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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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^erfassungsfragen

Ein deutsches Herrenhaus? Seit einiger
Zeit wird eine von der Handelskammer zu
Düsseldorf herausgegebene Denkschrift über
"Industrie, Handel und Reichstag" viel er¬
örtert. Der Grundgedanke dieser Denkschrift
ist der, den Wünschen und Bedürfnissen von
Handel und Industrie ein größeres Ver¬
ständnis im Reichstage, und dem Reichstag
die sachverständige Mitarbeit und Beratung
durch die Gewerbetreibenden zu sichern. Die
Mittel, die hierzu vorgeschlagen werden, sind
einfach. Ich gehe auf sie an dieser Stelle
nicht weiter ein. Der Gedanke einer Ver¬
stärkung des Einflusses der Industrie im
Reichstage liegt auch einer Denkschrift zu¬
grunde, die Generalsekretär Dr. Schlenker in
Saarbrücken unter dem Titel: "Abänderung
des Neichstagswahlrechtes oder Schaffung eines
Reichsoberhauses" (Südwestdeutsche Flug¬
schriften Ur. 27, Saarbrücken 1913) heraus¬
gegeben hat.

Die in einer meiner Ansicht nach nicht
Zweckentsprechenden Schärfe geformten Aus¬
führungen gehen allerdings von, anderen Ge-
danken aus, wie die Denkschrift der Düssel¬
dorfer Handelskammer, die sich von allem frei¬
hält, was man als Scharfmachertun? zu be¬
zeichnen pflegt. Dr. Schlenker knüpft an den
Erlaß der Znwnchssteuer durch den Reichs-
^g an und weist, wie das schon von kon¬
servativer Seite früher geschehen ist, auf die
Gefahr einer einseitigen Belastung der Be¬

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sitzenden hin, die in einer allgemeinen Besitz-
steuer in der Hand des Reichstages liegt,
der daraus leicht eine beliebig gestaffelte Ver¬
mögenssteuer machen könnte. Dr. Schlenker
erörtert dann die verschiedenen Möglichkeiten
einer Änderung des Reichstagswahlrechtes, als
da sind Beseitigung der geheimen Wahl, Ab¬
hängigkeit des aktiven und passiven Wahl¬
rechtes von einer bestimmten Dauer der An¬
sässigkeit, scheint aber selbst an die Möglichkeit
solcher Änderungen in nächster Zeit nicht zu
glauben, sondern setzt seine Hoffnung auf die
Errichtung einer Ersten Kammer im Reiche.
Er sagt hierüber: "Nachdem aber nunmehr
der Reichstag zur direkten Vermögensbesteue¬
rung übergegangen ist und sich damit in
Widerspruch zu der Entstehungsgeschichte des
Deutschen Reiches und zu der bei der Grün¬
dung des Reiches von den Verbündeten Re¬
gierungen zum unverbrüchlichen Grundsätze
erhobenen indirekten Besteuerung gesetzt hat,
sind der Handelstag und die Handels¬
kammern vielleicht bereit, ihre bisherige Scheu
in bezug auf eine Verfassungsänderung auf¬
zugeben und sich mit anderen Gruppen zu
einer .Gemeinschaftsarbeit' mit dem aus¬
gesprochenen Ziele der Schaffung eines Reichs¬
oberhauses zusammenzufinden." Dr. Schlenker
beruft sich darauf, daß bei der Beratung des
Antrages der Handelskammer Krefeld über
eine bessere Vertretung der Gewerbe in den
Ersten Kammern der Bundesstaaten im
Deutschen Handelstage von verschiedenen Red¬
nern, unter anderen von Geheimrat Deussen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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^erfassungsfragen

Ein deutsches Herrenhaus? Seit einiger
Zeit wird eine von der Handelskammer zu
Düsseldorf herausgegebene Denkschrift über
»Industrie, Handel und Reichstag" viel er¬
örtert. Der Grundgedanke dieser Denkschrift
ist der, den Wünschen und Bedürfnissen von
Handel und Industrie ein größeres Ver¬
ständnis im Reichstage, und dem Reichstag
die sachverständige Mitarbeit und Beratung
durch die Gewerbetreibenden zu sichern. Die
Mittel, die hierzu vorgeschlagen werden, sind
einfach. Ich gehe auf sie an dieser Stelle
nicht weiter ein. Der Gedanke einer Ver¬
stärkung des Einflusses der Industrie im
Reichstage liegt auch einer Denkschrift zu¬
grunde, die Generalsekretär Dr. Schlenker in
Saarbrücken unter dem Titel: „Abänderung
des Neichstagswahlrechtes oder Schaffung eines
Reichsoberhauses" (Südwestdeutsche Flug¬
schriften Ur. 27, Saarbrücken 1913) heraus¬
gegeben hat.

