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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

der Landbevölkerung findet aber am stärksten
da statt, wo der landwirtschaftliche Gro߬
betrieb vorherrscht, wie dies zur Geniige durch
die Seringschen Untersuchungen festgestellt ist.
Es ist bedauerlich aber notwendig, die
Deutsche Arbeiterzcntrale auf diese allgemein
bekannte Tatsache noch besonders hinweisen
zu müssen. Den Großbetrieb mit Hilfe der
Hunderttausende von Ausländern in seinem
Übermaß im Osten erhalten wollen, heißt
nichts anderes, als die Abwanderungsbewegung
unterstützen, was wiederum schließlich dazu
führen muß, daß der Zwang des Rück¬
transports, wie er jetzt noch im Winter be¬
steht, für die hereingezogenen Slawen nicht
mehr aufrechterhalten werden kann und diese
dann dauernd den Platz der abgewanderten
deutschen Arbeiterbevülkerung einnehmen.

Gegen diese elementare völkische Gefahr
will die innere Kolonisation Abhilfe schaffen.

Der teilweise Ersatz der Großbetriebe
durch menschenreiche Bcmernkolonien soll das
überstürzte Anwachsen der Industrie hint¬
anhalten, die Bevölkerung auf dem Lande
verdichten und damit die Basis der Volks¬
vermehrung verbreitern. Es dürfte auch dem
Berichterstatter der Deutschen Arbeiterzentrale
bekannt sein, daß die vom Lande in die Gro߬
städte abwandernde Arbeiterbevölkerung für
die Regeneration unseres Volkes verloren ist,
daß sie vielmehr über kurz oder lang unrett¬
bar dem Zwei- und Einkindersystem verfüllt
und meistens bereits in der zweiten oder
dritten Generation ausstirbt. Die eigentliche
Quelle der Volksvermehrung liegt auf dem
Lande, und zwar heute mehr als vor einem
oder zwei Menschenaltern, als die Be¬
schränkung der Kinderzahl noch nicht im
gleichen Maße in die Hand des gemeinen
Mannes gegeben war. Daß das Land aber
als Quelle der Volkskraft die bei weitem
höhere Bedeutung hat, und immer haben
wird, findet seine Erklärung, außer in sitt¬
lichen und religiösen Motiven, nicht zum
wenigsten auch in rein wirtschaftlichen Gründen.
Hat doch der Kinderzuwachs in Stadt
und Land für die Familie einen anderen,
geradezu entgegengesetzten Wert. Während
unter städtischen Verhältnissen die Kinder bis
zum vierzehnten Lebensjahre und länger rein
konsumtive Bedeutung haben, den Familien¬

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haushalt also in unerwünschter Weise belasten,
werden die Kinder des kleinen Landmannes
schon mit zehn Jahren und früher Produktiv,
helfen in Stall und Feld, hüten und Pflegen
daS Vieh, ersetzen oft am Göpel oder sonstwo
eine volle Arbeitskraft, die an anderer Stelle
voll ausgenutzt werden kann, kurzum, sie ver¬
ringern nicht, sondern steigern frühzeitig das
Gesamteinkommen der Familie und sind des¬
halb bis zu weit höherer Zahl willkommene
Gäste als in der Stadt. Daher das eminente
Interesse von Staat und Volk an der länd¬
lichen Bevölkerung, die zu vermehren bekannt¬
lich just die vornehmste Aufgabe der inneren
Kolonisation ist.

Es ist seltsam, daß der Berichterstatter der
Arbeiterzentrnle das Mißverhältnis von Volks¬
vermehrung und Produktion richtig erkannt
hat und dennoch nicht auf den folgerichtigen
Gedanken kommt, dieses Mißverhältnis be-
beseitigen zu wollen. Statt nach Wegen zu
suchen oder Wege gutzuheißen, die in Zu¬
kunft eine stärkere Volksvermehrung garantieren,
will der Bericht gerade die Formen der land¬
wirtschaftlichen Produktion aufrechterhalten
wissen, die durch das Übermaß ihres Daseins
am stärksten der Landflucht Vorschub leisten.
Während alle Welt in den ausländischen
Saisonarbeitern ein -- zurzeit allerdings noch
nutwendiges -- Wel sieht, will die Deutsche
Arbeiterzentrale die Wünsche und Bequemlich¬
keiten dieser Ausländer zur Richtschnur unserer
landwirtschaftlichen Produktionen machen und
sie zu einer Dauererscheinung unserer Volks¬
wirtschaft werden lassen. Wäre es nicht schwarz
auf weiß in dem Berichte zu lesen, man
würde wahrlich versucht sein, eS für eine bös¬
willig ausgestreute Mär zu halten.

