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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Aus dem Analyse um die Ainoreform
v Dr. W. Warstat on

le Kinoreformbewegung gewinnt täglich an Ausdehnung und Tiefe,
Von den verschiedensten Gesichtspunkten her wird die "Veredlung
des Kinos" theoretisch gefordert, und es mehren sich auch die
praktischen Versuche, um alle die Gedanken auf ihre Brauchbarkeit in
der Wirklichkeit zu erproben, welche in einer schon recht stattlichen
Literatur geäußert sind.

Die erste Aufgabe dieser Zeilen soll daher die sein, auf einige der wich¬
tigsten Erscheinungen der Kinoliteratur hinzuweisen, die zweite soll in der
Schilderung der praktischen Fortschritte bestehen, die tatsächlich inzwischen in der
Kinoreform gemacht worden sind.

Zu den wichtigsten und von Freund und Feind am eifrigsten umstrittenen
Fragen der Kinoreform gehört das Problem der Kinozensur. Die Kinounter¬
nehmer beklagen sich natürlich über eine zu strenge und sinnlose Handhabung
der Filmzensur, ja sie bestreikn ihre Berechtigung überhaupt; luden sie doch den
Berliner Filmzensor Professor Dr. Brunner zu einem Vortrage auf dem Ersten
Deutschen Kinokongreß zu Berlin im Dezember 1912 ein und nahmen dessen
Ausführungen dann mit Gelächter und Widerspruch auf. Die Kinoreformer
dagegen sehen in der Filmzensur trotz alledem ein wichtiges Mittel, um den
Einfluß des Schundfilms auf Volk und Jugend zurückzudrängen. Der eifrigste
Vorkämpfer der Filmzensur ist Gerichtsassessor Dr. Hellwig in seinem Buche
"Schundfilms. Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung"*). Hellwig
selber hat in Heft 1K d. Jahrgangs 1913 der Grenzboten Gelegenheit gehabt, seine
Stellung zur Frage der Filmzensur grundsätzlich zu erörtern""). Auf sein Buch
soll an dieser Stelle gerade deshalb hingewiesen werden, weil seine Unter¬
scheidung von drei Arten der Schundfilms: geschmacklosen, sexuellen und krimi¬
nellen, noch heute brauchbar ist, weil es einen guten Überblick über die Probleme
der Filmzensur gibt und weil Hellwigs Vorschläge zur Gestaltung der Film¬
zensur: Abstufung der Zensur und Unterscheidung zwischen Films, die auch für
Kinder zulässig sind, und solchen, die nur vor Erwachsenen vorgeführt werden




*) Halle a. S. 1911, Buchhandlung des Waisenhauses. Preis 2,60 Mark.
"*) "Schundfilm und Filmzensur."


Aus dem Analyse um die Ainoreform
v Dr. W. Warstat on

le Kinoreformbewegung gewinnt täglich an Ausdehnung und Tiefe,
Von den verschiedensten Gesichtspunkten her wird die „Veredlung
des Kinos" theoretisch gefordert, und es mehren sich auch die
praktischen Versuche, um alle die Gedanken auf ihre Brauchbarkeit in
der Wirklichkeit zu erproben, welche in einer schon recht stattlichen
Literatur geäußert sind.

Die erste Aufgabe dieser Zeilen soll daher die sein, auf einige der wich¬
tigsten Erscheinungen der Kinoliteratur hinzuweisen, die zweite soll in der
Schilderung der praktischen Fortschritte bestehen, die tatsächlich inzwischen in der
Kinoreform gemacht worden sind.

