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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Reichssxiegel

Man findet den Schlüssel zur Stellungnahme des Handelsvertragsvereins
in einer Kundgebung desselben aus Anlaß der Erklärungen des Staatssekretärs
"r. Delbrück und des preußischen Handelsministers Dr. Sydoro über die handels¬
politischen Absichten der Reichsregierung. Herr Dr. Subow hat am 4. d. M.
im preußischen Abgeordnetenhause darauf hingewiesen, daß, wenn ausländische
Staaten die Verträge kündigen, dann müßte auch unsere handelspolitische
Rüstung verstärkt werden, was soviel heißt, daß wir bei der ersten Festsetzung
der einzelnen Positionen ganz allgemein eine Basis schaffen, von der aus mit
den einzelnen Staaten verhandelt werden könnte. Die Absicht, solches zu tun,
erklärt nun der Handelsvertragsverein für "sehr bedenklich". Nach seiner Auf¬
fassung reicht "unser jetziger Generaltarif vollkommen aus, um wiederum brauch¬
bare Handelsverträge. . . zustande zu bringen", und er kommt zu dem Schluß:
"Wenn sich wirklich die Notwendigkeit verschiedener technischer Änderungen an
unserem jetzigen Zolltarif herausgestellt habe, warum sollen diese nicht im Wege
einer besonderen Tarifnovelle nach Verlängerung der Handelsverträge vor¬
genommen werden? Das würde den großen Vorteil haben, daß dann in diese
Novelle keine besonderen Verhandlnngszölle eingestellt werden, sondern nur solche
Zölle, die wirklich nachher in Kraft treten sollen. Auf diese Weise würden wir
auch den Schein vermeiden, mit einem neuen Wettrüsten zu beginnen." -- So
kann nur schreiben, wem das Prinzip des Freihandels höher steht, wie das
Wohlergehen der Wirtschaftenden. Ich meine, den "Schein" brauchen wir gar
nicht mehr zu fürchten, denn in Rußland z. B. hat man längst begonnen, die
Rüstung für die Handelsvertragsverhandlungen zu untersuchen und aus allen
Industrien tönt uns der Ruf nach stärkerem Zollschutz entgegen. Aber ganz
abgesehen davon: in den abgelaufenen zwölf Jahren haben einzelne Industrien
ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft verändert; dem ist Rechnung zu tragen.
Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Handelsvertragsverein seinen doktrinären
Standpunkt möglichst schnell aufgäbe und sich mit den beiden Jndustrieverbänden
verständigte. Es hat gar keinen Zweck, wirtschaftliche Differenzen der vor¬
liegenden Art in breiter Öffentlichkeit vor dem Auslande zu verhandeln, besonders
da der Handelsvcrtragsverein kaum stark genug sein dürfte, unseren wirklich
mäßigen Zollschutz aufzuheben. Wollen wir gegen die Rüstungen des Auslandes
auskommen, so müssen die Vertreter der Gewerbe untereinander einig sein!
Dreimal einig! Ein strammes Zusammenhalten gegen das Ausland kann das
Bü G. Lleinow rgertum auch in der inneren Politik wieder zusammenführen.


Die Duellfrage im Reichstag

Die Bekämpfer des Duellunfugs können mit Befriedigung auf die Haltung
der Parteien des Reichstages und des Herrn Kriegsministers während der
letzten Erörterungen über das Duell blicken. Ganz allgemein wird das Duell
als ein Übel empfunden, das zu bekämpfen ist. Der Unterschied, der heute


Reichssxiegel

Man findet den Schlüssel zur Stellungnahme des Handelsvertragsvereins
in einer Kundgebung desselben aus Anlaß der Erklärungen des Staatssekretärs
»r. Delbrück und des preußischen Handelsministers Dr. Sydoro über die handels¬
politischen Absichten der Reichsregierung. Herr Dr. Subow hat am 4. d. M.
im preußischen Abgeordnetenhause darauf hingewiesen, daß, wenn ausländische
Staaten die Verträge kündigen, dann müßte auch unsere handelspolitische
Rüstung verstärkt werden, was soviel heißt, daß wir bei der ersten Festsetzung
der einzelnen Positionen ganz allgemein eine Basis schaffen, von der aus mit
den einzelnen Staaten verhandelt werden könnte. Die Absicht, solches zu tun,
erklärt nun der Handelsvertragsverein für „sehr bedenklich". Nach seiner Auf¬
fassung reicht „unser jetziger Generaltarif vollkommen aus, um wiederum brauch¬
bare Handelsverträge. . . zustande zu bringen", und er kommt zu dem Schluß:
„Wenn sich wirklich die Notwendigkeit verschiedener technischer Änderungen an
unserem jetzigen Zolltarif herausgestellt habe, warum sollen diese nicht im Wege
einer besonderen Tarifnovelle nach Verlängerung der Handelsverträge vor¬
genommen werden? Das würde den großen Vorteil haben, daß dann in diese
Novelle keine besonderen Verhandlnngszölle eingestellt werden, sondern nur solche
Zölle, die wirklich nachher in Kraft treten sollen. Auf diese Weise würden wir
auch den Schein vermeiden, mit einem neuen Wettrüsten zu beginnen." — So
kann nur schreiben, wem das Prinzip des Freihandels höher steht, wie das
Wohlergehen der Wirtschaftenden. Ich meine, den „Schein" brauchen wir gar
nicht mehr zu fürchten, denn in Rußland z. B. hat man längst begonnen, die
Rüstung für die Handelsvertragsverhandlungen zu untersuchen und aus allen
Industrien tönt uns der Ruf nach stärkerem Zollschutz entgegen. Aber ganz
abgesehen davon: in den abgelaufenen zwölf Jahren haben einzelne Industrien
ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft verändert; dem ist Rechnung zu tragen.
Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Handelsvertragsverein seinen doktrinären
Standpunkt möglichst schnell aufgäbe und sich mit den beiden Jndustrieverbänden
verständigte. Es hat gar keinen Zweck, wirtschaftliche Differenzen der vor¬
liegenden Art in breiter Öffentlichkeit vor dem Auslande zu verhandeln, besonders
da der Handelsvcrtragsverein kaum stark genug sein dürfte, unseren wirklich
mäßigen Zollschutz aufzuheben. Wollen wir gegen die Rüstungen des Auslandes
auskommen, so müssen die Vertreter der Gewerbe untereinander einig sein!
Dreimal einig! Ein strammes Zusammenhalten gegen das Ausland kann das
Bü G. Lleinow rgertum auch in der inneren Politik wieder zusammenführen.


