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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Neue Bahnen der Exportförderung

diese drei Faktoren find Wahrzeichen vorwärtsstrebender staatlicher Entwicklung.
Die vier schnell erstarkenden englischen Demokratien jenseits der Meere, die
"Dominions beyonä tke 8ca", haben schon wegen ihrer geographischen Ent¬
fernung voneinander und von England mit ihrem wirtschaftlichen Emporblühen
sich jede ihren eigenen Kreis von Beziehungen zu fremden Staaten geschaffen.
Und fo kann man ihnen neben der inneren Selbstverwaltung ein gewisses Maß
äußerer Selbständigkeit nicht vorenthalten. Ist wegen dieser Emanzipation eine
Lockerung des britischen Reichsverbandes gegenüber dem Ausland zu erwarten?
In absehbarer Zeit wohl kaum. Auch in Zukunft wird die Politik des britischen
Weltreiches in London, und vorwiegend vom englischen Gesichtspunkt aus gemacht
werden. Eigene Politik kann die einzelne Dominion nur insoweit treiben, als sie
sich nicht in Gegensatz zu den Interessen des gesamten britischen Reiches setzt. Nach
wie vor gibt es nicht fünferlei, sondern ein einheitliches System der britischen
Beziehungen zum Ausland und dieses System steht unter der Kontrolle Downing-
streets. Hier ist der konstitutionelle Mittelpunkt, an dem die widerstreitenden
Interessen der über die Welt zerstreuten Reichsteile in Einklang mit den Grund¬
sätzen der englischen Politik gebracht werden, auf daß die Einheitlichkeit der
politischen Tendenz dem Ausland gegenüber gewahrt bleibe. In den Kardinal¬
fragen der äußeren Politik Großbritanniens übt die Auffassung der einen oder
anderen Dominion keine bestimmende Einwirkung aus. Aber bei manchen
diplomatischen Problemen wird das Ausland in Zukunft gut daran tun, den
Einfluß der Dominionen als wirksames Korrektiv des engeren englischen Stand¬
punktes in Rechnung zu setzen. Downingstreet ist nur noch ac jure das eng¬
lische Auswärtige Amt, ac laco ist es zum britischen Reichsamt des Äußern
geworden.




Neue Bahnen der Exportförderung
von Rudolf Nadolny

aß die Pflege der Exportinteressen unserer Industrie zu den
wichtigsten, ja vielleicht zu den Lebensinteressen der Nation ge¬
hört, darüber ist sich heute, scheint es, jedermann einig. So sehen
wir denn bei uns allenthalben -- und wohl in höherem Maße
als in anderen Exportstaaten -- eine rege Initiative an der
Arbeit, um die Ausfuhr unserer Jndustrieerzeugnisse zu ermöglichen, auf der
Höhe zu erhalten oder zu steigern. Diese Initiative, so mannigfach und weit¬
verzweigt ihre Betätigung im einzelnen ist, ordnet sich gewissen Grundsätzen
unter, und diese bilden zusammengefaßt das System der Exportförderung. Es


Neue Bahnen der Exportförderung

diese drei Faktoren find Wahrzeichen vorwärtsstrebender staatlicher Entwicklung.
Die vier schnell erstarkenden englischen Demokratien jenseits der Meere, die
„Dominions beyonä tke 8ca", haben schon wegen ihrer geographischen Ent¬
fernung voneinander und von England mit ihrem wirtschaftlichen Emporblühen
sich jede ihren eigenen Kreis von Beziehungen zu fremden Staaten geschaffen.
Und fo kann man ihnen neben der inneren Selbstverwaltung ein gewisses Maß
äußerer Selbständigkeit nicht vorenthalten. Ist wegen dieser Emanzipation eine
Lockerung des britischen Reichsverbandes gegenüber dem Ausland zu erwarten?
In absehbarer Zeit wohl kaum. Auch in Zukunft wird die Politik des britischen
Weltreiches in London, und vorwiegend vom englischen Gesichtspunkt aus gemacht
werden. Eigene Politik kann die einzelne Dominion nur insoweit treiben, als sie
sich nicht in Gegensatz zu den Interessen des gesamten britischen Reiches setzt. Nach
wie vor gibt es nicht fünferlei, sondern ein einheitliches System der britischen
Beziehungen zum Ausland und dieses System steht unter der Kontrolle Downing-
streets. Hier ist der konstitutionelle Mittelpunkt, an dem die widerstreitenden
Interessen der über die Welt zerstreuten Reichsteile in Einklang mit den Grund¬
sätzen der englischen Politik gebracht werden, auf daß die Einheitlichkeit der
politischen Tendenz dem Ausland gegenüber gewahrt bleibe. In den Kardinal¬
fragen der äußeren Politik Großbritanniens übt die Auffassung der einen oder
anderen Dominion keine bestimmende Einwirkung aus. Aber bei manchen
diplomatischen Problemen wird das Ausland in Zukunft gut daran tun, den
Einfluß der Dominionen als wirksames Korrektiv des engeren englischen Stand¬
punktes in Rechnung zu setzen. Downingstreet ist nur noch ac jure das eng¬
lische Auswärtige Amt, ac laco ist es zum britischen Reichsamt des Äußern
geworden.