Die in einer meiner Ansicht nach nicht
Zweckentsprechenden Schärfe geformten Aus¬
führungen gehen allerdings von, anderen Ge-
danken aus, wie die Denkschrift der Düssel¬
dorfer Handelskammer, die sich von allem frei¬
hält, was man als Scharfmachertun? zu be¬
zeichnen pflegt. Dr. Schlenker knüpft an den
Erlaß der Znwnchssteuer durch den Reichs-
^g an und weist, wie das schon von kon¬
servativer Seite früher geschehen ist, auf die
Gefahr einer einseitigen Belastung der Be¬

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sitzenden hin, die in einer allgemeinen Besitz-
steuer in der Hand des Reichstages liegt,
der daraus leicht eine beliebig gestaffelte Ver¬
mögenssteuer machen könnte. Dr. Schlenker
erörtert dann die verschiedenen Möglichkeiten
einer Änderung des Reichstagswahlrechtes, als
da sind Beseitigung der geheimen Wahl, Ab¬
hängigkeit des aktiven und passiven Wahl¬
rechtes von einer bestimmten Dauer der An¬
sässigkeit, scheint aber selbst an die Möglichkeit
solcher Änderungen in nächster Zeit nicht zu
glauben, sondern setzt seine Hoffnung auf die
Errichtung einer Ersten Kammer im Reiche.
Er sagt hierüber: „Nachdem aber nunmehr
der Reichstag zur direkten Vermögensbesteue¬
rung übergegangen ist und sich damit in
Widerspruch zu der Entstehungsgeschichte des
Deutschen Reiches und zu der bei der Grün¬
dung des Reiches von den Verbündeten Re¬
gierungen zum unverbrüchlichen Grundsätze
erhobenen indirekten Besteuerung gesetzt hat,
sind der Handelstag und die Handels¬
kammern vielleicht bereit, ihre bisherige Scheu
in bezug auf eine Verfassungsänderung auf¬
zugeben und sich mit anderen Gruppen zu
einer .Gemeinschaftsarbeit' mit dem aus¬
gesprochenen Ziele der Schaffung eines Reichs¬
oberhauses zusammenzufinden." Dr. Schlenker
beruft sich darauf, daß bei der Beratung des
Antrages der Handelskammer Krefeld über
eine bessere Vertretung der Gewerbe in den
Ersten Kammern der Bundesstaaten im
Deutschen Handelstage von verschiedenen Red¬
nern, unter anderen von Geheimrat Deussen

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[0483] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches ^erfassungsfragen Ein deutsches Herrenhaus? Seit einiger Zeit wird eine von der Handelskammer zu Düsseldorf herausgegebene Denkschrift über »Industrie, Handel und Reichstag" viel er¬ örtert. Der Grundgedanke dieser Denkschrift ist der, den Wünschen und Bedürfnissen von Handel und Industrie ein größeres Ver¬ ständnis im Reichstage, und dem Reichstag die sachverständige Mitarbeit und Beratung durch die Gewerbetreibenden zu sichern. Die Mittel, die hierzu vorgeschlagen werden, sind einfach. Ich gehe auf sie an dieser Stelle nicht weiter ein. Der Gedanke einer Ver¬ stärkung des Einflusses der Industrie im Reichstage liegt auch einer Denkschrift zu¬ grunde, die Generalsekretär Dr. Schlenker in Saarbrücken unter dem Titel: „Abänderung des Neichstagswahlrechtes oder Schaffung eines Reichsoberhauses" (Südwestdeutsche Flug¬ schriften Ur. 27, Saarbrücken 1913) heraus¬ gegeben hat. Die in einer meiner Ansicht nach nicht Zweckentsprechenden Schärfe geformten Aus¬ führungen gehen allerdings von, anderen Ge- danken aus, wie die Denkschrift der Düssel¬ dorfer Handelskammer, die sich von allem frei¬ hält, was man als Scharfmachertun? zu be¬ zeichnen pflegt. Dr. Schlenker knüpft an den Erlaß der Znwnchssteuer durch den Reichs- ^g an und weist, wie das schon von kon¬ servativer Seite früher geschehen ist, auf die Gefahr einer einseitigen Belastung der Be¬ sitzenden hin, die in einer allgemeinen Besitz- steuer in der Hand des Reichstages liegt, der daraus leicht eine beliebig gestaffelte Ver¬ mögenssteuer machen könnte. Dr. Schlenker erörtert dann die verschiedenen Möglichkeiten einer Änderung des Reichstagswahlrechtes, als da sind Beseitigung der geheimen Wahl, Ab¬ hängigkeit des aktiven und passiven Wahl¬ rechtes von einer bestimmten Dauer der An¬ sässigkeit, scheint aber selbst an die Möglichkeit solcher Änderungen in nächster Zeit nicht zu glauben, sondern setzt seine Hoffnung auf die Errichtung einer Ersten Kammer im Reiche. Er sagt hierüber: „Nachdem aber nunmehr der Reichstag zur direkten Vermögensbesteue¬ rung übergegangen ist und sich damit in Widerspruch zu der Entstehungsgeschichte des Deutschen Reiches und zu der bei der Grün¬ dung des Reiches von den Verbündeten Re¬ gierungen zum unverbrüchlichen Grundsätze erhobenen indirekten Besteuerung gesetzt hat, sind der Handelstag und die Handels¬ kammern vielleicht bereit, ihre bisherige Scheu in bezug auf eine Verfassungsänderung auf¬ zugeben und sich mit anderen Gruppen zu einer .Gemeinschaftsarbeit' mit dem aus¬ gesprochenen Ziele der Schaffung eines Reichs¬ oberhauses zusammenzufinden." Dr. Schlenker beruft sich darauf, daß bei der Beratung des Antrages der Handelskammer Krefeld über eine bessere Vertretung der Gewerbe in den Ersten Kammern der Bundesstaaten im Deutschen Handelstage von verschiedenen Red¬ nern, unter anderen von Geheimrat Deussen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/483>, abgerufen am 08.05.2024.