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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Reichsspiegel

Berliner Garde das Feld räumen mußten. Das Offizierkorps der 99 er hat
in den schweren Novembertagen eine bewunderungswürdige Disziplin gezeigt.
Die Reichsregierung hat einen Rückzug angetreten, den sie nicht nötig hatte,
G. Lleinow wenn ihre reichsländischen Organe auf dem Posten waren.


Nachtrag.

Im Begriff, die obigen Ausführungen in die Druckerei zu
geben, wird mir die in Zabern erscheinende Broschüre "Wackes und Leutnant,
v'Kevolution uun Xavers, nach Artikeln des Zaberner Anzeigers" zugesandt.
Habe ich auch bisher schon unter dem Eindruck gestanden, daß es sich hier nicht
um einen spontanen Ausbruch der Volksleidenschaft handelt, sondern um eine
von langer Hand vorbereitete Intrige, für deren sichtbares Eingreifen das unreife
Benehmen des Leutnants von Forstner nur den Vorwand bildet, so wird dieser
Eindruck nur verstärkt durch das, was in der Broschüre steht. Nach dem Inhalt
der Broschüre scheint die ganze Angelegenheit daraus gerichtet zu sein, die Disziplin
in der Armee zu untergraben und alle andere Hetze hat lediglich diesem Zweck ge<
dient. So lesen wir in der Ur. 140 vom 22. November (Seite 27 der Broschüre):
"Schon sind zweimal vierundzwanzig Stunden verflossen und noch nichts ist
bekannt über das Schicksal der zwanzig am Donnerstag deportierten elsässischen
Soldaten. Sind sie schon in den traurigen Einöden Ostpreußens eingetroffen
oder hält man sie sonstwo fest, wo man an ihnen die bekannte Militärtortur
vollzieht und sie je nach Bedarf zum Schweigen oder Sprechen bringen will?"

Den Schluß aber krönt folgender "Aufruf zur Gründung eines Hilfsfonds
für die gemaßregelten elsässischen Rekruten aus Zabern": "Gegen die Be¬
leidigungen, die Leutnant Freiherr von Forstner und Sergeant Höflich in
Zabern ausgesprochen, hat das elsässische Volk würdig protestiert und energisch
Genugtuung gefordert. Statt einer solchen wurde ein neuer Schlag gegen die
elsässischen Volksgenossen geführt, indem man die elsässischen jungen Leute, die
man zum Militärdienst gezwungen, herausriß aus ihrer engeren Heimat, aus
dem Kreise ihrer Verwandten und Bekannten und sie ganz plötzlich nach fremden
Garnisonen versetzte. Um diesen wenig bemittelten Opfern blinder Militär¬
gewalt die Fürsorge und Unterstützung, die ihnen hier ihre Verwandten zuteil
werden ließen, etwas zu ersetzen, ihnen durch kleine Geldunterstützungen ihr
trauriges Los etwas zu erleichtern, soll ein Hilfsfonds gegründet werden, aus
dem den dreißig ins Exil Geschickten regelmäßig während ihrer Militärzeit
kleine Unterstützungen gewährt werden sollen. Es soll dies dazu dienen, daß
sie nicht verzweifeln an der Gerechtigkeit und wissen, daß in ihrer Heimat ihre
elsässischen Brüder mit ihnen fühlen und denken. Jedweder Beitrag ist herzlichst
dankend willkommen. Es wird darüber öffentlich quittiert wie auch über die
Verwendung der Gelder Rechenschaft gelegt. Hierbei sei jedoch darauf auf¬
merksam gemacht, daß solche Spender, deren Namen nicht an die Öffentlichkeit
gelangen sollen, nur mit dem Anfangsbuchstaben genannt werden. Zusendungen
richte man an die Redaktion des Zaberner Anzeigers. Zabern i. E."


Reichsspiegel

Berliner Garde das Feld räumen mußten. Das Offizierkorps der 99 er hat
in den schweren Novembertagen eine bewunderungswürdige Disziplin gezeigt.
Die Reichsregierung hat einen Rückzug angetreten, den sie nicht nötig hatte,
G. Lleinow wenn ihre reichsländischen Organe auf dem Posten waren.


Nachtrag.

Im Begriff, die obigen Ausführungen in die Druckerei zu
geben, wird mir die in Zabern erscheinende Broschüre „Wackes und Leutnant,
v'Kevolution uun Xavers, nach Artikeln des Zaberner Anzeigers" zugesandt.
Habe ich auch bisher schon unter dem Eindruck gestanden, daß es sich hier nicht
um einen spontanen Ausbruch der Volksleidenschaft handelt, sondern um eine
von langer Hand vorbereitete Intrige, für deren sichtbares Eingreifen das unreife
Benehmen des Leutnants von Forstner nur den Vorwand bildet, so wird dieser
Eindruck nur verstärkt durch das, was in der Broschüre steht. Nach dem Inhalt
der Broschüre scheint die ganze Angelegenheit daraus gerichtet zu sein, die Disziplin
in der Armee zu untergraben und alle andere Hetze hat lediglich diesem Zweck ge<
dient. So lesen wir in der Ur. 140 vom 22. November (Seite 27 der Broschüre):
„Schon sind zweimal vierundzwanzig Stunden verflossen und noch nichts ist
bekannt über das Schicksal der zwanzig am Donnerstag deportierten elsässischen
Soldaten. Sind sie schon in den traurigen Einöden Ostpreußens eingetroffen
oder hält man sie sonstwo fest, wo man an ihnen die bekannte Militärtortur
vollzieht und sie je nach Bedarf zum Schweigen oder Sprechen bringen will?"

