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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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genommen, an dem Auftreten des Herrn von Liebert Kritik zu üben. Wir
haben sein überscharfes Draufgängertum den sozialistischen Organisationen gegen¬
über stets mit Kopfschütteln betrachtet, seine durchaus undiplomatischen anti¬
semitischen Ausfälle sind uns unverständlich geblieben. Wenn aber heute General¬
leutnant von Liebert das Parlament 'verläßt und wohl schwerlich in dasselbe
zurückkehren wird, müssen wir doch bedauern, daß diese markante Persönlichkeit
aus den Reihen der Parlamentarier scheiden soll. Es scheidet mit ihm ein
ungemein vielseitiger Politiker, der Gelegenheit gehabt hat, sich in der aus¬
wärtigen Politik, in der Kolonialpolitik und auch in Fragen der inneren Politik
ein tiefbegründetes Urteil zu bilden, eine Persönlichkeit, die, herausgewachsen aus
dem gesunden Boden der siegreichen preußischen Armee von 1866 und 1870, ihre
Anschauungen mit solcher Klarheit, ja uns ungewohnter herzerfrischender Klarheit
vertreten hat, daß es oftmals eine Freude war, dem Manne zu lauschen, auch wenn
die Tendenz abstieß. Wir befinden uns diesmal mit der "Post" in Übereinstimmung,
wenn wir die Hoffnung aussprechen, daß Herr von Liebert mit seinem Aus¬
scheiden aus dem Reichstage nicht aufhören möge, politisch zu wirken. Möchte er aus
dem reichen Schatze seiner Erfahrungen Gedanken in die Nation streuen, ent¬
kleidet der scharfen Form, mit der er sie im Kampfe der Parteien zutage förderte,
und durchleuchtet von der Gelassenheit, die sich auf der Lebenshöhe jeder starken
Persönlichkeit einzustellen pflegt, die ihr Leben hindurch nach bestem Wissen und
Gewissen ihre Pflicht zu tun strebte. Herr von Liebert hat der Nation zweifellos
noch manches zu sagen.


Die Besoldungsreforin im Auswärtigen Amt

Die Leser dieser Zeitschrift werden sich erinnern, daß wir im vergangenen
Jahre, nachdem Herr von Jagow das Amt des Staatssekretärs des Auswärtigen
angetreten hatte, einen Wunschzettel aufgerollt haben, der im wesentlichen
das enthielt, was der Reichstag später beschlossen hat, nämlich, es möchten
Maßnahmen getroffen werden, durch welche der Zugang zum diplomatischen
Dienst den Befähigsten ohne Rücksicht auf ihre Vermögensverhältnisse ermöglicht
werde. Weiter gaben wir einen Vorschlag des nationalliberalen Abgeordneten
Freiherrn von Richthofen an, der auf dasselbe ausging. Diese Vorschläge
fielen auf guten Boden, nicht nur beim Reichstage, der dem Herrn Reichskanzler
so viele Mittel, als das Auswärtige Amt für den gedachten Zweck benötigen
würde, zur Verfügung stellte, sondern auch beim Auswärtigen Amt selbst, wo
sich schon seit Jahren Material für eine Besoldungsreform angehäuft hatte und
wo seitens der Personalabteilung recht gründliche Vorarbeiten im Gange waren.

Das Ergebnis dieser Arbeiten und der in der Budgetkommisston des Reichs¬
tages gepflogenen Aussprachen liegt uns nun in einer ganz hübsch abgerundeten
Besoldungsreform beim Etat für das Auswärtige Amt auf das Rechnungsjahr
1914 vor. Dem Steuerzahler kostet die Reform rund 650000 Mark. Es läßt
sich beim Durchsehen der Denkschrift erkennen, daß hier eine solide Arbeit geleistet


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genommen, an dem Auftreten des Herrn von Liebert Kritik zu üben. Wir
haben sein überscharfes Draufgängertum den sozialistischen Organisationen gegen¬
über stets mit Kopfschütteln betrachtet, seine durchaus undiplomatischen anti¬
semitischen Ausfälle sind uns unverständlich geblieben. Wenn aber heute General¬
leutnant von Liebert das Parlament 'verläßt und wohl schwerlich in dasselbe
zurückkehren wird, müssen wir doch bedauern, daß diese markante Persönlichkeit
aus den Reihen der Parlamentarier scheiden soll. Es scheidet mit ihm ein
ungemein vielseitiger Politiker, der Gelegenheit gehabt hat, sich in der aus¬
wärtigen Politik, in der Kolonialpolitik und auch in Fragen der inneren Politik
ein tiefbegründetes Urteil zu bilden, eine Persönlichkeit, die, herausgewachsen aus
dem gesunden Boden der siegreichen preußischen Armee von 1866 und 1870, ihre
Anschauungen mit solcher Klarheit, ja uns ungewohnter herzerfrischender Klarheit
vertreten hat, daß es oftmals eine Freude war, dem Manne zu lauschen, auch wenn
die Tendenz abstieß. Wir befinden uns diesmal mit der „Post" in Übereinstimmung,
wenn wir die Hoffnung aussprechen, daß Herr von Liebert mit seinem Aus¬
scheiden aus dem Reichstage nicht aufhören möge, politisch zu wirken. Möchte er aus
dem reichen Schatze seiner Erfahrungen Gedanken in die Nation streuen, ent¬
kleidet der scharfen Form, mit der er sie im Kampfe der Parteien zutage förderte,
und durchleuchtet von der Gelassenheit, die sich auf der Lebenshöhe jeder starken
Persönlichkeit einzustellen pflegt, die ihr Leben hindurch nach bestem Wissen und
Gewissen ihre Pflicht zu tun strebte. Herr von Liebert hat der Nation zweifellos
noch manches zu sagen.


