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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte
Dr. Maximilian von Hagen von

eutschlands koloniale Handelspolitik ist vielfach Gegenstand scharfer
Kritik von feiten der Kaufleute, der Nationalökonomen und der
Kolonialpolitiker"). In der Erkenntnis, daß solchen Stimmen nur
mit einem historisch-systematischen Einblick in die Entwicklung
der kolonialen Handelspolitik aller Weltmächte, sofern sie Kolonial¬
politik im engeren Sinne treiben, zu begegnen ist, versucht der bekannte Kolonial¬
schriftsteller Otto Jöhlinger, Dozent am Orientalischen Seminar der Berliner
Universität und Verfasser eines Buches über "Die wirtschaftliche Bedeutung
unserer Kolonien", eine Rechtfertigung der deutschen Regierungspolitik hin¬
sichtlich der Regelung der handelspolitischen Verhältnisse zwischen dem Mutter¬
land und seinem überseeischen Schutzgebietsbesitz**). Um zu beweisen, daß dieser
Versuch auf Grund einer vergleichenden historisch-statistischen Methode voll¬
kommen gelungen ist, bedarf es eines Überblickes über die Handelspolitik der
Kolonialmächte wie sie in der vorliegenden Schrift eingehend geschildert wird.
Ein solcher Überblick ist um so lehrreicher, als er die Erfahrungen der großen
Kolonialmächte, auf einem Gebiete zeigt, auf dem Deutschland noch die Rolle
des Neulings spielt. Freilich muß man sich dabei hüten, die zollpolitischen
Maßnahmen anderer Länder -- ebenso wie alle anderen fremdländischen In¬
stitutionen -- auf unsere besonderen Verhältnisse schematisch übertragen zu
wollen.

Bei einer solchen Untersuchung sehen wir naturgemäß die beiden, alle
wirtschaftspolitischen Fragen beherrschenden, nationalökonomischen Dogmen,
Schutzzoll und Freihandel, miteinander ringen. Während in der Kolonialpolitik
des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts der Schutzzoll überwiegt, bricht
sich im neunzehnten Jahrhundert nach Englands Vorgang im Jahre 1846
allmählich der Freihandel überall Bahn. An Stelle der Schutz" und Vorzugs¬
zölle, denen bisher die Erzeugnisse des Mutterlandes in den Kolonien oder der Ko-




*) Vgl. z. B. Zadow, "I^es rewtions äouaniöres entre Metropole et colonies", in
"LuIIetin cZe colonisstion comparee". Bruxelles 1913, P. 239 ff., 2S8 ff., 363 ff.
"") Jöhlinger: "Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte", Volkswirtschaftliche Zeit¬
fragen Ur. 276/77. Berlin 1S13, Verlag von Leonhard Simion Nachs.


Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte
Dr. Maximilian von Hagen von

eutschlands koloniale Handelspolitik ist vielfach Gegenstand scharfer
Kritik von feiten der Kaufleute, der Nationalökonomen und der
Kolonialpolitiker"). In der Erkenntnis, daß solchen Stimmen nur
mit einem historisch-systematischen Einblick in die Entwicklung
der kolonialen Handelspolitik aller Weltmächte, sofern sie Kolonial¬
politik im engeren Sinne treiben, zu begegnen ist, versucht der bekannte Kolonial¬
schriftsteller Otto Jöhlinger, Dozent am Orientalischen Seminar der Berliner
Universität und Verfasser eines Buches über „Die wirtschaftliche Bedeutung
unserer Kolonien", eine Rechtfertigung der deutschen Regierungspolitik hin¬
sichtlich der Regelung der handelspolitischen Verhältnisse zwischen dem Mutter¬
land und seinem überseeischen Schutzgebietsbesitz**). Um zu beweisen, daß dieser
Versuch auf Grund einer vergleichenden historisch-statistischen Methode voll¬
kommen gelungen ist, bedarf es eines Überblickes über die Handelspolitik der
Kolonialmächte wie sie in der vorliegenden Schrift eingehend geschildert wird.
Ein solcher Überblick ist um so lehrreicher, als er die Erfahrungen der großen
Kolonialmächte, auf einem Gebiete zeigt, auf dem Deutschland noch die Rolle
des Neulings spielt. Freilich muß man sich dabei hüten, die zollpolitischen
Maßnahmen anderer Länder — ebenso wie alle anderen fremdländischen In¬
stitutionen — auf unsere besonderen Verhältnisse schematisch übertragen zu
wollen.