Zu den wichtigsten und von Freund und Feind am eifrigsten umstrittenen
Fragen der Kinoreform gehört das Problem der Kinozensur. Die Kinounter¬
nehmer beklagen sich natürlich über eine zu strenge und sinnlose Handhabung
der Filmzensur, ja sie bestreikn ihre Berechtigung überhaupt; luden sie doch den
Berliner Filmzensor Professor Dr. Brunner zu einem Vortrage auf dem Ersten
Deutschen Kinokongreß zu Berlin im Dezember 1912 ein und nahmen dessen
Ausführungen dann mit Gelächter und Widerspruch auf. Die Kinoreformer
dagegen sehen in der Filmzensur trotz alledem ein wichtiges Mittel, um den
Einfluß des Schundfilms auf Volk und Jugend zurückzudrängen. Der eifrigste
Vorkämpfer der Filmzensur ist Gerichtsassessor Dr. Hellwig in seinem Buche
„Schundfilms. Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung"*). Hellwig
selber hat in Heft 1K d. Jahrgangs 1913 der Grenzboten Gelegenheit gehabt, seine
Stellung zur Frage der Filmzensur grundsätzlich zu erörtern""). Auf sein Buch
soll an dieser Stelle gerade deshalb hingewiesen werden, weil seine Unter¬
scheidung von drei Arten der Schundfilms: geschmacklosen, sexuellen und krimi¬
nellen, noch heute brauchbar ist, weil es einen guten Überblick über die Probleme
der Filmzensur gibt und weil Hellwigs Vorschläge zur Gestaltung der Film¬
zensur: Abstufung der Zensur und Unterscheidung zwischen Films, die auch für
Kinder zulässig sind, und solchen, die nur vor Erwachsenen vorgeführt werden




*) Halle a. S. 1911, Buchhandlung des Waisenhauses. Preis 2,60 Mark.
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[0139] [Abbildung] Aus dem Analyse um die Ainoreform v Dr. W. Warstat on le Kinoreformbewegung gewinnt täglich an Ausdehnung und Tiefe, Von den verschiedensten Gesichtspunkten her wird die „Veredlung des Kinos" theoretisch gefordert, und es mehren sich auch die praktischen Versuche, um alle die Gedanken auf ihre Brauchbarkeit in der Wirklichkeit zu erproben, welche in einer schon recht stattlichen Literatur geäußert sind. Die erste Aufgabe dieser Zeilen soll daher die sein, auf einige der wich¬ tigsten Erscheinungen der Kinoliteratur hinzuweisen, die zweite soll in der Schilderung der praktischen Fortschritte bestehen, die tatsächlich inzwischen in der Kinoreform gemacht worden sind. Zu den wichtigsten und von Freund und Feind am eifrigsten umstrittenen Fragen der Kinoreform gehört das Problem der Kinozensur. Die Kinounter¬ nehmer beklagen sich natürlich über eine zu strenge und sinnlose Handhabung der Filmzensur, ja sie bestreikn ihre Berechtigung überhaupt; luden sie doch den Berliner Filmzensor Professor Dr. Brunner zu einem Vortrage auf dem Ersten Deutschen Kinokongreß zu Berlin im Dezember 1912 ein und nahmen dessen Ausführungen dann mit Gelächter und Widerspruch auf. Die Kinoreformer dagegen sehen in der Filmzensur trotz alledem ein wichtiges Mittel, um den Einfluß des Schundfilms auf Volk und Jugend zurückzudrängen. Der eifrigste Vorkämpfer der Filmzensur ist Gerichtsassessor Dr. Hellwig in seinem Buche „Schundfilms. Ihr Wesen, ihre Gefahren und ihre Bekämpfung"*). Hellwig selber hat in Heft 1K d. Jahrgangs 1913 der Grenzboten Gelegenheit gehabt, seine Stellung zur Frage der Filmzensur grundsätzlich zu erörtern""). Auf sein Buch soll an dieser Stelle gerade deshalb hingewiesen werden, weil seine Unter¬ scheidung von drei Arten der Schundfilms: geschmacklosen, sexuellen und krimi¬ nellen, noch heute brauchbar ist, weil es einen guten Überblick über die Probleme der Filmzensur gibt und weil Hellwigs Vorschläge zur Gestaltung der Film¬ zensur: Abstufung der Zensur und Unterscheidung zwischen Films, die auch für Kinder zulässig sind, und solchen, die nur vor Erwachsenen vorgeführt werden *) Halle a. S. 1911, Buchhandlung des Waisenhauses. Preis 2,60 Mark. "*) „Schundfilm und Filmzensur."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/139>, abgerufen am 08.05.2024.