Dr. Ueup
Familiengeschichte

Henrich Steffens, der zur Zeit der Blüte
der Romantik nach Deutschland kam, sich den
Romantikern anschloß und von 1811 bis
1832 Professor der Physik in Breslau war,
neben der er jedoch auch Anthropologie,
Naturphilosophie, Mineralogie und Physiologie
vortrug, gilt in der Geschichte der Literatur
für einen Norweger. Nun hat ein Zufall
Professor Dr. N. Sturm in Breslau zu

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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der Landbevölkerung findet aber am stärksten
da statt, wo der landwirtschaftliche Gro߬
betrieb vorherrscht, wie dies zur Geniige durch
die Seringschen Untersuchungen festgestellt ist.
Es ist bedauerlich aber notwendig, die
Deutsche Arbeiterzcntrale auf diese allgemein
bekannte Tatsache noch besonders hinweisen
zu müssen. Den Großbetrieb mit Hilfe der
Hunderttausende von Ausländern in seinem
Übermaß im Osten erhalten wollen, heißt
nichts anderes, als die Abwanderungsbewegung
unterstützen, was wiederum schließlich dazu
führen muß, daß der Zwang des Rück¬
transports, wie er jetzt noch im Winter be¬
steht, für die hereingezogenen Slawen nicht
mehr aufrechterhalten werden kann und diese
dann dauernd den Platz der abgewanderten
deutschen Arbeiterbevülkerung einnehmen.

Gegen diese elementare völkische Gefahr
will die innere Kolonisation Abhilfe schaffen.

Der teilweise Ersatz der Großbetriebe
durch menschenreiche Bcmernkolonien soll das
überstürzte Anwachsen der Industrie hint¬
anhalten, die Bevölkerung auf dem Lande
verdichten und damit die Basis der Volks¬
vermehrung verbreitern. Es dürfte auch dem
Berichterstatter der Deutschen Arbeiterzentrale
bekannt sein, daß die vom Lande in die Gro߬
städte abwandernde Arbeiterbevölkerung für
die Regeneration unseres Volkes verloren ist,
daß sie vielmehr über kurz oder lang unrett¬
bar dem Zwei- und Einkindersystem verfüllt
und meistens bereits in der zweiten oder
dritten Generation ausstirbt. Die eigentliche
Quelle der Volksvermehrung liegt auf dem
Lande, und zwar heute mehr als vor einem
oder zwei Menschenaltern, als die Be¬
schränkung der Kinderzahl noch nicht im
gleichen Maße in die Hand des gemeinen
Mannes gegeben war. Daß das Land aber
als Quelle der Volkskraft die bei weitem
höhere Bedeutung hat, und immer haben
wird, findet seine Erklärung, außer in sitt¬
lichen und religiösen Motiven, nicht zum
wenigsten auch in rein wirtschaftlichen Gründen.
Hat doch der Kinderzuwachs in Stadt
und Land für die Familie einen anderen,
geradezu entgegengesetzten Wert. Während
unter städtischen Verhältnissen die Kinder bis
zum vierzehnten Lebensjahre und länger rein
konsumtive Bedeutung haben, den Familien¬

[Spaltenumbruch]

haushalt also in unerwünschter Weise belasten,
werden die Kinder des kleinen Landmannes
schon mit zehn Jahren und früher Produktiv,
helfen in Stall und Feld, hüten und Pflegen
daS Vieh, ersetzen oft am Göpel oder sonstwo
eine volle Arbeitskraft, die an anderer Stelle
voll ausgenutzt werden kann, kurzum, sie ver¬
ringern nicht, sondern steigern frühzeitig das
Gesamteinkommen der Familie und sind des¬
halb bis zu weit höherer Zahl willkommene
Gäste als in der Stadt. Daher das eminente
Interesse von Staat und Volk an der länd¬
lichen Bevölkerung, die zu vermehren bekannt¬
lich just die vornehmste Aufgabe der inneren
Kolonisation ist.

Es ist seltsam, daß der Berichterstatter der
Arbeiterzentrnle das Mißverhältnis von Volks¬
vermehrung und Produktion richtig erkannt
hat und dennoch nicht auf den folgerichtigen
Gedanken kommt, dieses Mißverhältnis be-
beseitigen zu wollen. Statt nach Wegen zu
suchen oder Wege gutzuheißen, die in Zu¬
kunft eine stärkere Volksvermehrung garantieren,
will der Bericht gerade die Formen der land¬
wirtschaftlichen Produktion aufrechterhalten
wissen, die durch das Übermaß ihres Daseins
am stärksten der Landflucht Vorschub leisten.
Während alle Welt in den ausländischen
Saisonarbeitern ein — zurzeit allerdings noch
nutwendiges — Wel sieht, will die Deutsche
Arbeiterzentrale die Wünsche und Bequemlich¬
keiten dieser Ausländer zur Richtschnur unserer
landwirtschaftlichen Produktionen machen und
sie zu einer Dauererscheinung unserer Volks¬
wirtschaft werden lassen. Wäre es nicht schwarz
auf weiß in dem Berichte zu lesen, man
würde wahrlich versucht sein, eS für eine bös¬
willig ausgestreute Mär zu halten.