Den Schluß aber krönt folgender „Aufruf zur Gründung eines Hilfsfonds
für die gemaßregelten elsässischen Rekruten aus Zabern": „Gegen die Be¬
leidigungen, die Leutnant Freiherr von Forstner und Sergeant Höflich in
Zabern ausgesprochen, hat das elsässische Volk würdig protestiert und energisch
Genugtuung gefordert. Statt einer solchen wurde ein neuer Schlag gegen die
elsässischen Volksgenossen geführt, indem man die elsässischen jungen Leute, die
man zum Militärdienst gezwungen, herausriß aus ihrer engeren Heimat, aus
dem Kreise ihrer Verwandten und Bekannten und sie ganz plötzlich nach fremden
Garnisonen versetzte. Um diesen wenig bemittelten Opfern blinder Militär¬
gewalt die Fürsorge und Unterstützung, die ihnen hier ihre Verwandten zuteil
werden ließen, etwas zu ersetzen, ihnen durch kleine Geldunterstützungen ihr
trauriges Los etwas zu erleichtern, soll ein Hilfsfonds gegründet werden, aus
dem den dreißig ins Exil Geschickten regelmäßig während ihrer Militärzeit
kleine Unterstützungen gewährt werden sollen. Es soll dies dazu dienen, daß
sie nicht verzweifeln an der Gerechtigkeit und wissen, daß in ihrer Heimat ihre
elsässischen Brüder mit ihnen fühlen und denken. Jedweder Beitrag ist herzlichst
dankend willkommen. Es wird darüber öffentlich quittiert wie auch über die
Verwendung der Gelder Rechenschaft gelegt. Hierbei sei jedoch darauf auf¬
merksam gemacht, daß solche Spender, deren Namen nicht an die Öffentlichkeit
gelangen sollen, nur mit dem Anfangsbuchstaben genannt werden. Zusendungen
richte man an die Redaktion des Zaberner Anzeigers. Zabern i. E."


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[0542] Reichsspiegel Berliner Garde das Feld räumen mußten. Das Offizierkorps der 99 er hat in den schweren Novembertagen eine bewunderungswürdige Disziplin gezeigt. Die Reichsregierung hat einen Rückzug angetreten, den sie nicht nötig hatte, G. Lleinow wenn ihre reichsländischen Organe auf dem Posten waren. Nachtrag. Im Begriff, die obigen Ausführungen in die Druckerei zu geben, wird mir die in Zabern erscheinende Broschüre „Wackes und Leutnant, v'Kevolution uun Xavers, nach Artikeln des Zaberner Anzeigers" zugesandt. Habe ich auch bisher schon unter dem Eindruck gestanden, daß es sich hier nicht um einen spontanen Ausbruch der Volksleidenschaft handelt, sondern um eine von langer Hand vorbereitete Intrige, für deren sichtbares Eingreifen das unreife Benehmen des Leutnants von Forstner nur den Vorwand bildet, so wird dieser Eindruck nur verstärkt durch das, was in der Broschüre steht. Nach dem Inhalt der Broschüre scheint die ganze Angelegenheit daraus gerichtet zu sein, die Disziplin in der Armee zu untergraben und alle andere Hetze hat lediglich diesem Zweck ge< dient. So lesen wir in der Ur. 140 vom 22. November (Seite 27 der Broschüre): „Schon sind zweimal vierundzwanzig Stunden verflossen und noch nichts ist bekannt über das Schicksal der zwanzig am Donnerstag deportierten elsässischen Soldaten. Sind sie schon in den traurigen Einöden Ostpreußens eingetroffen oder hält man sie sonstwo fest, wo man an ihnen die bekannte Militärtortur vollzieht und sie je nach Bedarf zum Schweigen oder Sprechen bringen will?" Den Schluß aber krönt folgender „Aufruf zur Gründung eines Hilfsfonds für die gemaßregelten elsässischen Rekruten aus Zabern": „Gegen die Be¬ leidigungen, die Leutnant Freiherr von Forstner und Sergeant Höflich in Zabern ausgesprochen, hat das elsässische Volk würdig protestiert und energisch Genugtuung gefordert. Statt einer solchen wurde ein neuer Schlag gegen die elsässischen Volksgenossen geführt, indem man die elsässischen jungen Leute, die man zum Militärdienst gezwungen, herausriß aus ihrer engeren Heimat, aus dem Kreise ihrer Verwandten und Bekannten und sie ganz plötzlich nach fremden Garnisonen versetzte. Um diesen wenig bemittelten Opfern blinder Militär¬ gewalt die Fürsorge und Unterstützung, die ihnen hier ihre Verwandten zuteil werden ließen, etwas zu ersetzen, ihnen durch kleine Geldunterstützungen ihr trauriges Los etwas zu erleichtern, soll ein Hilfsfonds gegründet werden, aus dem den dreißig ins Exil Geschickten regelmäßig während ihrer Militärzeit kleine Unterstützungen gewährt werden sollen. Es soll dies dazu dienen, daß sie nicht verzweifeln an der Gerechtigkeit und wissen, daß in ihrer Heimat ihre elsässischen Brüder mit ihnen fühlen und denken. Jedweder Beitrag ist herzlichst dankend willkommen. Es wird darüber öffentlich quittiert wie auch über die Verwendung der Gelder Rechenschaft gelegt. Hierbei sei jedoch darauf auf¬ merksam gemacht, daß solche Spender, deren Namen nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen, nur mit dem Anfangsbuchstaben genannt werden. Zusendungen richte man an die Redaktion des Zaberner Anzeigers. Zabern i. E."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/542>, abgerufen am 27.04.2024.