Die Duellfrage im Reichstag

Die Bekämpfer des Duellunfugs können mit Befriedigung auf die Haltung
der Parteien des Reichstages und des Herrn Kriegsministers während der
letzten Erörterungen über das Duell blicken. Ganz allgemein wird das Duell
als ein Übel empfunden, das zu bekämpfen ist. Der Unterschied, der heute


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[0535] Reichssxiegel Man findet den Schlüssel zur Stellungnahme des Handelsvertragsvereins in einer Kundgebung desselben aus Anlaß der Erklärungen des Staatssekretärs »r. Delbrück und des preußischen Handelsministers Dr. Sydoro über die handels¬ politischen Absichten der Reichsregierung. Herr Dr. Subow hat am 4. d. M. im preußischen Abgeordnetenhause darauf hingewiesen, daß, wenn ausländische Staaten die Verträge kündigen, dann müßte auch unsere handelspolitische Rüstung verstärkt werden, was soviel heißt, daß wir bei der ersten Festsetzung der einzelnen Positionen ganz allgemein eine Basis schaffen, von der aus mit den einzelnen Staaten verhandelt werden könnte. Die Absicht, solches zu tun, erklärt nun der Handelsvertragsverein für „sehr bedenklich". Nach seiner Auf¬ fassung reicht „unser jetziger Generaltarif vollkommen aus, um wiederum brauch¬ bare Handelsverträge. . . zustande zu bringen", und er kommt zu dem Schluß: „Wenn sich wirklich die Notwendigkeit verschiedener technischer Änderungen an unserem jetzigen Zolltarif herausgestellt habe, warum sollen diese nicht im Wege einer besonderen Tarifnovelle nach Verlängerung der Handelsverträge vor¬ genommen werden? Das würde den großen Vorteil haben, daß dann in diese Novelle keine besonderen Verhandlnngszölle eingestellt werden, sondern nur solche Zölle, die wirklich nachher in Kraft treten sollen. Auf diese Weise würden wir auch den Schein vermeiden, mit einem neuen Wettrüsten zu beginnen." — So kann nur schreiben, wem das Prinzip des Freihandels höher steht, wie das Wohlergehen der Wirtschaftenden. Ich meine, den „Schein" brauchen wir gar nicht mehr zu fürchten, denn in Rußland z. B. hat man längst begonnen, die Rüstung für die Handelsvertragsverhandlungen zu untersuchen und aus allen Industrien tönt uns der Ruf nach stärkerem Zollschutz entgegen. Aber ganz abgesehen davon: in den abgelaufenen zwölf Jahren haben einzelne Industrien ihre Bedeutung für die Gesamtwirtschaft verändert; dem ist Rechnung zu tragen. Es wäre sehr zu wünschen, wenn der Handelsvertragsverein seinen doktrinären Standpunkt möglichst schnell aufgäbe und sich mit den beiden Jndustrieverbänden verständigte. Es hat gar keinen Zweck, wirtschaftliche Differenzen der vor¬ liegenden Art in breiter Öffentlichkeit vor dem Auslande zu verhandeln, besonders da der Handelsvcrtragsverein kaum stark genug sein dürfte, unseren wirklich mäßigen Zollschutz aufzuheben. Wollen wir gegen die Rüstungen des Auslandes auskommen, so müssen die Vertreter der Gewerbe untereinander einig sein! Dreimal einig! Ein strammes Zusammenhalten gegen das Ausland kann das Bü G. Lleinow rgertum auch in der inneren Politik wieder zusammenführen. Die Duellfrage im Reichstag Die Bekämpfer des Duellunfugs können mit Befriedigung auf die Haltung der Parteien des Reichstages und des Herrn Kriegsministers während der letzten Erörterungen über das Duell blicken. Ganz allgemein wird das Duell als ein Übel empfunden, das zu bekämpfen ist. Der Unterschied, der heute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/535>, abgerufen am 08.05.2024.