Bei einer solchen Untersuchung sehen wir naturgemäß die beiden, alle
wirtschaftspolitischen Fragen beherrschenden, nationalökonomischen Dogmen,
Schutzzoll und Freihandel, miteinander ringen. Während in der Kolonialpolitik
des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts der Schutzzoll überwiegt, bricht
sich im neunzehnten Jahrhundert nach Englands Vorgang im Jahre 1846
allmählich der Freihandel überall Bahn. An Stelle der Schutz» und Vorzugs¬
zölle, denen bisher die Erzeugnisse des Mutterlandes in den Kolonien oder der Ko-




*) Vgl. z. B. Zadow, „I^es rewtions äouaniöres entre Metropole et colonies", in
„LuIIetin cZe colonisstion comparee". Bruxelles 1913, P. 239 ff., 2S8 ff., 363 ff.
"») Jöhlinger: „Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte", Volkswirtschaftliche Zeit¬
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[0370] [Abbildung] Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte Dr. Maximilian von Hagen von eutschlands koloniale Handelspolitik ist vielfach Gegenstand scharfer Kritik von feiten der Kaufleute, der Nationalökonomen und der Kolonialpolitiker"). In der Erkenntnis, daß solchen Stimmen nur mit einem historisch-systematischen Einblick in die Entwicklung der kolonialen Handelspolitik aller Weltmächte, sofern sie Kolonial¬ politik im engeren Sinne treiben, zu begegnen ist, versucht der bekannte Kolonial¬ schriftsteller Otto Jöhlinger, Dozent am Orientalischen Seminar der Berliner Universität und Verfasser eines Buches über „Die wirtschaftliche Bedeutung unserer Kolonien", eine Rechtfertigung der deutschen Regierungspolitik hin¬ sichtlich der Regelung der handelspolitischen Verhältnisse zwischen dem Mutter¬ land und seinem überseeischen Schutzgebietsbesitz**). Um zu beweisen, daß dieser Versuch auf Grund einer vergleichenden historisch-statistischen Methode voll¬ kommen gelungen ist, bedarf es eines Überblickes über die Handelspolitik der Kolonialmächte wie sie in der vorliegenden Schrift eingehend geschildert wird. Ein solcher Überblick ist um so lehrreicher, als er die Erfahrungen der großen Kolonialmächte, auf einem Gebiete zeigt, auf dem Deutschland noch die Rolle des Neulings spielt. Freilich muß man sich dabei hüten, die zollpolitischen Maßnahmen anderer Länder — ebenso wie alle anderen fremdländischen In¬ stitutionen — auf unsere besonderen Verhältnisse schematisch übertragen zu wollen. Bei einer solchen Untersuchung sehen wir naturgemäß die beiden, alle wirtschaftspolitischen Fragen beherrschenden, nationalökonomischen Dogmen, Schutzzoll und Freihandel, miteinander ringen. Während in der Kolonialpolitik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts der Schutzzoll überwiegt, bricht sich im neunzehnten Jahrhundert nach Englands Vorgang im Jahre 1846 allmählich der Freihandel überall Bahn. An Stelle der Schutz» und Vorzugs¬ zölle, denen bisher die Erzeugnisse des Mutterlandes in den Kolonien oder der Ko- *) Vgl. z. B. Zadow, „I^es rewtions äouaniöres entre Metropole et colonies", in „LuIIetin cZe colonisstion comparee". Bruxelles 1913, P. 239 ff., 2S8 ff., 363 ff. "») Jöhlinger: „Die koloniale Handelspolitik der Weltmächte", Volkswirtschaftliche Zeit¬ fragen Ur. 276/77. Berlin 1S13, Verlag von Leonhard Simion Nachs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/370>, abgerufen am 04.05.2024.