Dr. Ueup
Familiengeschichte

Henrich Steffens, der zur Zeit der Blüte
der Romantik nach Deutschland kam, sich den
Romantikern anschloß und von 1811 bis
1832 Professor der Physik in Breslau war,
neben der er jedoch auch Anthropologie,
Naturphilosophie, Mineralogie und Physiologie
vortrug, gilt in der Geschichte der Literatur
für einen Norweger. Nun hat ein Zufall
Professor Dr. N. Sturm in Breslau zu

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[0299] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Landbevölkerung findet aber am stärksten da statt, wo der landwirtschaftliche Gro߬ betrieb vorherrscht, wie dies zur Geniige durch die Seringschen Untersuchungen festgestellt ist. Es ist bedauerlich aber notwendig, die Deutsche Arbeiterzcntrale auf diese allgemein bekannte Tatsache noch besonders hinweisen zu müssen. Den Großbetrieb mit Hilfe der Hunderttausende von Ausländern in seinem Übermaß im Osten erhalten wollen, heißt nichts anderes, als die Abwanderungsbewegung unterstützen, was wiederum schließlich dazu führen muß, daß der Zwang des Rück¬ transports, wie er jetzt noch im Winter be¬ steht, für die hereingezogenen Slawen nicht mehr aufrechterhalten werden kann und diese dann dauernd den Platz der abgewanderten deutschen Arbeiterbevülkerung einnehmen. Gegen diese elementare völkische Gefahr will die innere Kolonisation Abhilfe schaffen. Der teilweise Ersatz der Großbetriebe durch menschenreiche Bcmernkolonien soll das überstürzte Anwachsen der Industrie hint¬ anhalten, die Bevölkerung auf dem Lande verdichten und damit die Basis der Volks¬ vermehrung verbreitern. Es dürfte auch dem Berichterstatter der Deutschen Arbeiterzentrale bekannt sein, daß die vom Lande in die Gro߬ städte abwandernde Arbeiterbevölkerung für die Regeneration unseres Volkes verloren ist, daß sie vielmehr über kurz oder lang unrett¬ bar dem Zwei- und Einkindersystem verfüllt und meistens bereits in der zweiten oder dritten Generation ausstirbt. Die eigentliche Quelle der Volksvermehrung liegt auf dem Lande, und zwar heute mehr als vor einem oder zwei Menschenaltern, als die Be¬ schränkung der Kinderzahl noch nicht im gleichen Maße in die Hand des gemeinen Mannes gegeben war. Daß das Land aber als Quelle der Volkskraft die bei weitem höhere Bedeutung hat, und immer haben wird, findet seine Erklärung, außer in sitt¬ lichen und religiösen Motiven, nicht zum wenigsten auch in rein wirtschaftlichen Gründen. Hat doch der Kinderzuwachs in Stadt und Land für die Familie einen anderen, geradezu entgegengesetzten Wert. Während unter städtischen Verhältnissen die Kinder bis zum vierzehnten Lebensjahre und länger rein konsumtive Bedeutung haben, den Familien¬ haushalt also in unerwünschter Weise belasten, werden die Kinder des kleinen Landmannes schon mit zehn Jahren und früher Produktiv, helfen in Stall und Feld, hüten und Pflegen daS Vieh, ersetzen oft am Göpel oder sonstwo eine volle Arbeitskraft, die an anderer Stelle voll ausgenutzt werden kann, kurzum, sie ver¬ ringern nicht, sondern steigern frühzeitig das Gesamteinkommen der Familie und sind des¬ halb bis zu weit höherer Zahl willkommene Gäste als in der Stadt. Daher das eminente Interesse von Staat und Volk an der länd¬ lichen Bevölkerung, die zu vermehren bekannt¬ lich just die vornehmste Aufgabe der inneren Kolonisation ist. Es ist seltsam, daß der Berichterstatter der Arbeiterzentrnle das Mißverhältnis von Volks¬ vermehrung und Produktion richtig erkannt hat und dennoch nicht auf den folgerichtigen Gedanken kommt, dieses Mißverhältnis be- beseitigen zu wollen. Statt nach Wegen zu suchen oder Wege gutzuheißen, die in Zu¬ kunft eine stärkere Volksvermehrung garantieren, will der Bericht gerade die Formen der land¬ wirtschaftlichen Produktion aufrechterhalten wissen, die durch das Übermaß ihres Daseins am stärksten der Landflucht Vorschub leisten. Während alle Welt in den ausländischen Saisonarbeitern ein — zurzeit allerdings noch nutwendiges — Wel sieht, will die Deutsche Arbeiterzentrale die Wünsche und Bequemlich¬ keiten dieser Ausländer zur Richtschnur unserer landwirtschaftlichen Produktionen machen und sie zu einer Dauererscheinung unserer Volks¬ wirtschaft werden lassen. Wäre es nicht schwarz auf weiß in dem Berichte zu lesen, man würde wahrlich versucht sein, eS für eine bös¬ willig ausgestreute Mär zu halten. Dr. Ueup Familiengeschichte Henrich Steffens, der zur Zeit der Blüte der Romantik nach Deutschland kam, sich den Romantikern anschloß und von 1811 bis 1832 Professor der Physik in Breslau war, neben der er jedoch auch Anthropologie, Naturphilosophie, Mineralogie und Physiologie vortrug, gilt in der Geschichte der Literatur für einen Norweger. Nun hat ein Zufall Professor Dr. N. Sturm in Breslau zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/299>, abgerufen am 08.05.2024.