Die Besoldungsreforin im Auswärtigen Amt

Die Leser dieser Zeitschrift werden sich erinnern, daß wir im vergangenen
Jahre, nachdem Herr von Jagow das Amt des Staatssekretärs des Auswärtigen
angetreten hatte, einen Wunschzettel aufgerollt haben, der im wesentlichen
das enthielt, was der Reichstag später beschlossen hat, nämlich, es möchten
Maßnahmen getroffen werden, durch welche der Zugang zum diplomatischen
Dienst den Befähigsten ohne Rücksicht auf ihre Vermögensverhältnisse ermöglicht
werde. Weiter gaben wir einen Vorschlag des nationalliberalen Abgeordneten
Freiherrn von Richthofen an, der auf dasselbe ausging. Diese Vorschläge
fielen auf guten Boden, nicht nur beim Reichstage, der dem Herrn Reichskanzler
so viele Mittel, als das Auswärtige Amt für den gedachten Zweck benötigen
würde, zur Verfügung stellte, sondern auch beim Auswärtigen Amt selbst, wo
sich schon seit Jahren Material für eine Besoldungsreform angehäuft hatte und
wo seitens der Personalabteilung recht gründliche Vorarbeiten im Gange waren.

Das Ergebnis dieser Arbeiten und der in der Budgetkommisston des Reichs¬
tages gepflogenen Aussprachen liegt uns nun in einer ganz hübsch abgerundeten
Besoldungsreform beim Etat für das Auswärtige Amt auf das Rechnungsjahr
1914 vor. Dem Steuerzahler kostet die Reform rund 650000 Mark. Es läßt
sich beim Durchsehen der Denkschrift erkennen, daß hier eine solide Arbeit geleistet


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[0624] Reichsspiogel genommen, an dem Auftreten des Herrn von Liebert Kritik zu üben. Wir haben sein überscharfes Draufgängertum den sozialistischen Organisationen gegen¬ über stets mit Kopfschütteln betrachtet, seine durchaus undiplomatischen anti¬ semitischen Ausfälle sind uns unverständlich geblieben. Wenn aber heute General¬ leutnant von Liebert das Parlament 'verläßt und wohl schwerlich in dasselbe zurückkehren wird, müssen wir doch bedauern, daß diese markante Persönlichkeit aus den Reihen der Parlamentarier scheiden soll. Es scheidet mit ihm ein ungemein vielseitiger Politiker, der Gelegenheit gehabt hat, sich in der aus¬ wärtigen Politik, in der Kolonialpolitik und auch in Fragen der inneren Politik ein tiefbegründetes Urteil zu bilden, eine Persönlichkeit, die, herausgewachsen aus dem gesunden Boden der siegreichen preußischen Armee von 1866 und 1870, ihre Anschauungen mit solcher Klarheit, ja uns ungewohnter herzerfrischender Klarheit vertreten hat, daß es oftmals eine Freude war, dem Manne zu lauschen, auch wenn die Tendenz abstieß. Wir befinden uns diesmal mit der „Post" in Übereinstimmung, wenn wir die Hoffnung aussprechen, daß Herr von Liebert mit seinem Aus¬ scheiden aus dem Reichstage nicht aufhören möge, politisch zu wirken. Möchte er aus dem reichen Schatze seiner Erfahrungen Gedanken in die Nation streuen, ent¬ kleidet der scharfen Form, mit der er sie im Kampfe der Parteien zutage förderte, und durchleuchtet von der Gelassenheit, die sich auf der Lebenshöhe jeder starken Persönlichkeit einzustellen pflegt, die ihr Leben hindurch nach bestem Wissen und Gewissen ihre Pflicht zu tun strebte. Herr von Liebert hat der Nation zweifellos noch manches zu sagen. Die Besoldungsreforin im Auswärtigen Amt Die Leser dieser Zeitschrift werden sich erinnern, daß wir im vergangenen Jahre, nachdem Herr von Jagow das Amt des Staatssekretärs des Auswärtigen angetreten hatte, einen Wunschzettel aufgerollt haben, der im wesentlichen das enthielt, was der Reichstag später beschlossen hat, nämlich, es möchten Maßnahmen getroffen werden, durch welche der Zugang zum diplomatischen Dienst den Befähigsten ohne Rücksicht auf ihre Vermögensverhältnisse ermöglicht werde. Weiter gaben wir einen Vorschlag des nationalliberalen Abgeordneten Freiherrn von Richthofen an, der auf dasselbe ausging. Diese Vorschläge fielen auf guten Boden, nicht nur beim Reichstage, der dem Herrn Reichskanzler so viele Mittel, als das Auswärtige Amt für den gedachten Zweck benötigen würde, zur Verfügung stellte, sondern auch beim Auswärtigen Amt selbst, wo sich schon seit Jahren Material für eine Besoldungsreform angehäuft hatte und wo seitens der Personalabteilung recht gründliche Vorarbeiten im Gange waren. Das Ergebnis dieser Arbeiten und der in der Budgetkommisston des Reichs¬ tages gepflogenen Aussprachen liegt uns nun in einer ganz hübsch abgerundeten Besoldungsreform beim Etat für das Auswärtige Amt auf das Rechnungsjahr 1914 vor. Dem Steuerzahler kostet die Reform rund 650000 Mark. Es läßt sich beim Durchsehen der Denkschrift erkennen, daß hier eine solide Arbeit geleistet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/624>, abgerufen am 08.05.2024.