Schlagworten verdrängt hat. (Für die moderne deutsche Literatur hat der Journalist Friedrich Kummer in seiner „Deutschen Literaturgeschichte des neunzehnten Fahrhunderts" den Versuch gemacht, über¬ kommene, apriorische Gesichtspunkte durch eine mehr experimentelle Methode zu ersetzen.) Bei solchem Verfahren, die generationsweise fortschreitende Entwicklung aufzuspüren und zur Darstellung zu bringen, kann man einen Hintergrund schaffen, auf dem die politischen und wirtschaftlichen Zustände mit den lite¬ rarischen und künstlerischen Erscheinungen sich zu einem geschlossenen und klaren Bilde ver¬ einigen. Mir scheint allerdings, daß wirt¬ schaftliche Verhältnisse (die z. B. die Demo¬ kratisierung und Kapitalisierung der Literatur zur Folge hatten) in dem Buch nicht genügend berücksichtigt werden; ebenso wie die Parallel¬ erscheinungen auf künstlerischem Gebiet ganz zurücktreten: charakteristische VertrcterihrerZeit wie Watteau, David, Delcicroix, Manet werden überhaupt nicht gewürdigt, höchstens mit Namen genannt. Gerade die deutsche Wissen¬ schaft könnte hier der größtenteils ästhetischen Kritik der Franzosen eine Aufdeckung und Begründung geschichtlicher Zusammenhänge gegenüberstellen. Dem Grundsatz, die Literatur als den geistigen Ausdruck einer Generation zu ver¬ anschaulichen, traten bei der Kritik der Gegen¬ wart unüberwindliche Schwierigkeiten ent¬ gegen. Wir können Wohl die äußere Wir¬ kung eines Werkes der Gegenwart einiger¬ maßen sicher abschätzen, aber am Bewerten hindert uns die Unmöglichkeit, einen tieferen Einblick in den Ablauf unseres jetzigen künst¬ lerischen Lebens zu tun. So hat sich denn auch Birch - Hirschfeld wie fast alle Verfasser von modernen Literaturgeschichten hier mit bloßer Aneinanderreihung beholfen und in¬ nerhalb der einzelnen Gattungen die Persön¬ lichkeiten eingeordnet. Hier muß natürlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/443>, abgerufen am 27.04.2024.