Neue Bahnen der Exportförderung
von Rudolf Nadolny

aß die Pflege der Exportinteressen unserer Industrie zu den
wichtigsten, ja vielleicht zu den Lebensinteressen der Nation ge¬
hört, darüber ist sich heute, scheint es, jedermann einig. So sehen
wir denn bei uns allenthalben — und wohl in höherem Maße
als in anderen Exportstaaten — eine rege Initiative an der
Arbeit, um die Ausfuhr unserer Jndustrieerzeugnisse zu ermöglichen, auf der
Höhe zu erhalten oder zu steigern. Diese Initiative, so mannigfach und weit¬
verzweigt ihre Betätigung im einzelnen ist, ordnet sich gewissen Grundsätzen
unter, und diese bilden zusammengefaßt das System der Exportförderung. Es


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[0065] Neue Bahnen der Exportförderung diese drei Faktoren find Wahrzeichen vorwärtsstrebender staatlicher Entwicklung. Die vier schnell erstarkenden englischen Demokratien jenseits der Meere, die „Dominions beyonä tke 8ca", haben schon wegen ihrer geographischen Ent¬ fernung voneinander und von England mit ihrem wirtschaftlichen Emporblühen sich jede ihren eigenen Kreis von Beziehungen zu fremden Staaten geschaffen. Und fo kann man ihnen neben der inneren Selbstverwaltung ein gewisses Maß äußerer Selbständigkeit nicht vorenthalten. Ist wegen dieser Emanzipation eine Lockerung des britischen Reichsverbandes gegenüber dem Ausland zu erwarten? In absehbarer Zeit wohl kaum. Auch in Zukunft wird die Politik des britischen Weltreiches in London, und vorwiegend vom englischen Gesichtspunkt aus gemacht werden. Eigene Politik kann die einzelne Dominion nur insoweit treiben, als sie sich nicht in Gegensatz zu den Interessen des gesamten britischen Reiches setzt. Nach wie vor gibt es nicht fünferlei, sondern ein einheitliches System der britischen Beziehungen zum Ausland und dieses System steht unter der Kontrolle Downing- streets. Hier ist der konstitutionelle Mittelpunkt, an dem die widerstreitenden Interessen der über die Welt zerstreuten Reichsteile in Einklang mit den Grund¬ sätzen der englischen Politik gebracht werden, auf daß die Einheitlichkeit der politischen Tendenz dem Ausland gegenüber gewahrt bleibe. In den Kardinal¬ fragen der äußeren Politik Großbritanniens übt die Auffassung der einen oder anderen Dominion keine bestimmende Einwirkung aus. Aber bei manchen diplomatischen Problemen wird das Ausland in Zukunft gut daran tun, den Einfluß der Dominionen als wirksames Korrektiv des engeren englischen Stand¬ punktes in Rechnung zu setzen. Downingstreet ist nur noch ac jure das eng¬ lische Auswärtige Amt, ac laco ist es zum britischen Reichsamt des Äußern geworden. Neue Bahnen der Exportförderung von Rudolf Nadolny aß die Pflege der Exportinteressen unserer Industrie zu den wichtigsten, ja vielleicht zu den Lebensinteressen der Nation ge¬ hört, darüber ist sich heute, scheint es, jedermann einig. So sehen wir denn bei uns allenthalben — und wohl in höherem Maße als in anderen Exportstaaten — eine rege Initiative an der Arbeit, um die Ausfuhr unserer Jndustrieerzeugnisse zu ermöglichen, auf der Höhe zu erhalten oder zu steigern. Diese Initiative, so mannigfach und weit¬ verzweigt ihre Betätigung im einzelnen ist, ordnet sich gewissen Grundsätzen unter, und diese bilden zusammengefaßt das System der Exportförderung. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/65>, abgerufen am 27.04.2024.